The Art of Saxophone #1

The Art of Saxophone #1

Various

Berthold Rec / Jazzline-Leopard / Jazzhaus Records / ACT

Johanna Klein Quartet / Stephanie Lottermoser / Tini Thomsen Max Sax / Marius Neset - A New Dawn

 


Johanna Klein Quartet – Cosmos
Berthold Rec


„Der Albumtitel Cosmos steht für das Zusammenwirken von Ordnung und Chaos in meiner Musik“, sagt Saxofonistin Johanna Klein. Dabei unterstreicht die Wahl-Kölnerin, dass ihr  Instrument in vielen Nuancierungen an die menschliche Stimme anknüpft, ähnlich wie man dies auch von dem legendären Altsaxofonisten Paul Desmond her kennt. In weiteren Ausführungen zum Album lesen wir: „Als Jazz-Musiker stellt man sich oft die Frage, wie viel man im Vorfeld festlegt und wie viel künstlerische oder improvisatorische Freiheiten man lässt. Zweitens bezieht es sich auf den Kosmos als Universum. Seine Farben, Himmelskörper, die Explosionen, Magnet- und Gravitationsfelder – das alles inspiriert mich. Und dann ist da, als dritte Ebene, der Mikrokosmos – die kleine Welt der Menschen. In meiner Vorstellung ist jeder von einem Mikrokosmos umgeben. Auf diesem Album möchte ich meinen vorstellen.“

Neben der Saxofonistin Johanna Klein erkunden wir mit weiteren Kölner Musikern den musikalischen Kosmos:  Leo Engels (Gitarre), Nicolai Amrehn (Kontrabass) und Jan Philipp (Schlagzeug). „Die Drei spielen mit sehr viel Expressivität und Sensibilität. Sie verstehen es, meine musikalischen Ideen umzusetzen und mit zu formen – dafür bin ich sehr dankbar“, lobt die Bandleaderin die Qualitäten ihrer Spielgefährten.

Johanna Klein entführt uns mit ihren Kompositionen und vor allem mit deren Bezeichnungen in einen ganz eigenen Kosmos. Wir werden mit „Juno“ konfrontiert. Dabei dringt ein Flirren und ein Schwirren an unser Ohr. Über diesem liegen die klanglichen Schummerungen des Saxofons. Vermittelt sie uns in ihrem Spiel den Eindruck eines unendlichen Raums? Man könnte es meinen. Bei der Idee zur Komposition hatte die Saxofonistin die gleichnamige Raumsonde vor Augen, die den Planeten Jupiter erforscht. Nachhaltig ist der gestrichene Bass als Klangeindruck präsent, derweil im Hintergrund  sich Sphärisches ausbreitet. Dezent ist das Schlagzeugspiel. Gleiches gilt für das Saitenspiel, das man als eher zaghaft kennzeichnen könnte. Und was macht Johanna Klein? Sie lässt ihr Saxofon stellenweise so klingen wie eine Klarinette, oder? Klanghauch verbreitet sie, nebulös-schwebend im Raum. In „Flux“ bündelt sich das Element Wasser und die fließende Bewegung. Dabei verzahnen sich Gitarrenriffs und Melodielinie und durchströmen in zwei Wellen einander. Lauscht man dem Auf und dem Ab, dann muss man an anmutig plätschernde Wellen im Gezeitenlauf denken. Sanft und ein wenig elegisch mutet das an, was uns Johanna Klein als Klangeindruck im weiteren vermittelt. Kaskadierungen oder ein Eintauchen in Wildwasser gibt es nicht. Eher kann man auch von der Stille des Sees oder der See sprechen. Alles fließt, kommt und geht. Dabei ist ohne Frage Johanna Klein diejenige, die uns zielsicher durch den Klangstrom geleitet. Mit „Phobos“ und „Deimos“, zwei weiteren Kompositionen des Albums, bewegen wir uns zu den Monden des Planeten Mars. Bei „Phobos“ ist es am Gitarristen ein rhythmisiertes Plompplomp zu setzen. Johanna Klein bewegt sich zwar nicht im Fjord-Sound, lässt aber dennoch in ihrem Spiel an den weiten Blick gen Horizont denken. In die sanfte Pop- und Rockmusik gleitet das Stück obendrein ab, oder?

