Wie mir der Bassklarinettist und Tenorsaxofonist Christoph Klenner von SUND im Vorgespräch erläuterte, gäbe es diese Study Up Awards an der Universität Osnabrück nicht allein am Institut für Musik, sondern auch in anderen Fachbereichen. Neben dem Award im Fach Jazz existiert auch ein Award für die Bereiche Klassik, Pop und Musical.
Im Blue Note Osnabrück traten vier Jazz-Bands an, um sich im musikalischen Wettstreit zu messen. Für den Gewinner lockten 500 Euro Preisgeld, gestiftet von Christian Saßnick von Blue Note, und ein Studiotag.
Zu den fachkundigen Juroren gehörte der Kölner Trompeter Frederik Köster, der am IfM als Professor tätig ist, aber sonst in eigener Sache unterwegs ist, ob mit seinem Bandprojekt „Die Verwandlung“, mit Jens Düppes „Anima“ oder ob er neben dem Tenorsaxofonisten Paul Heller mit einem gemeinsamen, neuen Projekt zu hören ist.
Mit Frederik Köster konnte ich im Vorwege der Showcases von je 25 Minuten ein paar Worte wechseln, auch über die Idee des Awards: „Es geht darum, die Studenten zu motivieren, ihre eigenen Projekte nach vorne zu bringen und in eigene Projekte zu investieren. Das ist der Grundgedanke. Wie kann man das schöner machen als bei einem gemeinsamen Konzertabend?“ Auf die Frage nach der Vorauswahl, ob Auswahlvorspielen oder Einsendung eines Demobandes, antwortete Frederik Köster wie folgt: „Dazu haben wir gar nicht den Rahmen, dass es mehrere Runden gibt, mit einer ersten und einer zweiten Runde. Man bewirbt sich mit zwei MP3 seiner Band und kommt dann direkt ins Finale.“
Frederik Köster hatte sich, so sagte er außerdem, in diesem Jahr entschieden, statt der in den Vorjahren üblichen drei, gleich vier Bands ins Finale mitzunehmen. „Es sind Bands aus dem kompletten Profil Jazz am IfM der Uni Osnabrück. Es ist erlaubt, dass man jemand Externen mit in die Band nimmt. Die Regel ist eigentlich, dass die Hälfte der Bandmitglieder am Institut studieren müssen.“ So haben dann auch Bands eine Chance, die um Studenten anderer Musikhochschulen ergänzt wurden. Auszeichnungen sind ja nicht unwichtig. Das meinte auch Frederik Köster: „In Deutschland, wo es sehr sehr viele Preise gibt und sehr viele Wettbewerbe und sehr viele Fördermaßnahmen wird es wichtiger denn je, sich mit vielen Preisen zu schmücken. Es ist ein bisschen Teil des Spiels. Es ist eine Chance, seine Band in den Fokus zu bringen.“
Doch nun in medias res!
Sund ohne norwegischen Fjordsound
Den Reigen der Showcases eröffnete die Band SUND, bestehend aus Christoph Klenner (Tenorsaxofon, Bass-Klarinette), Yannik Tiemann (Bass) und Yo Beyer (Schlagzeug). Auf die Frage nach dem Bandnamen erläuterte Christoph Klenner, dass die Kompositionen der Band von Reisen und vor allem der Natur inspiriert seien. Neben Sund stand noch Isthmus im Raum, aber Sund habe wohl besser gepasst, vor allem zu Songs wie „Liquid Sunshine“, aus der Feder des Bassklarinettisten und Tenorsaxofonisten Christoph Klenner. Ihm sind drei der vier Songs des Abends zu verdanken, so auch „Jigger Jag“ und „Salix“. Yannik Tiemann hatte sich den Blues über einen Weisheitszahn ausgedacht. Das Trio war sehr gut aufgelegt, was sich auch in den Ansagen niederschlug. Der erste Song „Jigger Jag“ war all den Holzfällern da draußen im Teutoburger Wald gewidmet – pure Ironie, so schien mir. Beim Stichwort Weisheitszähne habe ja jeder so seine schlimme Erfahrung gesammelt und könne daher sehr schnell zum Blues Zugang finden. „Liquid Sunshine“ war als Hohelied auf Osnabrück zu verstehen, auch dies natürlich mit einem Augenzwinkern zu sehen.
