In einer Recklinghauser In-Kneipe namens Casablanca begann alles, vor drei Jahrzehnten. Das „Casablanca“ gibt es nicht mehr, aber die Jazzinitiative Recklinghausen und ihre legendären Donnerstagskonzerte und Sessions. Zum Jubiläum hatte der Organisator der Session-Reihe, der Gitarrist Ingo Marmulla, den niederländischen Flügelhornisten Ack van Rooyen in die ehemalige Hansestadt Recklinghausen eingeladen
Ack Van Rooyen, Jahrgang 1930, ist ein Jazzmusiker von Weltruf und hat mit den us-amerikanischen Giganten des Jazz, so auch mit Chet Baker zusammengespielt. Hierzulande bekannt geworden, ist er durch sein Engagement bei der SFB Big Band, aber vor allem beim United Jazz and Rock Ensemble, in dem auch der Bassist Eberhard Weber, der Gitarrist Volker Kriegel, Ian Carr und Kenny Wheeler spielten. Einige von ihnen, so Carr, Kriegel und Wheeler, weilen leider nicht mehr unter uns, einen anderen traf der Schlag, und so kann er nicht mehr seinen eigens konzipierten E-Bass zupfen. Die Rede ist von Eberhard Weber. Ack van Rooyen hingegen ist immer noch am Flügelhorn zu hören. Dabei machte er beim Konzert keinen Hehl daraus, dass ihm der Bebop besonders am Herzen liegt.
Für den Abend in der Altstadtschmiede – tatsächlich ist der Konzertsaal die alte Schmiede, in der allerdings kein Hammer mehr auf den Amboss niedersaust, sondern Finger auf schwarze und weiße Tasten – hatte Ingo Marmulla den Schlagzeuger Bernd Gremm, den Kontrabassisten Stefan Werni und den Pianisten Thomas Hufschmidt, Hochschullehrer an der sehr angesehenen Folkwang Hochschule Essen auf die Bühne gebeten. Der Andrang war riesengroß. Dabei galt das Interesse vor allem dem „Grand Seigneur“ des Flügelhorns, Ack van Rooyen.
Angels Eyes und mehr
Mit „Angel Eyes“ wurde der mitreißende Jazzabend eröffnet und mit „There is no greater love“ beendet. Zugaben gab es keine, auch wenn das sehr zahlreich erschienene Publikum durch lautes Klatschen solche forderte. Statt dessen ging in der Umbaupause zur Session der Klingelbeutel herum, um die Kollekte einzusammeln. Ohne Moos ist bekanntlich nix los. Auch die Jazzini benötigt halt Geld, um die Sessions an jedem Donnerstag zu finanzieren. Wer übrigens Bohnensuppe aß, der steuerte mit seinem Obolus auch dazu bei, dass in der Altstadtschmiede auch in Zukunft der Jazz eine Heimat hat.
Bei „Angel Eyes“– Ack van Rooyen wies bei der Ansage darauf hin, dass wohl viele diesen Titel kennen, weil Frank Sinatra ihn gesungen hat – legte der „Großmeister am Flügelhorn“ vor, ehe dann Ingo Marmulla, gebürtig aus Wanne-Eickel, seine Gitarrensaite ganz im Geiste von Joe Pass zum Klingen brachte. Thomas Hufschmidt war danach mit seinen tonalen Sequenzen zu hören, die er den schwarzen und weißen Tasten entlockte. Getreu dem Slogan „Wer nie Stefan am Bass gehört hat, der hat etwas versäumt“ war es dann an Stefan Werni seinem dickbäuchigen Tieftöner Leben einzuhauchen. Schließlich war dann wieder Ack van Rooyen an der Reihe, der mit seinem warmen Spiel auf dem Flügelhorn begeisterte. Das zeigte auch der unüberhörbare Zwischenapplaus. „Schön, mit so begabten jungen Menschen zu spielen“, merkte van Rooyen an, bevor er in Erinnerung an den unerwartet verstorbenen Pianisten Joerg Reiter seine Komposition „Song for a lost friend“ ankündigte. Mit Reiter hatte van Rooyen über viele Jahre zusammengespielt. Der aus Waiblingen gebürtige Gründungsprofessor der Jazzabteilung an der Mannheimer Musikhochschule verstarb am 2. Juli diesen Jahres mit gerademal 56 Jahren. Für ihn erklang in der Altstadtschmiede eine Melange aus Requiem und „Last Post“. Ein wenig Wehmut lag schon in van Rooyens Komposition, der ja so viele bekannte Musiker der Jazzszene in Europa überlebt hat. Bei diesem Stück für einen verlorenen Freund hielten sich Bass und Piano im Hintergrund, ehe nach dem Solo von Ack van Rooyen Thomas Hufschmidt das vorgegebene Thema aufgriff und paraphrasierte. Insgesamt blieb das Spiel betont gedämpft, oder wie es van Rooyen formulierte: „Das war das Andante des Abends.“ Besser hätte man es nicht auf den Nenner bringen können.
