Bielefeld, Bunker Ulmenwall, 30. Nov. 2018
Das Bielefelder Quartett spielt mehrheitlich Kompositionen, die acht Minuten lang sind, daher auch die Namensgebung. Zur Band gehören der Schlagzeuger Burkhard Terhart, der Kontrabassist Thomas Strakhof, der Gitarrist Jörg Graeper und der Pianist Michael Ritter. Das Konzept, das das Quartett verfolgt, lautet „nordic jazz tunes“ und besteht aus eigenen Arrangements von Stücken nordeuropäischer Jazzmusiker wie E.S.T. (Esbjörn Svensson Trio), Tingvall Trio, Iiro Rantala oder Lars Danielsson.
Sentimal, swinging und …
Die Kritiken waren bei Auftritten in der Vergangenheit voll des Lobes: „… Das Publikum genoss den Auftritt von „8minutes“, das mit dem fast impressionistisch anmutenden Klaviereinleitung von Michael Ritter in „Sankt Martin“ des Bielefelder Komponisten Georg Rox begann und später mit seinen ideenreichen Soli sowie der virtuosen Akrobatik des Bassisten Thomas Strakhof und des Gitarristen Jörg Graeper wie auch mit dem beharrlichen Groove des Schlagzeugers Burkhard Terhart beeindruckte. Sentimental und rockig, melancholisch und swingend, besinnlich und humorvoll zeigte sich das Quartett aus Bielefeld.“ (Neue Westfälische, 13.3.2016)
Zu Beginn eine Komposition von Esbjörn Svensson
Beim CD-Release-Konzert im Bunker Ulmenwall – dieser war sehr gut besucht – konnte man sich nun erneut sein eigenes „nordisches Klangbild“ machen. Wie auch auf der CD so eröffnete das Quartett den Konzertabend mit einer Komposition des 2008 bei einem Tauchgang ums Leben gekommenen Pianisten Esbjörn Svensson; „Elevation of Love“. Im übertragenen Sinne kontrapunktisch agierten der Pianist Michael Ritter und der Gitarrist Jörg Graeper bei diesem Stuck, begleitet von kurzen Ticktickticks des Schlagzeugers Burkhard Terhart, der während des gesamten Abends ein sehr dezentes Schlagwerkspiel bevorzugte.
Lyrisch waren die Setzungen, die zu vernehmen waren. Wie eine stetige Welle entwickelte sich der Saitenfluss, den Jörg Graeper verantwortete. Energetisch agierte Michael Ritter an seinem Tasteninstrument, dabei durchaus Balladenhaftes zum Ausdruck bringend. Wollte man Klangfärbungen und -nuancierungen malerisch umsetzen, so müsste ein Sommerbild entstehen, ein Bild mit endlosen Wäldern und Hochebenen mit Hartgräsern und Heidegewächsen. Sonnen- und Kornblumen, aber auch blühender Mohn müsste die Leinwand ausfüllen. Und wer beim Zuhören an nordische Sommer ohne eigentlichen Tag-Nacht-Unterschied dachte, der sah vor seinem geistigen Auge auch blonde Mädchen mit Blumenkranz im Haar, die sich anmutig auf dem Tanzboden bewegten. Bei einer gewissen sommerlichen Unbeschwertheit, die der Song ausstrahlte, fiel nur der Bass mit seiner Behäbigkeit aus dem Rahmen.
In Harmonien und Duktus sehr ähnlich angelegt war auch Lars Danielssons „Passacaglia“. Aufgemacht wurde mit einem Gitarrensolo, bei dem man sich nach Al Andalus und in einen Patio von Cordoba versetzt fühlte. Nur der Barde mit schmeichelnder Stimme schien noch zu fehlen. Doch Gemach, Thomas Strakhof verstand sich nicht nur auf den Bass, sondern auch auf den Gesang, lautmalerisch wie auch mit lyrischen Versen des Nachdenklichen. Er sang von der Suche nach dem Sonnenlicht, von dem Ort, an dem man wirklich zuhause ist. Dabei hatte man den Eindruck, man höre mittelalterlichen Minnegesang. Zugleich erinnerte man sich beim Zuhören an „Barden“ wie Leonard Cohen, Donovan und Cat Stevens. Strakhof schien es stimmlich mit allen Drei aufnehmen zu können.
