The Art of Guitar #3

The Art of Guitar #3

Various

GLM / Edelkultur/o-tone-music / Mochermusic / Berthold Records

Robert Keßler Trio / Diknu Schneeberger Trio / Manfred Junker & Dani Solimine / Frank Wingold /

 



Robert Keßler Trio - BLOODLINE
GLM


Bloodline – das heißt so viel wie Stammbaum. Obgleich es kein Konzeptalbum ist, folgt das Album einem Konzept. Dieses Konzept heißt Leben. Nicht irgendein imaginäres Leben oder das Leben an sich, sondern Robert Keßlers ganz persönliche Bilanz der letzten zehn Jahre. Seine Rolle als Familienvater, geduldiger Freund und selbstloser Coach für unzählige junge Musikerinnen und Musiker sowie all die anderen Faktoren, die seine eigenen musikalischen Ambitionen über weite Strecken hintenanstellen. So lesen wir es im Pressetext zum Album. „Es ging nicht darum, mich nur auf mich zu besinnen“, hält Keßler fest. „Das fällt mir eher schwer. Deshalb erscheint diese Platte auch zehn Jahre nach der letzten. In den zurückliegenden Jahren war eben nicht ich an der Reihe, sondern Kinder, Studenten und andere Menschen.“

Die sieben Songs auf „Bloodline“ sind nicht gezielt für das Album entstanden, aber es ist auch kein „Best of ...“ der letzten zehn Jahre. Zugleich ist „Bloodline“ eine Hommage an die Gitarre, die Jazzgitarre, die der Musiker keineswegs neu zu erfinden suchte. Man hat beim Hören eher den Eindruck, Musiker wie Barney Kessel, Jim Hall oder Pat Metheny blicken ihm beim Spielen über die Schulter, schmunzeln und wippen sacht in den Grooves des Berliners mit. Zur Seite stehen Keßler der Schlagzeuger Tobias Backhaus, ein Freund aus Studententagen, und Andreas Henze, für Keßler der Berliner Bassist mit dem schönsten Solo-Ton.

Ein sachtes Rauschen des Klangs, sanfte Linien der Melodie und ein dezentes Schlagwerk – das sind die Beigaben von „Jeasaja“, dem Eröffnungsstück des Albums. Der Gitarrist scheint mit  seinem Saiteninstrument gleichsam einen Klangföhnwind auf den Zuhörer niedergehen zu lassen. Hier und da hat man den Eindruck, man lausche einem Rhodes oder einem Synth. Immer steht das Melodiöse im Vordergrund, auch wenn sich Keßler wie ein Wellenreiter geschmeidig über reißende Kaskaden bewegt, um mal ein Bild zu bemühen. Der Fokus liegt nicht allein auf dem Gitarristen, sondern auch der Bassist darf sich ausgiebig entfalten und ein tieftöniges Rinnsal in Pastellsandfarben malen. Danach greift Keßler wieder das Thema auf. Schon mit dem ersten Stück nimmt er den Zuhörer von sich ein, weil er fürwahr die Schönheit der Melodie zelebriert. Das nächste Stück heißt „Theo“. Um wen geht es dabei? Das scheint weniger von Bedeutung als die Tatsache, dass Robert Keßler und seine Mitspieler sich auf den zielgerichteten Hörgenuss und das Ohrschmeicheln besinnen. Beinahe als Ballade könnte man dieses Stück ansehen.  Auch der Begriff Lullaby kommt dem einen oder anderen beim Zuhören in den Sinn. Einem Gleitschirmsegler gleich nimmt uns Robert Keßler in luftige Klanghöhen mit. Hier und das scheinen auch klassische Anmutungen durch, oder?

Wer kennt nicht den Ausdruck der Überraschung: „Mann Mann“. So lautet der dritte Track, der etwas temporeicher als die beiden ersten Stücke und gar ein wenig funky angelegt ist. Funk ist ja nicht Eddie Harris und Les McCann vorbehalten, oder? Zu einigen Passagen, die uns der Gitarrist vorträgt, könnte man sich auch eine soulige Gesangsstimme gut vorstellen. So aber entfaltet Robert Keßler, mit Bedacht von seinen beiden Mitspielern begleitet, seine feines Gitarrenwerk. Übrigens, auch Andreas Henze versteht es in seinem Solo, Soul und Funk zum Tragen zu bringen. Nach „Theo“ begegnen wir musikalisch auch einer gewissen Betty: „Along Came Betty“. Beim Hören hat man dann tatsächlich die Vorstellung, der bereits oben genannte Jim Hall sei im Geiste anwesend und führe hier und da die Hand des Saitenspielers Robert Keßler. Folgt man den Linien, dann überkommt uns die Vorstellung von Frühlingsgrün, von Leichtigkeit nach einem bitterkalten Winter. Irgendwie hat man expressionistische Landschaftsgemälde vor Augen, wie sie unter anderem Cézanne in Grünnuancen und in Sandfarben auf die Leinwand gebannt hat. Wie in anderen Stücken überlässt Keßler seinem Bassisten bisweilen den musikalischen Raum. Nur ein veritables Schlagwerksolo mit viel Besenarbeit fehlt. Dafür agiert der Drummer Tobias Backhaus mit schönem swingendem Schlagwerk. Schließlich noch einige Worte zu „Bloodline“. Die Sequenzen, die der Gitarrist spielt, gleichen den Farbmeeren eines Emil Noldes. Gestisches, ein Farbrauschen und fleckige Farbtupfer sind vorhanden. All dies ergibt Bausteinchen für ein Gesamtbild, so wie bei einem Stammbaum Elemente zusammenzufügen sind. Und zum Schluss heißt es „Mach die Äuglein auf“. Muss man da nicht an ein Kinderlied denken?

