Xavier Casellas - In a Sentimental Move
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self produced
Das Album lehnt sich in seinem Titel an Duke Ellingtons „In a Sentimental Mood“ an, jedenfalls sprachlich. Dieser Standard findet sich auf dem aktuellen Album, dabei mit dem Arrangement neue Wege gehend. Ellington jedenfalls sah kein Bandoneon beim „orchestralen Vortrag“ vor. Eher „minimalistisch“ mutet die Besetzung an, nämlich ein Duo bestehend aus einem Pianisten und einem Vokalisten, die uns eine musikalische Reise durch einen Teil der Jazz-Historie ermöglichen.
Kompositionen von Thelonious Monk und Michel Legrand stehen neben solchen von Strayhorn und Paul Simon. Letzterer bekannt durch das Duo Simon & Garfunkel und weniger im Jazz verwurzelt als in der Popmusik der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Neben Streichern bestimmen im Original von „Still crazy after all these years“ ein Keyboard und ein Saxofon. Lag es also daher nahe, dass John Ellis bei der Aufnahme mit Xavier Casellas und Emilio Solla am Saxofon den Klangkörper des Duos erweiterte? Auch „Lotus“ aus der Feder des us-amerikanischen Pianisten Don Grolnick sah im Laufe der Zeit verschiedene Interpreten, so David Sanborn, Joe Henderson und Al Jarreau. Auf dem aktuellen Album ergänzt der Trompeter John Bailey das Duo Casellas und Solla, derweil in der Interpretation von Al Jarreau auf dem Album „Accentuate The Positive“ die Klangfärbung nicht nur durch die weichgezeichnete Stimme Jarreaus, sondern auch durch den Gitarristen Anthony Wilson bestimmt wird.
Wer ein Album ohne Eigenkompositionen vorlegt, der muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass es vor ihm schon Interpreten gab, die sich gleichfalls mit derartigen Standards beschäftigt haben. Gewiss, Vokalisten sind im Jazz eher selten. Tritt Casellas, so die Frage, in die Fußstapfen von Frank Sinatra (1916-1998), Nat King Cole (1919-1965) oder Chet Baker (1929-1988), der auch mit Standards auf sich aufmerksam machte? Oder setzt er sich stimmlich völlig von diesen ab?
Also Vorhang auf für „How do you keep the music playing“. Bereits die ersten Aufnahmen dieser Musik für den Film „Best Friends“ sind schwülstig. Das gilt auch für die Aufnahme mit Tony Bennett und ebenso für die aktuell vorliegende. Dass der Song aus dem Jahr 1982 Platz 5 in der Billboard Adult Contemporary Chart belegte, mag ein Qualitätsmerkmal sein, aber … . Dass in den 1980er Jahren derartig schmalzige Songs geschrieben wurden, das überrascht. Noch mehr überrascht, dass Casellas mit diesem Song, der so typisch für das amerikanische Musical und den Revuefilm ist, sein Album eröffnet. Stimmlich ist Casellas nicht sehr weit von Tony Bennett entfernt, oder? Sobald John Ellis seine Bassklarinette erklingen lässt, bekommt der Song eine leichte melancholische Note.
Nachfolgend hören wir „I’ll remember April“ und begegnen einem ähnlichen Duktus. Das lyrische, perlende Tastenspiel von Emilio Solla unterstützt dabei das, was in der Lyrik des Songs zum Ausdruck kommt: Abschiedsschmerz und Liebesglück. Das ist nicht weit entfernt von dem Inhalt deutscher Schlagerwelten, oder? Dabei spielt es übrigens keine Rolle, dass auch Stan Getz und Charlie Parker das Stück im Repertoire hatten, mal von Frank Sinatra ganz abgesehen.
Welch musikalische Abwechslung bietet da „In a sentimental mood“, wenn man Julien Labro am Bandoneon erlebt und sich dem Tango Argentino nähert, wenn auch nicht der feurig und temporeichen Variante. Sobald Casellas zu singen beginnt und das Duo den Klangraum dominiert, verwischen diese Eindrücke. Warum hat Casellas die Gelegenheit nicht am Schopf ergriffen und, statt die Lyrik zu interpretieren, sich lautmalerisch-instrumental eingebracht? Warum folgt der Vokalist nicht den musikalischen Linien von John Coltrane in dessen Einspielung des Ellington-Stücks bzw. lässt sich auf ein Duett mit dem Bandoneon-Spieler ein?
Ja, das „Plink, Plank, Plonk – Monk“ ist in „Pannonica “Little butterfly” zu Beginn zu erleben, aber dann gehört wie bei anderen Gelegenheiten der Klangraum dem Vokalisten. Das muss man mögen, auch die Stimmfärbung von Casellas. Noch ein Wort zu „Summer“: Das Klavierspiel ist energiegeladener als in anderen Stücken des Albums. Der über der Piano-Begleitung liegende „zarte“ Gesang nimmt jedoch das Dynamische der Tonsilben des Pianos. Und auch der Gitarrist Romero Lubambo kann dem Stück nur bedingt ein „beschwingtes Sommergefühl“ einhauchen. Wie in allen Songs des Albums liegt der Fokus auf dem Vokalisten, und die Instrumentalisten scheinen Staffagen zu sein.
Insgesamt schwelgt das Album in Nostalgie und setzt keine neuen Polka Dots.
© ferdinand dupuis-panther
Info
Line up
Xavier Casellas, voice.
Emilio Solla, piano & arrangements.
John Ellis, bass clarinet & tenor saxophone on 1 and 10.
Romero Lubambo, spanish guitar on 7.
Julien Labro, bandoneon on 4.
John Bailey, trumpet on 8
Track listing
1. How do you keep the music playing (Michel Legrand/Alan & Marilyn Bergman)
2. I’ll remember April (Gene de Paul/Patricia Johnston & Don Raye)
3. Valentine’s day (James Taylor)
4. In a sentimental mood (Duke Ellington)
5. Pannonica “Little butterfly” (Thelonious Monk/Jon Hendriks)
6. Lush life (Billy Strayhorn)
7. Summer (Emilio Solla/Jarlath Jacobs)
8. Lotus (Don Grolnick/Al Jarreau)
9. Send in the clowns (Stephen Sondheim)
10. Still crazy after all these years (Paul Simon)