Alles ist eine Story
Van Rooyen war an diesem Abend sehr daran gelegen, das Gespräch mit dem Publikum zu suchen. Dabei warf er auch die Frage nach der Improvisation im Jazz auf. Nach seinen Worten ist es das Unmögliche möglich zu machen, und zwar durch Fragen und Antworten. „Alles ist eine Story“. So gab er vier Töne vor und erwartete die gesungene Antwort des Publikums. Auch Beethoven und André Rieu dienten ihm als Vorlage für den musikalischen Dialog mit dem Publikum, das sehr bereitwillig auf dieses Frage-Antwort-Spiel einging. Auch zum Scherz war der Grand Seigneur des europäischen Jazz aufgelegt, als er das Publikum aufmunterte: „Ich spiele nun mal nur zwei Töne. Wenn Sie raten, wie es weitergeht, gibt die Jazzinitiative eine Runde aus.“
Nach diesem kleinen musikpädagogischen Exkurs hieß es dann „Sometime Ago“ oder „Das waren noch Zeiten“, so Ack van Rooyen. Ingo Marmulla und Thomas Hufschmidt durften den musikalischen Reigen eröffnen, ehe dann Ack van Rooyen wieder die Regie übernahm. Bei diesem sehr melodisch-rhythmischen Stück hatte man Mühe, auf seinem Stuhl zu verharren. Eigentlich war „Sometime Ago“ dazu angetan, zu schunkeln und zu tanzen.
Chet war nur im Geiste dabei
Wie stark Ack van Rooyen mit der Geschichte des Jazz verwoben ist, machte sein Hinweis deutlich, dass Chet Baker nur zwei Tage älter als er gewesen sei, aber es vorgezogen haben, sehr früh zu gehen. Mit ihm, einem überaus intelligenten Typen, habe er „The touch of your lips“ gespielt. Das wolle er heute anlässlich des 30. Geburtstags der Jazzinitiative Recklinghausen nun auch tun, auch ohne Chet. Hörte man dem Spiel von Ack van Rooyen zu, dann hatte man weniger den Klang des Flügelhorns als vielmehr Chets spezifische Art des Trompetenspiels im Ohr. Nachfolgend übernahm Ingo Marmulla das Thema. Dabei kamen Sequenzen zutage, die man erwartet: klassisches Spiel auf der Jazzgitarre ohne viel Schnickschnack. Zwischendrin griff Ack van Rooyen mit prägnanten kurzen Gesten ins Geschehen ein, bestimmte den Wechsel und den Fluss des Spiels, verabredete schließlich ein sehr gelungenes Duett zwischen ihm und Stefan Werni.
Für „I fall in love too easily“ hatte er Thomas Hufschmidt um ein langes, einführendes Piano-Solo gebeten. Hörte man diesem zu, meinte man den Prozess des Verliebens, Entliebens, Verliebens bzw. von Enttäuschungen und Erwartungen heraushören zu können.
Mit „There is no greater love“ war man dem Bebop aus New York ganz nahe, den Ack van Rooyen während seines USA-Aufenthalts kennengelernt hatte. Auch in Recklinghausen schwärmte er ein wenig von den Klubs der 52nd Street und ließ das jazzaffine Publikum auch gerne an dieser Geschichte über den Bebop teilhaben.
Liebeserklärung an Bayern und „Night & Day“
Mit der großen Liebe war der Abend jedoch noch nicht zu Ende. Nein, die Session stand ja noch an. Wie man „Georgia“, bekannt durch Ray Charles und Hubert von Goisern , in eine gerappte Liebeserklärung für Bayern verwandeln kann, zeigte sehr überzeugend der aus Regensburg gebürtige Adrian Bernhard (Adriano Falchi), der nach eigenen Worten nur ein bisschen Musik für sein Wortspiel benötige. So rappte er über „Bayern ist wunderschön“, über bayerisches Bier und die heimische Braukunst. „Pils sei nur Dreck“, so Adriano, der, so bekannte er, einmal im Jahr heim nach Bayern fahren müsse. In einem weiteren Rap gab es dann für die Veganfaschisten ein paar passende Worte. Auch der Geldgier nahm sich Adriano an und meinte zum Schluss „Alles halb so schlimm, schließlich bleibt mit noch der Zynismus.“
Welch ein Kontrastprogramm war das zu dem eher schmalzig-schnulzigen „Night & Day“, einem der Titel, mit denen Frank Sinatra ebenso bekannt wurde wie Cole Porter und Ella Fitzgerald. Begleitet wurde der Gesang von Musikern der Jazzini Gelsenkirchen. So hörten wir, wenn auch nicht immer tonsicher: „Night and day, why is it so /That this longin' for you follows wherever I go ? ...“.
Bei „Watermelon Man“, geschrieben von Herbie Hancock, fing die Altstadtschmied im übertragenen Sinne wahrhaft Feuer. Hard Bop lautete das Gebot der Stunde, doch niemand schwang bei diesem sehr groovigen Titel das Tanzbein. Warum eigentlich nicht?
Bis Mitternacht dauerte die Session, die den Beteiligten auf und vor der Bühne mächtig Spaß machte. Also mal im Kalender vormerken, den Donnerstag und den Treffpunkt Altstadtschmiede: Dann heißt es „Jazz is on the air“.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Konzertort
Altstadtschmiede
http://www.altstadtschmiede.de/startseite.html
Jazzinitiative Recklinghausen
https://www.facebook.com/jazzinire
Jazzini c/- altstadtschmiede
kellerstr. 10
45667 recklinghausen
jazzini-recklinghausen@t-online.de
immer Do. Sessions ab 20.30 Uhr
Sessionspaten gesucht, Info über angegebene Adresse
Musiker
Ack van Rooyen
www.ackvanrooyen.com
Bernd Westhoff
http://www.marleo.info/jury/bernd-westhoff/
Ingo Marmulla
http://www.ingo-marmulla.de/www.ingo-marmulla.de/Ingo_Marmulla-Gitarre.html
https://www.youtube.com/watch?v=tauOOqZliRU
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