Eine Komposition auf dem Album heißt schlicht „Volkslied“. Nein, ein eingängig zu summendes Liedchen stimmt das Quartett dabei nicht an. Zu Beginn hat der Hörer den Eindruck, die Musiker müssten sich erst einmal finden und einspielen. Im Laufe des Stück allerdings scheint dann auch ein wenig Humpdahumpda im Geist anwesend zu sein, ohne gleich in die Tiefen bayerischer Wirtshauslieder abzutauchen. Lyrisch anmutende Klangwölkchen lässt Johanna Klein vor unserem geistigen Auge erscheinen. Aufs Mitsummen ist sie ganz und gar nicht aus. Man meint eher, ein Loblied zu vernehmen.  Und auch „Carpe Diem“ ist auf dem aktuellen Album zu finden. Getragen und in schleppendem Tempo kommt dieses Stück daher. Die Botschaft scheint, dass man sich der Kontemplation verschreiben sollte. Sicher, der Tag ist zu nutzen, aber jenseits allgegenwärtiger Umtriebigkeit. Das signalisieren die feinen Linien, die Johanna Klein zu verdanken sind. Nach und nach scheint der Tag Fahrt aufzunehmen, folgen wir dem Stück. Beinahe an eine Etüde muss man bei den ersten Takten von „Eden“ denken“. Auf parallel angelegten Klangbahnen schreiten der Gitarrist und die Saxofonist einher, um uns ins Paradies zu entführen, jedenfalls musikalisch. Sonor und weichgezeichnet ist dabei das Saxofon, das vielfach ja zu Recht oder Unrecht als marktschreierisch verschrien ist. Doch Johanna Klein belehrt den Zuhörer eines Besseren. Eher rockig durchwirkt, erscheint im Übrigen „Deimos“, das zudem das wohl temporeichste Stücks des Albums ist.

© ferdinand dupuis-panther

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Stephanie Lottermoser - Hamburg
Jazzline-Leopard


Eher uninspiriert erscheint das Cover des aktuellen Albums. Es zeigt die gut gelaunte Saxofonistin dahinschreitend. Nur wohin schreitet sie mit ihrem Holzbläser? Und was hat das mit Hamburg zu tun? Wenn man in einem Text zum Album ein Stichwort wie „Hamburg im Gepäck“ liest, wären da nicht eine Hafenansicht mit Elbphilharmonie, die Segler auf der Alster, die Speicherstadt oder der Michel eher geeignet, das Album visuell „anzukündigen“? Neben der Saxofonistin Stephanie Lottermoser sind der Gitarrist Lars Cölln, der Schlagzeuger Felix Lehrmann, der Bassist Thomas Stieger und Keyboarder Till Sahm musikalisch mit dabei, wenn es um „Hamburg“ geht.

Thorsten Hingst schreibt zu dem vorliegenden Album: „Im Jazz und der improvisierten Musik sind rurale und urbane Destinationen seit Dekaden inspirierende narrative Impulsgeber. Ob für Standards wie Harlem Nocturne, April in Paris, Moonlight in Vermont und London Blues oder gar für ganze Alben wie In Angel City von Charlie Haden, Hudson von Jack DeJohnette, New York Tango von Richard Galliano oder Miles Davis Sketches of Spain, stets waren es die mal eng, mal weiter gesteckten geographischen Koordinaten, die als Katalysatoren die kreativen und imaginativen Kräfte befeuerten.“

In diesen Kanon fügt der genannte Autor auch „Hamburg“ von Stephanie Lottermoser ein. Seit 2018 lebt die Saxofonistin nun an der Elbe. Zu hören sind Stücke wie „Cory“ „Morgen (Hamburg)“, „What Kind of Lovesong“, eine von drei Gesangsstücken auf dem Album,  „Shuffle“, „Karma“, „Hype“, „Zwischenraum“ und als Finale „Dreaming My Dreams With You“. Also, Seemannslieder gibt es auf dieser „Hamburgensie“ ebenso wenig wie „An de Eck steiht 'n Jung mit'n Tüddelband“ zu hören. Warum eigentlich nicht? Oder auch: Warum sollte ein solches persönlich gefärbtes Hamburg-Album auf Gängiges, gar auf Volkslieder oder Shanties, zurückgreifen?

