Yury Markin - I Believe In Atlantis
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Der Saxofonist und Klarinettist Alexey Kruglov schreibt Folgendes zum aktuellen Album: „The album is an important stage of our collaboration with the master of Russian jazz, composer and pianist Yury Markin. The program includes the well-known compositions of the author, which were repeatedly heard in various compositions by Yury Markin. Here they acquire new colours by referring to the style of modal and free jazz. I am glad that the album staff includes unique musicians - Arkady, Oleg, and Igor, each of whom contributes their own original creative solutions to the artistic component of the album. All of us, participants of this extraordinary project, are embraced by the indescribable beauty of Yury Markin's music, enveloped with the imagery of this programme, which is built at the junction of various styles. The pieces of the programme are united by a special poetry and refer to the vast world of legends and myths.“ Angesprochen sind in diesem Statement die Musiker: Yuri Markin, der Pianist, der nach einem Schlaganfall nur noch mit einer Hand spielen kann, der Waldhornspieler Arkady Shilkloper, der Kontrabassist Igor Ivanushkin und der Drummer Oleg Yudanov sowie der bereits erwähnte Alexej Kruglov. Arrangements und Kompositionen sind dem Pianisten Yuri Markin geschuldet.
Mit „I Believe in Atlantis“ wird das aktuelle Album aufgemacht. Anschließend hören wir „Serenade for Prokofiev“, eine Hommage für den Komponisten und Pianisten Sergej Prokofiev, dem unter anderem das Musikmärchen „Peter und der Wolf“ sowie die Oper „Undine“, aber auch zahlreiche Sinfonien und Klavierkonzerte zu verdanken sind. Weitere Kompositionen sind „Lullaby of the Sea“, „Ornettology (dedicated to Ornett Coleman)“, „Châteaud'If und schließlich „Lamento“
Prägnant ist die Stimme des Saxofonisten in „I Believe in Atlantis“. Dessen Sprachfluss wird kurz und knapp durch distinkte, vor allem basslastige Tasteninterventionen gebrochen und begleitet. Teilweise gleichen die Saxofonpassagen einem aufgeregten Hummelflug. Derweil ist die Rhythmusgruppe nicht untätig, wenn sie sich auch im Hintergrund hält. Das Solo von Yury Markin wird nicht nur durch Tastenstrudel, sondern auch durch Anmutungen von Klangkaskaden bestimmt. Dabei drängt sich der Eindruck auf, Markin folge den Turbulenzen, die Kruglov zuvor präsentierte. Nachfolgend meldet sich der Bass, gestrichen, aber auch gezupft. Zart ist das Blechspiel des Drummers. Zeitweilig scheint der Bass in Schwermut zu verfallen, für den „aufmunternden Weckruf“ sorgt im Weiteren der Saxofonist Alexej Kruglov. Zum Schluss vernimmt man noch einen kristallinen Tastenfluss. „Serenade for Prokofiev“ heißt es im Nachgang des ersten Stücks.
Die Bühne gehört zunächst dem Pianisten, der seine Finger über die Tasten tanzen lässt. So entstehen klangdichte Stromschnellen, mit Gegenwasser, Strudeln und Untiefen. Mit Ticktick-ticktick lässt sich der Drummer vernehmen, sobald das Solo des Pianisten vorbei ist und Alexej Kruglov das musikalische Zepter schwingt, nicht nur mit dem Saxofon, sondern auch mit der Klarinette. Dabei meint man, an wildes Getratsche und rechthaberisches Gerede erinnert zu werden. Das bewegt sich dabei im Fahrwasser von Free Jazz. Markin erdet uns im Anschluss mit einer sprunghaften Tastenfolge, dabei auch in den Diskant abschweifend. Für rauschendes Blechschwirren sorgt der Drummer. Der Bassist Igor Ivanushkin hingegen lässt die Saiten brummen und knarzen, ehe sich zum Ende wie in einer Rahmenhandlung die Geschichte schließt.
Es soll im Weiteren noch auf „Lullaby of the Sea“ und „Ornettology (dedicated to Ornett Coleman)“ eingegangen werden. Im Duktus und in den Harmonien fügt sich „Lullaby of the Sea“ nahtlos in den Ansatz der beiden ersten Aufnahmen des Albums ein. Vollklang pur ist dem Waldhorn zu verdanken, das Arkady Shilkloper meisterlich spielt. Dabei gleicht der Klang durchaus dem einer Bassposaune, auch wenn Shilkloper sich darauf versteht, die gesamte Klangbreite seines Instruments auszureizen. Im Duett ist er im Weiteren gemeinsam mit Kruglov zu hören. Zudem gibt es auch einen Wechselgesang zwischen beiden Bläsern. Irgendwie drängt sich beim Zuhören die Welt schneebedeckter Bergspitzen und tiefgrüner Wälder auf. Den unverstellten Blick hingegen bringt uns Kruglov in seinem temperamentvollen Solo nahe. An ein Kinder- oder Schlaflied erinnern die melodischen Setzungen nicht. In der zweiten Hälfte des Stücks muss man vielmehr an Courbets Meeresgemälde denken oder an niederländische Maler, die die tosende See auf Leinwand abgebildet haben. In ihr ist der Mensch nur ein willenloser Spielball. Gegen Ende des Stücks meint man im Übrigen, Yury Markin würde sich dem Duktus von Erroll Garner nähern.
Bei „Ornettology (dedicated to Ornette Coleman)“ ist man geneigt, sich wenigstens kursorisch mit Altsaxofonisten Ornette Coleman zu befassen. Er ist ja einer der wichtigen Vertreter des Free Jazz und von Harmolodics, freien Improvisationen über lineare Intervallreihen. Und das genau setzt das Ensemble um Markin um. Dabei sind kaum Atempausen zu verzeichnen. Markin selbst gleicht einem Berserker an den schwarzen und weißen Tasten. Der Bassist tritt in die Fußstapfen von Markin und bringt seine Saiten hin und wieder zum Jaulen. Was ist das denn für ein Sägelaut, den wir vernehmen? Und der Drummer wirbelt mit seinen Sticks zwischen Fellen und Blechen hin und her, nimmt aber auch die Trommelränder beim Schlagspiel nicht aus, wenn es um rhythmische Muster geht. So meint man, es werden Achten geschlagen, ehe Kruglov dann langstimmig agierend zu hören ist. Am Ende des Albums steht „Lamento“. Doch wer Schwermut erwartet hat, der muss sich eines Besseren belehren lassen.
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Informationen
https://yurimarkin.musicaneo.com/about.html
https://www.jaro.de/portfolio-items/arkady-shilkloper/
https://de.wikipedia.org/wiki/Arkadi_Fimowitsch_Schilkloper
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_Kruglow
http://www.artsmusic.ru/english.html