WON3 - thoughts in the fridge
W
Fitzcarraldo Records
Geistige Väter für dieses italo-schweizer Trio sind der in Palermo geborene Bassist Luca Lo Bianco und der Drummer Silvano Borzacchiello. Als Mitmusiker gewann dieses Duo den Pianisten Dario Carnovale, ebenfalls aus Palermo gebürtig. Der Name des Trios stammt aus dem Koreanischen und lässt sich nur schwer erklären. Näherungsweise kann man WON mit einer Person umschreiben, die sich hartnäckig an eine Illusion, an ein Scheinbild, an eine trügerische Hoffnung klammert. Dabei scheint das Leitmotiv des Trios im nachstehenden Zitat zu gründen: “Don't part with your illusions. When they are gone you may still exist but you have ceased to live" (Mark Twain). Alle Titel des vorliegenden Albums sind Originalkompositionen der Musiker, ob nun „Thoughts In The Fridge“, „Are you All The Things?“, „Ottieni traccia“, „Kintsugi“, „Notturno“, „Interpolation“ oder „Dolomiti alto samba“.
Eisig-frostig ist nicht das, was wir bei „Thoughts In The Fridge vernehmen. Zu Beginn sind starke Redundanzen in den Bassläufen auszumachen, ehe sich der Pianist dann in lyrischem Spiel ergeht. Das strahlt Frische und frühlingshaften Aufbruch aus. Man meint, einen Bach rinnen zu hören, dessen Eisdecke gerissen ist. Es gurgelt und rauscht, auch und vor allem im Diskant, mit Schnelligkeit und ohne Unterlass. Kurze Schlagrhythmen sind im Hintergrund auszumachen und zudem auch ein sonorer Tieftöner.
In „Kintsugi“ wird das Klavier durch ein Rhodes ersetzt. Hektisch-nervös ist das Schlagwerk zu vernehmen. In langen Wellen erklingt der Bass. Dabei scheint er dem Pianisten in dessen Phrasierungen zu folgen. Will man ein Bild bemühen, so muss man an flache, auslaufende Meereswellen denken, ohne Gischtkronen, aber giftpetrolgrün. In dem Stück scheint auch ein Stück Songhaftigkeit verborgen, die Teile der Popmusik ausmacht. Und in kurzen Momenten scheint das Werk von Alan Parson leicht durchzuschimmern.
Getragen und auch ein wenig melancholisch klingt „Notturno“. Das hat dann durchaus etwas von einem französischen Chanson im besten Sinne, dabei an Chansonniers wie Brassens, Greco oder Brel denkend, denen gesungene Gefühlsausbrüche nicht fremd waren. Rhodes statt Flügel ist die Wahl bei „Interpolation“, einem Stück das bildhaft gesprochen, dem Flug eines Gleitschirmfliegers gleicht, der sich der Thermik hingibt. Dabei umweht ihn, so suggerieren es die melodischen Linien, ein warmer Sommerwind.
In „Dani celere (ma non troppo) lässt der Bassist kurz sein vielschichtiges Spiel aufblitzen. Wie in anderen Stücken des Albums jedoch gehört die musikalische Regie dem Pianisten, der sich bei diesem Stück in ein Post-Bebop-Gewand gehüllt hat. Und das beinhaltet, dass es bisweilen durchaus tempogeladen swingt. Schließlich noch eine Bemerkung zu „Dolomiti alto samba“. Es ist ein sehr verhalten gestimmtes, ein wenig nach Ballade klingendes Stück, das vom dahinrinnenden und perlenden Spiel auf dem Rhodes dominiert wird. Fazit: Duktus und Harmonien der Stücke laden über weite Strecken dazu ein, Tiefenentspannung zu erlangen. Und das ist in jetzigen Zeiten sozialer Verunsicherungen und Verwerfungen durchaus von Belang, um die Balance zu finden.
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Informationen
https://www.lucalobianco.net/musica
http://silvanoborzacchiello.com
https://dariocarnovale.com/bio/