Beim ersten Song „Jigger Jag“ dachte der Berichterstatter weniger an die niedersausende Axt oder die kreischende Kettensäge, sondern eher an Wasserstrudel und Wellenschlag, folgte man den sehr dynamisch gestalteten Saxofonsequenzen. Behäbig kam der Bass daher. Ihm schien es dabei, um das Prinzip der Langsamkeit zu gehen. Verhalten und ständig in den Metren wandernd zeigte sich der Schlagzeuger, der auch mit der Hand die Snare anschlug und dämpfte, der seine Sticks über den Korpus der Hänge-Tom streichen ließ, der vielfach nur die Trommelränder anschlug und wenig Bass-Drum einsetzte. Irgendwie dachte der Berichterstatter beim Zuhören an Treibsand und an Dünenläufe. Man kommt dabei vorwärts, wird aber auch immer zurückgeworfen, wenn der Sand nachgibt. So schien mir die Metrik gestaltet zu sein, die Yo Beyer unbeirrt setzte. Schlierige Sequenzen steuerte Christoph Klenner dazu bei. Teilweise wechselte er vom Furioso ins Pianissimo, vom Dramatischen ins Lyrische. Am Ende vernahm man dann auch Jubelschreie.
Gänzlich anders angelegt war dann der Blues für den Weisheitszahn. Christoph Klenner hatte das Tenorsaxofon beiseitegelegt und spielte auf der tieftönigen Bassklarinette. So waren gleich zwei Tieftöner auf der Bühne präsent, der eine eher säuselnd und wehklagend, der andere eher erdig und gebunden. Das Blues-Schema war nicht zu überhören, auch wenn man den Eindruck gewinnen konnte, Yo Beyer konterkariere dies mit seinem Schlagwerk.
„Salix“ – wer Latein könne, wisse, was es bedeute, alle anderen müssten halt fragen, so der Saxofonist des Trios – stand danach auf dem Programm. Eröffnet wurde der Song durch das Schlagzeug und den gestrichenen Bass. Die Bassklarinette, als sie denn zu Gehör kam, zeigte sich wehmütig. Sehr vorsichtig erfolgte das Spiel mit den Schlägeln auf dem Blech. Wellenartig entwickelte sich der Song, der im Verlauf in den Hörfarben durch die Bassklarinette bestimmt wurde. Am Ende ließ es die Band in Osnabrück regnen. Dicke Tropfen platschten auf den Gehweg. Ein Vorhang von Nieselregen war zu spüren. Es tröpfelte stetig – so jedenfalls signalisierten es die Klarinettenpassagen. Auch das Schlagwerk trug zum Geräusch dicker Regentropfen auf die Blätter der Bäume bei. Das Klickklickklick des Schlagwerks stand für den Beginn des Regens; Klacklackklack – vielfach wurden auch die Stative des Schlagwerks mit angeschlagen – deutete dann auf dicke Tropfen hin.
Loos machte einen los
Rund um Franziska Loos (IfM, voc), die mit einer sehr souligen Stimme zu überzeugen wusste, scharten sich Vincent Dombrowski (HfMT Hamburg, sax), Raphael Röchter (HfMT Köln, piano), Jakob Lübke (IfM, bass) und Lukas Schwegmann (IfM, drums). Der „Worksong“, mit dem die Band begann, wurde mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine Näherin handele, die im Mittelpunkt stehe, angekündigt. Zugeschnitten war der musikalische Vortrag auf die soulige Stimme von Franziska Loos – sie hatte bis auf ein Stück alle anderen komponiert und mit Lyrik versehen. „I'm a modern woman and I do as I pleased. I get up before dawn and roll up my sleeves“, sind die ersten Songzeilen. Es mischten sich in diesem Song Blues, Gospel und Soul. Spätestens bei der Textzeile: „I will beautify you because I know how to knit ...“, merkte der Zuhörer, dass es entgegen der Ankündigung um eine Strickerin geht. Upps!
