Zion80 – Warriors
Z
Chant Records
Schon bei den ersten Takten werden bei dem einen oder anderen Erinnerungen wach, Erinnerungen an Osibisa, Fela Kuti oder Dirty Dozen Brass Band. Und dann scheint es auch Klangmischungen zu geben, bei denen man einen Hauch von The Venture spürt, oder? Es mischen sich die Klänge der Karibik und Westafrikas mit denen des urbanen New York. Bei dem Bandnamen muss man unweigerlich an Reggae-Musik denken und an Rastafaris auch jenseits von Bob Marley. Nein, Reggae pur spielt die Band nicht, obgleich eine rhythmische Nähe zu Reggae, aber auch zu Ska durchaus vorhanden ist. Vor allem besticht die Band mit ihrer geballten Klanggewalt der Bläser und ausgefeilten Afro-Grooves.
Wer ist aber Zion80? Der Bandleader, der Gitarrist Jon Madof, scharte nachstehend genannte Musiker um sich: Frank London (trumpet), Greg Wall (tenor sax), Jessica Lurie (baritone sax), Zach Mayer (baritone sax), Brian Marsella (keyboards), Yoshie Fruchter (guitar), Shanir Blumenkranz (bass), Marlon Sobol (percussion) und Yuval Lion (drums).
Über die Musik der Band heißt es: ‘a truly spiritual experience’ (The New York Times) und ‘a marvelous mashup’ (The Village Voice). In einer Festivalkritik über den Auftritt in Saalfeld lesen wir in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“: „Absolutes Highlight am Samstag war aber Jon Madof, ein New Yorker Gitarrist aus dem kreativen Umfeld von John Zorn. Sein Projekt „Zion 80 – Jewish Afro Beat“ verquirlte auf spektakuläre Weise melodisches Beutegut von Shlomo Carlebach mit dem Afrobeat von Fela Kuti.“
Zu hören sind auf der aktuellen CD folgende Kompositionen: „Pardes“, „V’Shamru“, „In Our Youth“, „Wandering Stone“, „Holy Brother“ und „I Lift My Eyes (Esa Einai)“.
Irritiert dürfte man sein, wenn man über die Musik von Zion80 Folgendes liest: „… the 10-piece band arranges Jewish melodies using the polyrhythmic intensity of Afrobeat ...“. Was bitte sind denn „jüdische Melodien“? Meint das klassische Klezmer-Musik? Gibt es denn überhaupt so etwas wie „jüdisch“ in der Musik? Und wenn, wo liegen die „jüdischen Wurzeln“, in Ost- und Mitteleuropa oder auf der Iberischen Halbinsel? Noch etwas ist bei derartiger Kategorisierung zu bedenken: Es gibt doch auch keine christliche Musik, oder? Wenn dann ist in diesem Kontext von sakraler Musik zu reden. Nun gut, lassen wir das mal stehen und fügen zugleich an, dass aus meiner Sicht überhaupt keine musikalischen Fußabdrücke von Klezmer in der Musik von Zion80 zu finden sind. Wie gesagt Funk ist allgegenwärtig.
Doch wer ist Shlomo Carlebach, auf den sich die Band auch bezieht. Er war ein in Berlin geborener und in die USA emigrierter orthodoxer Rabbiner, Komponist und Musiker des religiösen Folkrock. Diesen Folkrock kann man m. E. in der Musik von Zion80 nur sehr „verwaschen“ ausmachen.
Werfen wir mal einen genaueren Blick auf einige Songs von Zion80: „Pardes“ eröffnet mit Gitarrenriffs und schnellen Trommelschlägen. Dabei erinnern die Riffs in Teilen an den Instrumentalrock von „The Ventures“. In der Folge hören wir ein Trompetensolo, das von dem Tutti der Bläser eingefangen wird. Als Intermezzo ist auch das Solo des Keyboarders zu begreifen. Den flauschigen Klangteppich des Stücks breiten die Saxofonisten aus, auch die beiden Baritonsaxofonisten, die für die Umbra-Färbung des Klangkörpers sorgen. Jon Madof lässt seine Gitarre kreischen, schreien, grölen, schwirren, flirren. Und wen es beim Zuhören nicht in den Beinen zucken spürt und spürt, dass „Shake your bones“ angesagt ist, dem ist nicht zu helfen.
Die Bläserallmacht setzt sich auch bei dem Song „V’Shamru“ fort. Zudem vernehmen wir das „Wowwowwow“ des Gitarristen. Das gleicht dem Klang eruptierender Schlammlöcher in den vulkanischen Regionen dieser Erde. Auch in dem vorliegenden Song lösen sich die einzelnen Bandmitglieder zu Soli, so auch der Tenorsaxofonist, der „vollmundig“ zu hören ist, durchaus auch ein wenig marktschreierisch. Feurig, explosiv, eruptiv – das sind Kategorien, die auf die Musik von Zion80 zutreffen. Dabei mag es dann eine gewisse Nähe der Melodielinien zu denen von Shlomo Carlebach geben.
Mitreißend sind auch weitere Songs wie „In Our Youth“. Beim Hören fallen die Anmutungen an Ska, vor allem aber das Solo von Jon Madof auf. Außerdem erklingt dann auch noch eine Melodika oder Harmonika, die dem Song eine gewisse Wehmut und etwas Sehnsüchtiges einhaucht. Und auch die Weichzeichnung einer Querflöte ist zu hören. Insgesamt erscheint dieser Song eher „lyrisch“ ausgeformt, hier und da auch an eine Ballade erinnernd, oder?
Abschließend noch ein Wort zu „Holy Brother“. Zu Beginn vereinen sich Keyboard und Gitarre, die beide von der Bläsermacht eingefangen werden. Rhythm n‘ Blues trifft auf Funk. Das ist den Saxofonisten der Band zu verdanken, aber auch dem Keyboarder. Das ist happy music im besten Sinne. Kopflastigkeit wohnt dieser Musik überhaupt nicht inne. Bisweilen muss man an die Blütezeit des Jazz Rocks und an Bands wie Spyra Gyra oder Blood, Sweat & Tears denken. Und wie schon oben gesagt: Fela Kuti und Osibisa scheinen im Geiste immer zugegen, vom ersten bis zum letzten Takt. Keep groovin‘!
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
Informationen
https://chantrecords.com/releases/zion80-warriors
https://zion80.com/