Funk, Funk, Funk, das ist die Botschaft in „Cory“. Nun wüsste man vielleicht gerne, wer denn „Cory“ ist und was er mit Hamburg zu tun hat. Da es jedoch kein Booklet zum Album gibt, bleibt  diese Frage ungeklärt. Bereits nach den ersten Takten musste der Rezensent an die nicht mehr existierende Berliner Band Mo’Blow denken, die auch für Saxofongewitter und Gitarren- Schlagwerkschauer gut war. Der Klang einer B3-Orgel oder Rhodes dringt zunächst bei „What Kind of Lovesong“ ans Ohr des Hörers, ehe wir die Gesangsstimme von Stephanie Lottermoser vernehmen. Nun ja, wer die soulige Stimme von Aretha Franklin oder das raue-rauchige Timbre von Nina Simone schätzt, der muss sich an eine anders kolorierte Stimmfärbung gewöhnen, zumal dieses Stück eher als Ballade anzusehen ist. In seichten Klanggewässern ist Stephanie Lottermoser unterwegs, wenn sie ihren Holzbläser zum Klingen bringt. Doch in dem genannten Stück liegt der Fokus schon auf dem Gesang, auch wenn der Gitarrist zu einem Solo in bester R&B-Tradition ausholen darf. Der Klangschwall eines Keyboards trifft in „Karma“ auf abgerundete Klangmuster, die der Saxofonistin zu verdanken sind. Da ist auch sehnsüchtiger Soul mit im Spiel, wenn das Stück seinen Fortgang nimmt. Das Verschmelzen und Durchdringen von Keyboard und Saxofon, einschließlich sphärischer Anmutungen, machen den Reiz von „Karma“ aus. Federführend und die Melodielinien bestimmend ist dabei Stephanie Lottermoser, auch wenn Till Sahm sein Tasteninstrument wabernd und schwirrend zum Klingen bringt. Klanglichen Cirruswolken gleichen die Linien, die Lottermoser uns zu Gehör bringt. Thematisch greift Till Sahm dieses Klangbild dann in seinem kurzen Solo auf, ergeht sich zudem in vollen Kaskadierungen.

Im Off vergehende Klänge bestimmen „Hype“. Wie Farbschlieren in den Gemälden von Malern des Informel, so Karl Otto Götz, mutet an, was Stephanie Lottermoser vorträgt. Große Gestik denkt man sich beim Vortrag ebenso wie Dynamik und ausladende Inszenierung des Klangs. Fusion scheint dabei sehr nahe. Schließlich lässt Lars Cölln seine Gitarre wimmern, jaulen und heulen – in einem hallenden Raum, so der flüchtige Eindruck. Weiter geht es mit „Zwischenraum“, mit und ohne Wah-wah. Wie gestische Farbschlingen und -schleifen so mutet in einem Bild an, was die Saxofonistin uns mit ihrem melodisch aufgelegten Saxofon vorträgt.

Weichgezeichnet erscheint der „Morgen (Hamburg)“. Da meint man, die Möwen auf den Fleeten schwimmen zu sehen. Noch ist nichts von Geschäftigkeit in der Speicherstadt zu spüren. Die Barkassen mit ihrem sonoren Motorenlärm sind auch noch nicht ständig unterwegs. Erst langsam erwacht das „Hoch im Norden“. Beinahe säuselnd erleben wir Stephanie Lottermoser in ihrem Spiel, so als wollte sie den Wind einfangen, der übers Hafenwasser streicht. Zum Abschluss hören wir in „Dreaming My Dreams With You“ noch einmal die Vokalistin Stephanie Lottermoser. Dabei changiert das Stück zwischen Popmusik, Shantyanmutungen und irischem Folksong, oder?