Mal von diesem Lapsus abgesehen überzeugte Franziska Loos gesanglich von Beginn an, auch wenn sie ins Scat Vocal wechselte. Dass sie dabei ihre Bandkollegen ein wenig in den Schatten rückte, scheint bei Vocal Jazz oder Soul nicht außergewöhnlich. Man denke in diesem Kontext nur an die Ladies im Jazz wie Sarah Vaughan, Bessie Smith oder Billy Holiday. Bei Ella Fitzgerald war dies ebenfalls sehr ausgeprägt. An deren Scat Vocal kam Franziska Loos jedoch nicht heran. Im Duett mit dem E-Bassisten trug die Sängerin außerdem das balladenhafte „Try“ vor. „Promise you try or don't promise me nothing“ war eine der Zeilen, die mir im Gedächtnis geblieben ist. Noch etwas anderes war auffallend: Der Bassist schien sich nie richtig frei zu spielen. Mit „In the end“ endete der Showcase. Hierbei durfte Vincent Dombrowski – er zeichnete auch als Komponist des Stücks verantwortlich – voll aus sich herausgehen und verwirbelte Klangsequenzen auf dem Saxofon spielen. Sehr rockig angelegt schien der Song, bei dem der Fokus mal nicht auf der Bandleaderin lag. Man wünschte sich von dieser Band, dass die Band in ihren einzelnen Hörfarben mehr zum Tragen gekommen wäre, sich also Franziska Loos auch mal zurückgenommen oder ihre Stimme als weiteres Instrument eingebracht hätte, vielleicht im Chorus mit dem Altsaxofon und dem Piano.
Kora Quartett ohne Kora
Nein eine zwölfsaitige Stegharfe, Kora genannt und in der westafrikanischen Musik sehr geläufig, spielte keiner der Musiker des Quartetts. Westafrikanische Sounds im Geiste Ali Fakar Tourés waren zudem nicht zu hören. Die Band um den Pianisten und Vokalisten Brice Wilfried Seabright bestehend aus Jihun Lim (git), Philipp Staege (dr) und Federico Socha (b) war beim ersten Song völlig beschäftigungslos.
Brice Wilfried Seabright präsentierte sich als Solist mit Vocal Loops. Ans Ohr der Zuhörer drangen Lautmalereien und Textfragmente wie „Waggawagga“ und „Tststststihjein“, sprich: Lyrik traf auf eine Art Human Beatbox. Für die Teilnahme an einem Bandwettbewerb schien der Einstieg m. E. eher unglücklich gewählt. Keiner der anderen Musiker, selbst der Schlagzeuger nicht, nahm an den Loops teil, konnte Phrasierungen an der Gitarre oder am Bass darüber legen. Weitere Songs wie „Boomerang“, aus der Feder des Gitarristen Jihun Lim, überzeugten durch technische Brillanz, durch eine Mischung aus Jazz und Rock, vielleicht als Post-Fusion zu charakterisieren. Tanzbares wurde gespielt, auch ohne Santana-Sound oder Swing. Mit Gitarrenriffs verlieh uns Jihun Lim Flügel, derweil uns Brice Wilfried Seabright mit sehr energiegeladenem Spiel auf den weißen und schwarzen Tasten für sich einnahm. Man hörte sprudelnde und tänzelnde Klangfolgen zu harten Beats und einem auf Ostinato gestimmten Bass. Virtuos war das Fingerspiel von Jihun Lim schon, keine Frage, auch frisch, doch ist im Fusion Jazz seit dem späten Miles Davis nicht alles schon gesagt worden?
