WRaP: Endless
W
Igloo Records, IGL245
Noch ein Trio mag der eine oder andere vielleicht auch mit einem gewissen Stöhnen sagen. Doch dieses Trio ist anders, allein schon deshalb, weil weder Schlagzeug noch Piano vorhanden sind, um den typischen Trio-Klangteppich auszurollen. Stattdessen besteht das Trio von WRaP aus einer Sängerin, einem Bassisten und einem Gitarristen. Irgendwie klingt der Bandname nach dem aus Fladenbrot- oder Pizzateig gefertigten Teigwickeln, in dem man nach Belieben Gemüse oder Hühnchenfleisch mit Guacamole und Crème fraîche oder aber Räucherlachs mit Frischkäse füllt. Vielleicht durchaus auch gewollt, aber Irrtum, daher kommt der Bandname nicht, sondern von den Anfangsbuchstaben der Nachname des Triomitglieder Wiernik, Rassinfosse und Pierre.
Saiteninstrumente – Bass und Gitarre – bestimmen den Sound des Albums 'Endless' ebenso wie die überraschend frische Stimme von Barbara Wiernik. Mit der Charakterisierung als göttlich, wie in einer Presseveröffentlichung zu lesen, wäre ich jedoch vorsichtig. Gewiss ist jedoch, dass die Arrangements und auch die Lyrik der Songs, die Wiernik mit samtenem Timbre in Englisch, Französisch und Portugiesisch vorträgt, eine Nähe zum Genre des Singer/Songwriters aufweisen.
Jazz entdeckte Alain Pierre, dieser „junge Wilde“ am belgischen Gitarrenhimmel bereits mit 15 Jahren. In seiner umfänglichen Karriere war er u. a. mit dem "Trio Cadenza - Guitars" ebenso zu hören wie mit der belgo-tunesischen Combo "Anfass". Wie auch in anderen Kontexten spielt Pierre eine sechs- und eine zwölfsaitige Gitarre. Das trifft auf Solokonzerte ebenso zu wie auch bei Auftritten zusammen mit Steve Houben, Peter Bernard, Fabrice Alleman oder Bart Defoort.
Nun jedoch ist er an der Seite des belgischen Altmeisters des Basses, Jean-Louis Rassinfosse, zu hören. Dieser hat in seinem Musikerleben die Stars der Jazzwelt begleitet, ob Philly Joe Jones, Clifford Jordan, Pepper Adams, George Coleman, Joe Lovano und über mehrere Jahre auch den Trompeter Chet Baker während dessen Europatourneen. Bekannt ist Rassinfosse außerdem auch wegen des Trios „L'Ame des Poètes“, das sich u. a. dem Schaffen von Brel angenommen hat. Übrigens, der Jazzclub Jazz Station im aufgelassenen Bahnhofsgebäude von Brüssel- St. Josse wäre ohne das Engagement des Professors am Brüsseler Konservatorium vielleicht nie zustande gekommen. Lang ist die Liste derer unter den belgischen Musikern, die er am Bass begleitet hat: Toots Thielemans, Philip Catherine, Sadi, Michael Herr, Charles Loos, Steve Houben, Eric Legnini und Jacques Pelzer, um nur einige zu erwähnen.
Bleibe ich bei der Einschätzung, dass in der Musik des Trios Singer/Songwriter-Elemente stecken, dann ist es sehr zu bedauern, dass auf der künstlerisch schön gestalteten CD-Hülle keine Texte abgedruckt wurden. Vielleicht wäre da ein Booklet doch von Vorteil. Auch wenn das Album nach einem Titel auf der CD „Endless“ heißt, endlos ist es nicht, was wir zu hören bekommen. Elf Titel bieten "Ohrenschmaus" vom Feinsten, ob „Sailor of Sun“ - in Englisch gesungen – oder 'Jeito Cigano' mit Lyrik in Portugiesisch. Neben Eigenkompositionen des Duos Wiernik/Pierre hat das Trio auch die Gershwin-Komposition „The Man I love“ aufgenommen. Dabei handelt es sich um ein Liebeslied, das auch schon die berühmte Ella Fitzgerald einst gesungen hat, allerdings mit einer ganz anderen Stimmfarbe und Phrasierung als Barbara Wiernik. Einspielungen von Diana Ross, einer der drei Sängerinnen der souligen Motown-Combo „The Supremes“ und Lena Horne existieren gleichfalls. Somit ist die Latte schon recht hoch gehängt, die Barbara Wiernik allerdings mit Leichtigkeit meistert.