© ferdinand dupuis-panther




www.jazzline-leopard.de
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Tini Thomsen Max Sax - Horses & Cranes
Jazzhaus Records


Im Pressetext zum Album finden sich nachstehende Zeilen: „Ein gutes Stück rockiger Jazz, fernab der akademischen Haltung und dafür mit einem Schuss Gitarren-Ekstase und bodenständiger Energie. Tini Thomsen Max Sax bieten eine nuancierte, kraftvolle stilistische Differenziertheit.“ Der Albumtitel mutet etwas merkwürdig an. Doch der Zusammenhang ist schnell erläutert, lebt doch die Baritonsaxofonistin auf dem Lande und während des Lockdown beobachtete sie fast täglich Pferde, die an ihrem Haus vorbei trotteten und über diesen flog eine Schar von Kranichen. Gleichsam aus diesem Eindruck heraus ist der Albumtitel geboren worden.

Einige Kompositionen des Albums tragen Namen von Tieren, so "Funky Dragon" bezogen auf das Huhn namens Dragon, "Song for Molly", von dem hauseigenen Welpen Molly hergeleitet, oder "Ants" von den Heerscharen von Ameisen, die jedes Jahr im Frühjahr einige Wochen durch Tini Thomsens Haus krabbeln. In diesen Kanon passen auch Kompositionen wie „Birds“ oder „Snooty Kitten“. Die Mehrzahl der Kompositionen stammt aus der Feder der Baritonsaxofonistin, aber auch der Gitarrist Tom Trapp und der Altsaxofonist Nigel Hitchcock haben je zwei Kompositionen zum Album beigesteuert. Neben den genannten Musikern ist in einem Stück, nämlich „Song for Molly“, auch der bekannte schwedische Funk-Posaunist Nils Landgren zu hören. Mit von der Partie sind bei dem Album zudem der Bassist Mark Haanstra und der Drummer Joost Kroon.

Das Baritonsaxofon ist im Jazz selten geworden. Dass es dann zudem von einer Musikerin gespielt wird, ist noch seltener. Gewiss, Gerry Mulligan war vor Jahrzehnten der wohl bekannteste Vertreter dieses Instruments. John Surman, Willem Breuker, Gunter Hampel und Peter Brötzmann spielten/spielen auch, aber nicht exklusiv Baritonsaxofon. Doch seither? In Europa fällt dem Rezensenten aktuell nur Céline Bonacina ein, die am Baritonsaxofon zu hören ist.

Schnurrend äußert sich die Baritonsaxofonistin zu den von Funk gefärbten rhythmischen Mustern. Im weiteren Verlauf verquicken die Stimmen von Baritonsaxofon und Altsaxofon, scheint das Letztere die bewegte Melodielinie voranzubringen, der das Baritonsaxofon in tiefer Stimmlage folgt. Unabhängig davon versteigt sich der Gitarrist in Klangüberschlägen. Doch auffallend ist schon, dass sich die beiden Saxofonisten gemeinsam auf die melodische Linienzeichnung einlassen und diese auch bestimmen. Nicht gar so quicklebendig und umtriebig wie das zuvor beschriebene Stück mit dem Titel „Funky Dragons“ ist das zweite Stück des Albums namens„Horses & Cranes“ nicht. Ja, das sonore Baritonsaxofon ist nicht zu überhören, vor allem aber ist es das Altsaxofon, das sehr schöne Melodiefäden verwebt und sich auch in einem Solo zeigt. Deutlich wird im Folgenden die harmonische Verzahnung der beiden Saxofonstimmen. Dabei hat man den Eindruck, das Baritonsaxofon sei als „Gegenstimme“ zum  Altsaxofon zu begreifen. Insgesamt überwiegt ein Höreindruck des dahin schwebenden Sonoren. Hier und da vermeint man außerdem, Anlehnungen an Soul herausfiltern zu können.