Beinahe klassisch anmutender Saitenklang traf anschließend auf Tastenakzentuierungen, auch in hohen Registern. Besen strichen über Felle und Bleche. Hier und da hatte man als Zuhörer den Eindruck, einem Volkslied zu lauschen. „Walk until daylight ...walk until midnight … stay forever curious ...“ waren weitere lyrische Fragmente, die wahrzunehmen waren.
Ein Krimiautor als Ideenstifter
Dass auch ein Krimi von Håkan Nesser eine Komposition anregen kann, unterstreicht Martin Tingvall mit „Den einsame Mannen“, ebenfalls auf der aktuellen CD zu finden. Folgte man den klanglichen Konturen, konnte man sich gut vorstellen, dass die Komposition durchaus einen Film untermalen kann. Man darf nur daran erinnern, dass für „Fahrstuhl zum Schafott“ Miles Davis die Musik komponierte! Also Jazz und Film, das geht schon zusammen.
Dass ein Bass auch durchaus „hohe Register“ besitzt, unterstrich Thomas Strakhof während seines Solos. Perlende Sequenzen auf weißen und schwarzen Tasten gab es obendrein.
Als die ersten Takte von „Vägen“ (comp. Martin Tinvall) erklangen, hatte man den Eindruck, das Quartett 8minutes wolle die zerrinnende Zeit musikalisch umschreiben. Vom Charakter her war die Musik sehr sentimental ausgerichtet. Abschied schien ebenso thematisiert zu werden wie Sehnsüchte. Dieser Song wurde, so Michael Ritter in einer seiner Ansagen, 2011 als beste Jazzkomposition mit dem Jazz-Echo ausgezeichnet. Mit Fug und Recht, oder?
Auch die „Erkennungshymne“ des Esbjörn Svensson Trios, kurz E.S.T., durfte an diesem Konzertabend nicht fehlen. Dabei wählte 8minutes ein sehr rocklastiges Arrangement. Dafür sorgten unter anderem der Bass und das Schlagwerk. Sphärische Klangschlieren wurden eingearbeitet. Die E-Gitarre wummerte, waberte, jaulte, wimmerte und bisweilen meinte man, Jimi Hendrix habe da auch irgendwie seine Hand mit im Spiel. Nur das Headbanging schien nicht angesagt zu sein.
Nach dem balladenhaften Song „Cherry Tree“ wurden die Anwesenden nach Afrika entführt, einem Kontinent, in dem sich Lars Danielsson zeitweilig aufhielt und den Song „Africa“ komponierte. Kora und Kalimba waren nicht zu hören, doch Anklänge an diese afrikanischen Instrumente fanden sich vor allem in den Saitenverwebungen, die Jörg Graeper zu verdanken waren.
Auch einen musikalischen Abstecher in den Orient unternahm man beim frühwinterlichen Konzert, ging es doch ins Istanbuler Ausgeh- und Vergnügungsviertel Taksim bei Nacht und in einen orientalischen Basar.
Als Hommage an Esbjörn Svensson waren „Eternal Beauty“ – die Lyrik stammt von Eva Svensson – und „Tears for Esbjörn“ (comp. Iiro Rantala) zu begreifen. Einem Lamento und Liebeslied zugleich glich dabei „Eternal Beauty“ mit Zeilen, die den gemeinsamen Weg und das Motto „Carpe diem“ beschworen.
Mit ein wenig „elektronischer Magie“ wartete schließlich „Tuesday Wonderland“ auf, ehe dann mit dem Besuch des „Orange Market“ das Konzertende eingeläutet wurde. Dabei gab es dann auch Raum für ein fulminantes Schlagzeugsolo!
Der Abschlussbeifall war herzlich und anhaltend. Rufe nach einer Zugabe kamen schnell auf. Das Quartett verzichtete auf den Abgang vor der Zugabe, sondern setzte mit Wolfgang Haffners „Faithless“ den Schlussakkord. Dabei unterstrich Jörg Graeper erneut seine Virtuosität im Saitenflirren, ließ sich der Bass nochmals knurrend vernehmen, ergossen sich feinste Tastenkaskaden auf die Anwesenden.
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht public commons!
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