Pressefoto
Zum Schluss: LARIZA
Im Vorwege einer Konzertankündigung jenseits der Beteiligung am Study Up Award konnte man folgende Zeilen über die Osnabrücker Band um die Vokalistin Lena-Larissa Senge lesen: „Die Band LARIZA vereint sphärischen Jazz mit tanzenden Groove-Elementen. Sonnendurchflutete Bossa-Rhythmen mischen sich mit sinnlichen Balladen, poetische Texte gehen Hand in Hand mit fließenden Melodiebewegungen. Mal schwebt die Stimme von Sängerin Lena-Larissa Senge sanft über dem schillernden, offenen Sound der Band, mal prescht sie kraftvoll nach vorn und vereint sich mit der treibenden Rhythmusgruppe zu einem energiegeladenen Sound.“ Dank einer bereits veröffentlichen CD mit Titel wie „White Taurus“ und „Rosewater“ sowie „Unfolding“ - so auch der Name des Albums – kann sich jeder selbst ein Urteil über LARIZA bilden.
Das Ensemble besteht neben der Vokalistin aus folgenden Musikern Lorenz Schönle (sax / flute), Leon Plecity (guitar), Simon Seeberger (piano), Darius Faryar (bass) und Lukas Schwegmann (drums).
Hörproben von LARIZA
Der Berichterstatter konnte die Band nicht live erleben, war daher auf das veröffentlichte Material angewiesen. Hört man sich ein wenig in das jüngste Album ein und folgt dem Song „Polar Desert“ dann merkt man schnell, dass Pop und Singer/Songwriter sich hier ein Stelldichein geben. Sicherlich Lena-Larissa Senge kennt die Klaviatur des Scat Vocals und lässt sich dabei auch auf ein sehr ansprechendes Duo mit dem Saxofon ein. So wird die Stimme ein weiterer instrumentaler Klangkörper, vielleicht dem Sopransaxofon vergleichbar. Im Gegensatz zur am Wettbewerb beteiligten Band Loos steht die Vokalistin auch zurück und lässt ihre Mitmusiker in den Fokus rücken, ob den Saxofonisten Lorenz Schönle oder den Gitarristen Leon Plecity, die ihre solistischen Momente bekommen. Bei „Traveller“ gibt es Bossa im Geiste von Astrud Gilberto, oder? „Yew Wood“ changiert aus meiner Sicht zwischen klassischem Vocal Jazz und Singer/Songwriter. Mir fehlt bei allen Kompositionen das Überraschungsmoment, das Zipp und Zapp. Das macht Jazz aus, dass er so unkalkulierbar sein kann. Man weiß eigentlich nie in welche Richtungen er auszuufern in der Lage ist. Lariza präsentiert sich aus meiner Sicht zu sehr in einem vorhersehbaren Schema. Doch die Jury sah das augenscheinlich anders.
And the Winner is
Da der Berichterstatter aus terminlichen Gründen nach dem dritten Showcase die Veranstaltung verlassen musste, bleibt ihm nur aus der NOZ online vom 1.6.2016 zu zitieren. Hier schrieb im Rückblick auf den Abend Frederik Tebbe: „Larizas Jazz-Pop überzeugte die Juroren, und das nicht ohne Grund. Denn auch hier tritt ein eingeschweißtes Team um Sängerin Lena-Larissa Senge auf, das quasi eins mit der Musik geworden ist. Senge nimmt sich als Frontfrau zurück und nutzt ihre starke Stimme nicht zwangsläufig nur für Text, sondern auch als reines Instrument, indem sie häufig die Töne des Saxofons und des Basses mitsingt und ihren Gesang in den Hintergrund mischt.“
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://www.cinema-arthouse.de/content/news.php?bereich=3&event=1
https://www.facebook.com/bluenote.osnabrueck/
Musiker
SUND
Christoph Klenner
https://www.facebook.com/christoph.klenner.3?ref=ts&fref=ts
Loos
https://www.facebook.com/franziska.loos?fref=ts
Kora 4tett
Jihun Lim
https://www.facebook.com/Tarrehun?ref=br_rs
LARIZA
https://www.facebook.com/larizaband/
Audio
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Album
https://larizamusic.bandcamp.com/album/unfolding
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