Doch der Reihe nach: Zunächst wenden wir uns dem 'Bootsmann der Sonne'' zu. Die dazu passende Begleitung steuert Pierre mit Finger-Tapping – oder ist es doch Picking-Technik – bei. Die nachhaltige Rhythmuslinie besorgt Rassinfosse auf seinem Kontrabass. 'Where is your inspiration' - das ist der Anfang des Songs, der in seiner Gänze von mediterran anmutenden Gitarrenpassagen untermalt wird. Scat Vocals ergänzt die Lyrik des Songs, ehe dann zu erfahren ist, was es mit den '100 Himmeln' ('Les 100 Ciels') auf sich hat. Dass Liebe eine komplizierte Angelegenheit ist, verrät uns das Trio mit 'Les Tourments des Amants' ('Die Qual der Liebenden') ebenso wie mit dem bereits oben erwähnten Gerswhin-Titel 'The Man I Love'. Von diesem weiß die Geliebte nicht, ob sie ihn montags oder dienstags oder überhaupt einmal trifft. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt.
Mit einer furiosen Gitarrenouverture setzt der 'Sommerregen' ein. Man kann sich als Zuhörer das Prasseln vom Himmel gut vorstellen. Rassinfosse ist mit seinem Bass dann eher für die dicken Tropfen zuständig, die gleichfalls fallen. 'Throw It Away', von Abbey Lincoln geschrieben, gehört auch zum Repertoire des Trios. Es ist ursprünglich eine sehr getragene Nummer und an eine Ballade über die Irrungen und Wirrungen des Lebens erinnernd. So hören wir die Verszeilen: „I think about the life I live / A figure made of clay / And think about the things I lost / The things I gave away. / … Throw it away! / Throw it away! / Give your life, give your love / Each and every day. ...“. Wiernik belässt es jedoch nicht bei der vorgetragenen Lyrik, sondern gibt sich zu Pierres Gitarrenläufen auch dem Scat-Gesang hin. Bluesig angehaucht kommt 'Jeito Cigano' daher. Wenn auch in Portugiesisch vorgetragen mit wenigen Anleihen an brasilianische Rhythmen versehen, hat man beim Zuhören nicht den Eindruck, der Bossa Nova feiere hier fröhlich Auferstehung. Barbara Wiernik ist Barbara Wiernik und eben nicht Astrud Gilberto! Vielmehr fühlt man sich bei 'Jeito Cigano' an französische Chansons erinnert, auch an den Gesang der Greco, wenigstens hier und da. Nach der Ode an das „fahrende Volk“ lauschen wir noch 'Endless', ehe mit 'Distance' das Ende der aktuellen Einspielung erreicht ist.
Überaus gefällige Melodien mit dem Sinn für wohlklingende Harmonien sowie wenig freien Improvisationen vorgetragen zeichnen das Spiel des Trios aus. Die Nähe zu dem, was zeitgenössische Singer/Songwriter als Balladen vortragen, und auch die Nähe zum Pop scheinen erwünscht zu sein – und das wird viele Zuhörer sehr erfreuen, die im Jazz stets eine verkopfte Musik mit schrägen Tönen sehen.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Band
Alain Pierre
Barbara Wiernik
http://www.barbarawiernik.com/
https://soundcloud.com/barbarawiernik/sets/winter-sweet
https://myspace.com/trio27trio
https://myspace.com/trio27trio/music/songs