Axel Dörner und Xavier Charles treffen Erhard Hirt und Simon Camatta in der Black Box Münster 6.3.2016

Die Musiker Axel Dörner und Xavier Charles produzieren auf ihren akustischen Instrumenten Klänge, die schon oft mit elektronischer Musik assoziiert werden. Sie beweisen somit, dass neutönende Musik nicht zwangsläufig mit neuer Technologie einhergehen muss. Dabei klingen dann diese akustischen Instrumente nicht wie eine samten daherkommende, teilweise wehmütige Klarinette oder wie eine rotzig-schmutzige Trompete, sondern verwandeln sich unter dem Luftstrom der Atemluft in Klang- oder Geräuschrohre. Axel Dörner spielt im Übrigen keine gewöhnliche Trompete, sondern eine sogenannte slide trumpet oder Firebird trumpet, die, so Axel Dörner, Maynard Ferguson popularisiert hat. Vielleicht wäre der Begriff Hörspiele statt Soundtrips für das sonntägliche Konzert in der schwarzen Kiste eine sehr zutreffende Beschreibung, dessen was wahrzunehmen war.

Xavier Charles war schon zuvor im cuba und zwar mit dem Trio Rhhr. Er gehört zu den wichtigsten Musikern der improvisierten Musik Szene in Frankreich. Auch er verwandelte wie Axel Dörner seinen Holzbläser mehr oder minder in eine „Windmaschine“ und erzeugte allerlei Geräusche und nur selten die für die Klarinette so klassischen „weichen Töne“.

 

Eher monologisch als dialogisch

Den ersten Teil des Konzerts bestritten Axel Dörner und Xavier Charles im Duo. Was brauchten die beiden Musiker? Einen weißen und einen gelben Küchenstuhl, verschiedene Dämpfer für die Slide Trumpet, zwei Klarinetten, einen Laptop und viel, sehr viel Atemluft und eine Spielweise mit einer geschlossenen Luftzirkulation. Ach ja, auch eine kurze Konzentrationsphase war notwendig, ehe die beiden Blasinstrumente angesetzt wurden. Doch wer dann orgiastisches Schmettern und wehmütiges Klagen erwartet hatte, der wurde eines Besseren belehrt. Atemluft strich hörbar durch die „Blasrohre“. Auch ein sehr leises Fiepen war auszumachen. Tststs – so äußerte sich der Klarinettist Xavier Charles, derweil Axel Dörner seine Trompete untergründig aufbrausen und brummen ließ, mit und ohne Gummidämpfer von einem konventionellen Rohrreiniger. Geräuschsequenzen schwollen nach und nach an. Spitz schreiend zeigte sich die Trompete. Die Klarinette hingegen schien in die Rolle des Rufenden einzutauchen. Das Flirren der Klarinette traf aufs Vibrieren der Trompete.

Die Improvisation erschien dabei eher monologisch angelegt als dialogisch. Jeder der Musiker schien in sich zu ruhen und sich in sein Instrument zu versenken. Nur selten wurde diese „Spielhaltung“ aufgegeben. Zwischendrin konnte man als Zuhörer den Eindruck gewinnen, man befinde sich nicht in der schwarzen Kiste, sondern in einer Maschinenhalle eines Stahlwerks. Es quietschte und fiepte. Auch ein kurzes Trällern und Trillern der Klarinette wurde eingestreut. Dann gab ein Pfpfpf der Trompete und als Zuhörer dachte man, dass das Ende der Improvisation erreicht war. Alles schien eigentlich zum Ausdruck gebracht worden zu sein.

 

Luftströme und ein bisschen Vogelgesang

Doch im Gegenteil, nach einer sehr kurzen Pause erhob sich leise ein anschwellendes Schnalzen und ein Trompeten, als wäre ein gehemmt-aggresiver Elefant in Rage und würde angreifen. Piffpaff und BrBrbr begegneten sich nachfolgend. Der Klang einer Sirene drang ans Ohr der Zuhörer. Dann wieder gab es einen Moment der Stille, einen sehr, sehr kurzen Moment.

