Yeabsley / Locket / Foote – Exit 430
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Thick Records NZ
Wer Studioaufnahmen mit Live-Publikum mag und zudem ein Faible für das American Songbook hat, der wird das vorliegende Album zu schätzen wissen. Wer überdies die Spielart von Erroll Garner, Oscar Peterson und anderen Granden des us-amerikanischen Pianojazz mag, auch der wird beim Hören des Albums auf seine Kosten kommen.
Warum das Album im Studio mit Beifall klatschenden Zuhörern eingespielt wurde, erläutert der Drummer Mark Lockett wie folgt: “First of all we wanted a good sound. That’s why we travelled to Auckland. We knew Olly Harmer at The Lab, and he knows jazz and how to record bands live. Second, we wanted to have the feeling of a live gig- the vibe and the interplay with the crowd”.
Vom ersten Takt an erleben wir ein Trio, das mit Verve zur Sache geht, das Standards nicht aquarelliert präsentiert, sondern auf Akzentuierungen genauso Wert legt wie darauf, dass alle drei Musiker zu Wort kommen und nicht etwa nur Staffage für den Pianisten Ayrton Foote sind. Bis auf einen Track, den wir zum Schluss hören, stammen alle anderen aus fremden Federn, wurden von so namhaften Komponisten wie Kurt Weill, Duke Ellington, Antônio Carlos Jobim oder Cy Coleman geschrieben.
Zum Auftakt hören wir „Speak Low“. Komponiert wurde der Song fürs Broadway-Musical „One Touch of Venus“. Man schrieb das Jahr 1944 und konnte noch nicht ahnen, dass diese Weill-Komposition ein Hit werden würde. Erst Jahre später wurde daraus ein bekannter Jazzstandard. Ehe sich das neuseeländische Trio Foote/Yeabsley/Lockett des Stücks annahm, taten dies zuvor unter anderem Nat King Cole, Billie Holiday (1956), Anita O’Day in einem Arrangement von Bill Holman, und später war „Speak Low“ in einer Duo-Version von Joe Pass und Ella Fitzgerald zu hören. Durchaus beschwingt zeigt sich der Duktus des Stücks. Zugleich ist der Vortrag in verschiedenen Sequenzen überaus temporeich. Wollte man einen Film, in dem ein Mörder mit schnellem Schritt über das Pflaster der Großstadt enteilt, musikalisch untermalen, so könnte man gut und gerne auf die aktuelle Interpretation zurückgreifen. Klangbestimmend ist ohne Frage der Pianist, der den melodischen Fluss inszeniert, in kleinen Kaskaden. Beim Hören drängt sich der Eindruck des Frühlingshaften und der Unbeschwertheit auf. Immer wiederkehrend durchzieht das thematische Motiv das Stück, dabei entpuppen sich Lockett und Yeabsley als kongeniale Begleiter des Pianisten.
Zu den Kompositionen Duke Ellingtons, die auf dem aktuellen Album vorliegen, gehören Stücke wie „Don’t get around much anymore“ und das eher getragene und ein wenig balladenhafte „ I got it bad and that ain’t good“. Im zuerst genannten Stück kann man als Höreindruck mitnehmen, dass hier und da auch ein wenig Garner im Stil und Geist mitschwingt. Zugleich meint man, man höre hier auch die Melodie eines Tanzorchesters, das bei einem Gesellschaftsball der 40er und 50er Jahre aufspiele. Teilweise ist das Klavierspiel von Foote überaus animierend und fulminant, reizt die klangliche Bandbreite der 88 Tasten des Instruments aus, auch wenn das Diskante die Oberhand behält.
Zu den Gassenhauern des Jazz gehört ohne Frage „Tea for Two“ mit einer Melodie, die jeder mitsummen, mitsingen und mitpfeifen kann. Wie viele andere Standards des Jazz stammt der Song aus einem Musical. Es trägt den Namen „No, No, Nanette“. Auffallend sind die perlenden Läufe, die Foote spielt, wenn nicht gerade das Thema auf dem Programm steht. Und zudem hören wir auch ein Drumming-Solo von Lockett. Derartiges ist ja eher selten bei Studio-Aufnahmen und oftmals nur Live zu erleben. Da ja die Studioaufnahmen, die uns vorliegen, im Beisein vom Publikum entstanden sind, gibt es hier also eine schöne Melange von Studio- und Liveatmosphäre.
Ein Evergreen ist ohne Frage „The Girl from Ipanema“, einst gesungen von Astrud Gilberto und nunmehr rein instrumental interpretiert. Ja, feuriges Flair verbreitet die veröffentlichte Aufnahme. Sie zeichnet sich durch eine starke Rhythmisierung aus, die dem Drummer geschuldet ist. Und wer bei diesem 1962 entstandenen Bossa Nova nicht ins Schwärmen kommt, der … . Und: Es fällt dem einen oder anderen auch gewiss schwer, nicht das Tanzbein zu schwingen, wenn er das Stück hört.
„Witchcraft“ verdanken wir Cy Coleman. Der Song entstand 1957 und wurde gleich dreimal von Frank Sinatra im Laufe seiner Karriere aufgenommen, darunter im Duett mit Anita Baker. Beeindruckend und ein Hörgenuss ist vor allem das Spiel von Foote, der uns brillant den „Swing“ mitvermittelt.
Temporeich kommt das Schlussstück „Exit“ daher, auch mit viel Beckengetätschel und harten Tastenfigurationen des Pianisten im Diskant. Man hat beim Hören den Eindruck, musikalisch werde ein Schnellzug eingefangen, der ungebremst von Signalen über Schweller und Weichen rattert, um möglichst schnell den Zielbahnhof zu erreichen.
© ferdinand dupuis-panther
https://www.thickrecords.co.nz
Musicians
Ayrton Foote – piano
Daniel Yeabsley – bass
Mark Lockett– Drums
Track list
01 Speak Low (Kurt Weill)
02 Don’t get around much anymore (Duke Ellington)
03 Tea For Two (Vincent Youmans)
04 Girl From Ipanema (Jobim)
05 I got it bad and that ain’t good (Duke Ellington)
06 Broadway (Wilbur Bird)
07 Witchcraft (Cy Coleman)
08 Exit 430 (Yeabsley / Lockett / Foote)