Schon wieder etwas mit Blau ist ein Gedanke, wenn man den Titel „Blue Eye“ liest und spontan an „Kind of Blue“ denken muss. Auf einem feinen sphärischen Klangteppich breiten beide Saxofonisten ihre jeweilige Stimmgewalt aus. Dabei sind es die sanften Töne, mit denen Nigel Hitchcock zu überzeugen versteht. Der eine oder andere Zuhörer mag sich an die Brecker Brothers erinnert fühlen, wenn er den dicht verknüpften Klangflor der beiden Saxofonisten wahrnimmt. Auch an die Blütezeit von Jazz Rock muss man beim Hören denken, unter anderem an das United Jazz & Rock Ensemble. Nein, nicht Jeff Beck oder Eric Clapton sind an der E-Gitarre zu hören, sondern Tom Trapp, der uns in die Welt von R&B entführt und seine Gitarre nachhaltig wimmern und jaulen lässt. Derweil haben die beiden Saxofonisten mal eine Spielpause. Nachfolgend verfolgen wir in einem Klangbild dahin segelnde und in der Luft kreisende Vögel. „Birds“ steht auf dem Programm. Und all das hat so gar nichts von Les McCann oder Eddie Harris, aber dennoch spürt man Funk, Funk, Funk. Irgendwie sind auch die Adderley Brothers im Geiste anwesend, oder? Wunderbar ist das „Duett“ von Tini Thomsen und Nigel Hitchcock. Dabei kann man sich dann auch Jagdflüge von Krähenvögeln vorstellen, die auch schon mal in Rückenlage durch die Lüfte taumeln. Bei dem ein wenig bluesig ausgelegten „Song for Molly“ werden zwei neue Klangfärbungen hinzugefügt, ist doch der Posaunist Nils Landgren zu hören und Tom Trapp scheint Dobro zu spielen. Doch letzteres ist im Line-up gar nicht aufgeführt. Vielleicht ist es aber eine Steel Guitar, die wir unter den Klangschraffuren des Posaunisten wahrnehmen? Hochstimmig meldet sich im Übrigen Nigel Hitchcock zu Wort, sodass eine interessante Melange aus dem eher weichem Kehl-Klang der Posaune und der „Kopfstimme“ des Altsaxofons entsteht.

Schließlich krabbeln musikalisch noch ungezählte Ameisen – der Song heißt „Ants“ – umher, mal langsam – siehe das Baritonsaxofon –, mal etwas schneller – siehe das Altsaxofon. Jedenfalls sind es Myriaden von Krabbeltierchen, die emsig unterwegs sind. Irgendwann hat man den Eindruck, diese kleinen Krabbler hätte auch Balkannova im Blut, lauscht man den weiteren Harmonien, die dem Stück beigefügt wurden. Und schließlich ist Tom Trapp zu hören, der ganz im Sinne von Gary Moore oder Rory Gallagher sein Saiteninstrument in Ekstase versetzt, sehr zur Freude von all denen, die auf R&B stehen. Schließlich haben wir als Zuhörer mit dem Schlussstück „Snooty kitten“ den Eindruck, Abdullah Ibrahim treffe auf Funk pur, oder?

© ferdinand dupuis-panther

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Line up:

Tini Thomsen – Baritone Sax
Nigel Hitchcock – Alto Sax
Tom Trapp – Electric/Acoustic Guitars, Mandolin, National Steel Guitar
Mark Haanstra – Electric Bass
Joost Kroon – Drums
Nils Landgren – Trombone On Track 6




Marius Neset - A New Dawn
ACT


Über den als „Shooting Star“ gefeierten norwegischen Saxofonisten, Jahrgang 1986, lesen wir unter anderem: „Was Marius Neset am Saxofon macht, ist nichts anderes als der Schritt in eine neue Dimension dieses Instruments“ (Süddeutsche Zeitung). Davon sind auch britische Medien überzeugt. Der Telegraph spricht von einem „Wunder“. Der Guardian zählt Neset zu den aktuell größten Entdeckungen des Jazz, mit „der Kraft eines Michael Breckers und der Raffinesse eines Jan Garbarek“. So jedenfalls steht es auf der entsprechenden Künstlerseite des Labels ACT. Bereits sein Debütalbum des Jahres 2011 wurde gefeiert. In der Folgezeit waren es die Orchesterarbeiten, mit denen Neset für Furore sorgte. Nunmehr liegt das siebente, bei ACT erschienene Album Nesets vor.

