The Art of Jazz: Italy – new releases (1)

The Art of Jazz: Italy – new releases (1)

Various

Losen Records & Tosky Records

Andrea Rea Trio: Impasse

Losen Records LOS 166-2

Der Pianist Andrea Rea wird in seinem klassischen Jazztrio von dem Bassisten Daniele Sorrento und dem Drummer Marcello Di Leonardo begleitet. Das Cover des Albums wurde Sylva Karin Johansen gemalt und zeigt einen sehr beeindruckenden Sonnenuntergang über dem Meer mit schlierigem, auberginefarbenem Wolkenband.



„Almeno tu nell´universo“ stammt entgegen dem Ausdruck auf dem Backcover von Lauzi/Fabrizio und nicht von Rea, der ansonsten Songs wie „De Repente“ und „Endangered Species“ verantwortet. Daniele Sorrento verdanken wir hingegen u. a. „Black Bridge“. Mit der Wayne-Shorter Komposition „Speak No Evil“ endet das Album.


„De Repente“ ist der Eröffnungstitel des Albums. Bei dem Begriff „plötzlich“, so die Übersetzung, erwartet man eigentlich Unerwartetes, keine langwelligen Melodielinien wie bei dem aktuellen Vortrag des Trios. In den Linien des Songs finden sich außerdem Sprünge, Hüpfer, Umspielungen und Wiederholungen, jedoch keine abrupten Wandlungen in den Harmonien oder den Stimmungen. Beim Zuhören muss man durchaus an Wasserspiele mit Fontänen denken, die in Intervallen aufsteigen und niederfallen.

Nicht so sehr den Diskant, sondern vornehmlich den Bass nutzt Andrea Rea anfänglich in „Black Bridge“, um dann in Klangmuster einzutauchen, die schon bei „De Repente“ an unsere Ohren drangen. Schleifendes Schlagwerk begleitet die Linien des Pianos, das sich in einem Modus des Auf und Ab bewegt, dabei von dem forcierten Spiel Marcello Di Leonardos angeheizt. Eine rasante Fahrt bergab scheint als bildhafte Vorstellung der Musik angemessen. Starken Harmoniekontrast erleben wir bei „Il Pirata“ nicht. Temporeich ist das Stück wohl angelegt. Übersteigerte Dramatik fehlt aber, um einen Piraten musikalisch zu erschaffen. So erscheint dann der Titel auch eher beliebig. Mit „Speak No Evil“ beschließen Andrea Rea und seine Mitmusiker das Album.

Text © fdp

Informationen:

http://www.losenrecords.no

http://www.andrearea.com


Luigi Masciari Trio: the G-Session

Tosky Records TSK 018

Der Albumtitel bezieht sich auf das überaus bekannte Tonstudio in Brooklyn, in dem der Gitarrist Luigi Masciari mit Aaron Parks (Fender Rhodes, piano) und Roberto Giaquinto (drums) das vorliegende Album eingespielt hat. Im sogenannten Waschzettel lesen wir das Stichwort New York Jazz, obgleich das Album unter der Überschrift „Art of Jazz: Italy“ besprochen wird. Das ist kein Widerspruch, sondern unterstreicht nur eine jeweilige Referenz. Von einem Mix von Groove und melodischen Momenten ist übrigens auch die Rede, wenn es um die Musik des Trios geht, das Masciari aus der Taufe gehoben hat.

Bereits mit sechs Jahren entdeckte der Gitarrist und Komponist sein Interesse an Musik. Masciari begann sein Studium der Jazzgitarre bei Umberto Fiorentino und verfeinerte sein Spiel mit dem Besuch von Workshops unter der Leitung von Gianluigi Goglia. Das Diplom in “Jazz Arrangement and Composing” erhielt er an der S. Cecilia Musikakademie in Rom, an der er anschließend auch Unterricht gab.


Bis auf einen Titel stammen alle aus der Feder von Luigi Masciari. Eröffnet wird das Album mit „Mr. Jay“, gefolgt von „Vox“ und „Seven Dollars“. Zu hören ist außerdem „Music Man“ und „Boogie Blue“. Oona Rea ist für die Vokalunterstützung bei„Echoes“ gut. Der Bonus-Track ist schließlich „Don't Touch My Chords“.

Aaron Parks Fender Rhodes gibt „Mr. Jay“ eine ganz besondere Note, die sich mit der Gitarre von Luigi Masciari zu einer sehr fein abgeschmeckten musikalischen Gewürzmischung vereint. Rock scheint auf Funk und Jazz zu treffen. Wie dahinziehende Schäfchenwolken erscheint Masciaris Spiel auf der Gitarre, die nicht übermäßig jault und wimmert. Aaron Parks wiederum scheint auf seine Weise dieses Bild der Wolkenbänder umzusetzen. Unter diesen Wolken erstreckt sich eine Landschaft flach wie ein Kuchenblech bis zum Horizont.
Den Song „Stimme“ („Vox“) hören wir nachfolgend: Sanftmütiges dringt ans Ohr des Zuhörers. Man könnte auch von Balladenhaftem sprechen. Masciari ist dabei in Erzähllaune, wenn er die feinsten Saitenklänge zum Besten gibt. Parks steht dem in nichts nach. So finden sich eher Gleichklänge als schroffe Gegensätze. Ein wenig in der Tradition des Finger Pickings erscheint „Music Man“. Zugleich aber muss man beim Lauschen trotz aller Leichtigkeit auch an erdigen Blues denken. Eher Blues als Boogie vernehmen wir bei „Boogie Blue“. Jedenfalls wartet man vergebens auf eine rollende Basshand von Aaron Parks. Losgelöst zeigt sich Masciari in seinem Fingerspiel, das in vielen Passagen auch den Blues vergessen lässt.
Noch ein abschließendes Wort zu „Echoes“. Ja, Masciari versucht in diesem Song die musikalische Illusion eines Echos zu präsentieren. Das gelingt aufgrund des verwobenen Wechselspiels mit Aaron Parks überaus überzeugend. Zugleich hat man aber den Eindruck, man hätte den Song auch „Albatros“ oder „Flug des Fregattvogels“ nennen können, so leicht kommt die Melodie daher. Beinahe Sphärisches ist hier und da auszumachen. Das insbesondere gilt in den Passagen, in denen Oona Rea lautmalerisch aus dem „Off“ zu vernehmen ist. Für meine Begriffe hat das Stück gerade dann einen zarten Beigeschmack von New Age.