Pfrr, Rrr und Pf – so äußerte sich die Klarinette. Es gab ein Räuspern und ein Gurgeln im Raum. Das Schnalzen, das Xavier Charles auf seiner Klarinette erzeugte, ging in ein Peng über. Windstöße breiteten sich aus – dank Axel Dörner. Xavier Charles schwang sein „Luftrohr“ von links nach rechts durch den Raum. Luftzüge wurden wahrnehmbar. Schließlich schienen sich auch ein paar Piepmätze im cuba eingefunden zu haben. Gezwitscher und Tschilpen hörten wir. Glucksen und der Schrei der ziehenden Wildgänse sowie das Geräusch eines Schwirrholzes füllten abschließend akustisch die schwarze Kiste, ehe dann wirklich eine Pause eingelegt wurde.

 

Mit Dynamik ging es weiter

Viel kontrastreicher und dynamischer entwickelte sich der zweite Teil des Abends. Aus meiner Sicht war das den beiden „Gästen“, Simon Camatta und Erhard Hirt, geschuldete, die streckenweise den Verlauf der Improvisation anheizten, nicht nur durch Trommelschlag und Handstrich über den Gitarrensaiten, sondern auch durch die Erweiterung des Klangschemas. Zeitweilig schienen die „Windmaschinen“ kaum noch wahrnehmbar. Ja, sie waren dabei, aber sie ordneten sich ein, derweil Simon Camatta das Tempo und auch die Intensität des Spiels forcierte. Teilweise tat er dies mit kleinen Gesten wie dem Langstreichen an einem kleinen Becken oder dem langsamen Ausstreichen eines der Trommelfelle.

Schläge auf den Gitarrenhals fügte Erhard Hirt der Klangmelange hinzu. Saiten wurden von ihm mit kurzem Fingerschnipsen in Schwingungen versetzt und der teilweise sphärische Klang füllte den gesamten Raum. Teilweise waren auch ganz leise Töne zu hören. Das galt auch fürs Schlagzeug, an dem Simon Camatta agierte und in fließenden Bewegungen über die verschiedenen Becken führte, dezent und leise. Dosen mit Inhalt wurden rotiert. Die Atemluft der Trompete traf auf die stark vibrierende und jaulende Gitarre, der Erhard Hirt Leben einhauchte. Kurze Solopassagen der Klarinette wurden vom Knarzen der Gitarre abgelöst. Ach, quakte da nicht ein Frosch?

Simon Camatta ließ es sich nicht nehmen, die Bläser herauszufordern. Er hatte dafür ein Trompetenmundstück in der Faust, später eine Vogelpfeife, auf der er spielte. Aber auch dieses sehr abwechslungsreiche Spiel voller Dynamik hatte dann ein Ende, weil keiner der Musiker noch etwas anfügen wollte.

Aus meiner Sicht war dieser Abend eine intellektuelle Herausforderung, auch weil hier die Instrumente nicht in ihrer Kernfunktion zum Tragen kamen. So würde ich dann vielleicht von einem Abend mit Noise Music sprechen, die allzu sehr die Konzentration der Zuhörer beanspruchte.

Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther.

Informationen
www.soundtrips-nrw.de

Musiker
Axel Dörner
http://ausland-berlin.de/axel-dorner

Xavier Charles
http://xaviercharles.com/

Erhard Hirt
http://www.erhardhirt.de/

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Homepage
http://simoncamatta.de

Hörproben / Audio
https://soundcloud.com/simoncamatta
http://www.dasgrosseding.yolasite.com/
http://simoncamatta.de/solo.php
http://simoncamatta.de/knu.php

Interview
http://www.jazzhalo.be/interviews/simon-camatta-im-gespraech-mit-dem-aus-essen-stammenden-schlagzeuger/

CD-Besprechungen
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/c/camatta-reisige-duo-moos/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/k/knu-my-horse-doesnt-give-a-shit/

Konzerte
http://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/fred-lonberg-holm-simon-camatta-sonntags-in-der-schwarzen-kiste/


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