Ein O-Ton des Saxofonisten zu diesem Album: „I have always dreamed of doing a solo album, an album where I am completely alone playing the tenor saxophone with no overdubs or effects, just as pure and honest as it can be. It is an amazing challenge – and also a bit scary: I cannot lean back on a rhythm section or another player, I am completely responsible for every little detail in the music myself.“ Und weiter: „I have chosen a combination of songs that I have composed during the past few years. Some of them were written for solo saxophone, others for small band, some even for symphony orchestra. What all of these songs have in common is that they were originally composed by me, playing the tenor saxophone, alone. In other words, they all started out as solo saxophone pieces.“

Zu hören sind auf dem aktuellen Album unter anderem nachstehende Titel „A New Creation Theme from Manmade“, „Old Poison (Xl)“, „Taste of Spring“,  „A Day in the Sparrow’s Life“, „Morning Mist“ und schließlich „Theme from Every Little Step“.

Dass auch ein Tenorsaxofon sich durchaus langwellig und beinahe samten spielen lässt, dass zudem auch die leisen Töne zum Repertoire gehören können und auch Klangfolgen sich wie Perlen an einer Perlenschnur vortragen lassen, das unterstreicht Neset gleich zu Beginn in „A New Creation“. Hier und da vermeint man Anklänge an klassische Musik herauszuhören, oder? Das Melodiöse steht im Fokus. Immer wieder knüpft Neset bunt gefärbte Klangbänder, die er miteinander verschlingt. Teilweise hat man den Eindruck, dass der Tenorsaxofonist eigentlich auch in der Altlage spielt und so zwei Lagen zusammenführt. Bei „Theme from Manmade“ meint man, man lausche einem Tänzchen, schaue auf die geschwinden Schritte, Sprünge und Drehungen einer Tänzerin auf dem Tanzparkett. Dabei scheint dem Newtonschen Gesetz getrotzt zu werden. Beschwingt und frei von Bodenhaftungen erscheint das Spiel des norwegischen Tenorsaxofonisten.

Leichtes Saxofongehauche eröffnet das Stück „Taste of Spring“. Dabei hat man einen lauwarmen Frühlingswind vor Augen, wenn man dem Auf und Ab des Klangs folgt. Flaneure in Parks und hopsende Kinder scheinen Teil der Klangdramaturgie, oder? Frisches Grün raschelt im steten Wind – so ein anderes Bild, das sich aufdrängt. Springbrunnen plätschern, Wasserspiele rinnen, Bäche mäandern, Wildwasser schießt entfesselt dahin. Auch das sind bildhafte Höreindrücke. Und auch „Brighter Times“ scheint den Frühling zu besingen, dabei durchaus auch in Melodie und Harmonie einem Volkslied nicht unähnlich.

Gleiches gilt für „A Day in the Sparrow’s Life“. Dabei hat man wirklich die Vorstellung, Neset würde eine Schar vorwitziger Spatzen herumfliegen lassen, immer nach einer neuen Futterquelle Ausschau haltend. Und wer schon mal zu Mittsommernacht im Norden war und Paare auf dem Tanzboden hat tanzen sehen, der denkt bei diesem Stück, an einen Reigen oder einen anderen Volkstanz, jedenfalls aber nicht an höfische Tänze. Als Teil des Stücks wurden auch kurze langsame Passagen realisiert, aber ansonsten erlebt der Hörer eine feurige Rhythmik bis hin zu Balkanova. So geht es links herum und rechts herum, ohne Polkaschritt! Zum Schluss noch eine Bemerkung zum eingefangenen Morgennebel („Morning Mist“): Atemhauch ist wahrzunehmen. Kurze Klangstreifen dringen ans Ohr des Hörers. Es scheint, als höre man das morgendliche Rufen der erwachten Vogelwelt, höre das Hupen der im Verkehr stecken gebliebenen Autos, nehme Stop and Go wahr. Ein aufkommender Wind schiebt derweil die Nebelbank vor sich her. All das sind mögliche Assoziationen zu Nesets Klanginszenierungen, die nicht nur bei diesem Stück, sondern insgesamt zu überzeugen wissen.

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