Text © fdp

Informationen:

https://toskyrecords.com



Michel Rosciglione Trio. Moon and Sand

Tosky Records TSK004

Für das aktuelle Album hat Michel Rosciglione (cbs) nicht nur Vincent Bourgeyx (piano) und Remi Vignolo (drums) ins Boot geholt, sondern auch Renaud Gensane (trumpet) sowie David Sauzay (sax).

Michel Rosciglione ist ein ausgezeichneter Kontrabassist, der sich in der Tradition von Kenny Kirkland („Dienda“), John Coltrane, Billy Strayhorn sowie anderer „Heroen des Jazz“ begreift. Wie Rhythmik und Harmonie balanciert sein müssen, zeigt der Drummer Remi Vignolo als Schöpfer des Songs “Hollygram”, Dazu hören wir den energiegeladenen Spielansatz des Pianisten Vincent Bourgeyx, dem “Shoes Now” ebenso zu verdanken ist wie das Arrangement von “Giant Steps” (comp. John Coltrane). Die Gäste des Trios, David Sauzay und Renaud Gensane, zeigen ihren außergewöhnlichen musikalischen Feinsinn in Songs wie „Shade of the Cedar Tree“ und „Johnny Come Lately“ (comp. B. Strayhorn).


„Moon and Sand“ ist der Eröffnungssong des aktuellen Albums, zugleich auch der Titel des Albums. Es ist Vincent Bourgeyx, der für die nächtlichen Inszenierungen sorgt, für dunkle Schritte auf dem Pflaster, für den Schlag einer Standuhr, für das Dahinrinnen der Zeit, für Nebelschwaden, die sich in den Gassen und Straßen ausbreiten, für den Mond, der sich am Himmel zeigt, für die „Blaue Stunde“. Nach der Einführung durch den Pianisten des Trios kommt auch die Rhythmusgruppe mit  ins Spiel. Die Stimmung wechselt. Man glaubt sich inmitten einer verrauchten Jazzbar, in der sich die stadtbekannten Nachtschwärmer treffen, tratschen, trinken, flirten und eng umschlungen tanzen. Den Morgen kann man schon erahnen, man lausche mal auf den Pianisten und dessen „verwegenes Spiel“, das nicht nach Nachtruhe, sondern nach „Early bird“ klingt. Akzente setzt hier und da der Bandleader Michel Rosciglione mit weichen Bassnuancen, über die sich das energetische Spiel von Vincent Bourgeyx legt. Das klingt dann mehr und mehr nach Jazz der alten „amerikanischen Schule“. Für diese scheint das Trio – man schaue sich mal die Titelwahl an – ein besonderes Faible zu haben.


„Steepian Faith“ entstammt der Feder des 1998 verstorbenen Pianisten Kenny Kirkland, der auf verschiedenen Aufnahmen mit Wynton Marsalis ebenso zu hören ist wie mit Michael Urbaniak. Für das genannte Stück gibt es eine Transkription für Piano, sodass es wohl nicht verwundert, auf der vorliegenden Aufnahme das sprunghafte Spiel des Pianisten zu hören, dabei von Bass und Drums begleitet, die sich beide jedoch sehr im Hintergrund halten. Das Thema des Stücks liegt in der Hand von Vincent Bourgeyx, der m. E. in seinem Duktus zwischen Garner und Monk hin- und herwechselt. Hin und wieder drängt sich dann der schnarrende Bass auf und zeigt sich auch solistisch. Doch die Hörfarbe wird allein von den klingenden schwarzen und weißen Tasten bestimmt.

Als eine Hommage an den afroamerikanischen, schwulen Musiker Billy Strayhorn muss man wohl „Johnny Come Lately“ verstehen, da dieser das Stück komponierte, das wohl jeder von Aufnahmen mit Duke Ellington kennt. Hier können dann auch die beiden Gäste des Trios, David Sauzay und Renaud Gensane, aus dem vollen Schöpfen und ein wenig Post Bop zum Besten geben.

Coltranes „Giant Steps“ erfordern vom Trio keinen Kraftakt, sind die drei Musiker doch augenscheinlich schlafwandlerisch im Modern Jazz und Hard Bop unterwegs. Es ist Vincent Bourgeyx, der uns zu einem temporeichen Tastenspiel einlädt. Er springt dabei sehr behänd von Klangstufe zu Klangstufe. Große Schritte macht er nicht, sondern zahllose kleine, kurze, stets angetrieben vom fordernden Schlagzeug Remi Vignolos. 1955 schrieb David Mann „In the Wee Small Hours of the Morning“. Im gleichen Jahr wurde Manns Komposition der Titelsong auf einem Album von Frank Sinatra. Mit diesem Stück unterstreicht das Trio von Michel Rosciglione erneut die eigenen Präferenzen, sprich für die Vorliebe für den Jazz der 50er und 60er Jahre. So ist das aktuelle Album des Trios auch eine Art Zeitreise in die Geschichte des Jazz und für Liebhaber des amerikanischen Jazz gewiss ein akustischer Leckerbissen.

Text © fdp

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