© fdp

www.robertkesslermusic.de




Diknu Schneeberger Trio
Live from Porgy & Bess

Edelkultur/o-tone-music


Vergegenwärtigt man sich die Jazzgeschichte und überlegt, welcher Stil nicht afro-amerikanischen Ursprungs ist, dann findet sich wohl nur eine Antwort: Gypsy-Swing. Diknu Schneeberger pflegt diese Tradition mit Herz und Seele. Nunmehr können wir das fünfte Album des Gitarristen Diknu Schneeberger in Liveaufnahmen hören, als Stream ohne Publikum aufgezeichnet. Wenn auch der Bezug zu Django Reinhardt nicht zu überhören ist, hat es nur „Nuages!“ auf das Album „geschafft“.

Das Ensemble ist schon in ein sehr starres Korsett gepresst: Melodiegitarre bleibt Melodiegitarre, Rhythmusgitarre bleibt Rhythmusgitarre. Ein Stellungswechsel ist im Spielfluss nicht vorgesehen. Diknu Schneeberger führt die musikalische Regie und damit basta. Da wünschte man sich schon mehr Wendungen und Wechsel, oder? Zu hören sind auf dem Trio-Album Diknu Schneeberger (Gitarre), Julian Wohlmuth (Gitarre) und Martin Heinzle (Bass).

Bereits bei den ersten Takten kommt man nicht umhin, mit den Fußspitzen zu wippen oder den Swing zu tanzen, mit und ohne Eindrehern und Überwurf. Redundant agiert die Rhythmusgitarre, derweil die Finger von Diknu Schneeberger über Saiten und Bünde tanzen. Dabei meint man, er würde klanglich die Bewegung von Swing-Tänzern einfangen. Doch um diese geht es nicht, heißt der Song doch „Martins Song“. Übrigens, auch der Bassist kommt in Schwingungen und überwindet das sonst übliche Phlegma eines Bassisten.

Mit „Love for everybody“ geht es weiter. Dabei beschleicht den Zuhörer der Eindruck, man lausche einem italienischen Schlager oder einem kleinen Mandolinenorchester, das trällernd und Saiten zupfend durch mit Pflastersteinen belegte Gassen schlendert. Und was hat es eigentlich mit „Frischer Minze“ auf sich? Essenzieller Bestandteil von frischem Minzetee, der anregt und zugleich in der heißen nordafrikanischen Sonne für Abkühlung sorgt – oder was? Lauscht man der Melodie, so hat man die Vorstellung von einem Schlager der 1920er Jahre oder von einem Gassenhauer, den ein Leierkastenmann in einem Berliner Hinterhof zum Besten gibt. Auch in diesem Stück erweist sich Schneeberger als Saitenvirtuose, der auch die feinsten Register seines Instruments beherrscht. Olala, auch einen Tango hat das Trio im Repertoire, allerdings mit Verfremdung durchzogen. Man lausche mal aufmerksam dem Song „Game of Elements“.

Getragen und mit viel Schmelz kommt „Nuages“ daher, aus der Feder von Django Reinhardt und nun von Schneeberger interpretiert. Klangwolken – man beachte den Songtitel – ziehen im wahrsten Sinne vorbei, Schäfchen- und Kumuluswolken, bedächtig, aber stetig, so das Klangerlebnis. Und allmählich scheinen sie sich aufzulösen, interpretiert man das verfeinerte Spiel Schneebergers richtig. Nach „Feuerlicht“ und „Abenteuer Erde“ heißt es dann „Miri Dai“. Spielt da gar ein Barde zum Tanz auf? Entführt uns Schneeberg mit seiner Melodie in das Land, wo die Zitronen blühen? Vielleicht, jedoch gewiss ist, dass wir mit „Swing de Vienne“ der Donaustadt einen Besuch abstatten. Und das ist Swing pur. So schließt sich musikalisch die Klangrundreise, die ja mit Swing begann und nun mit Swing endet.

© fdp

https://diknuschneeberger.com




Manfred Junker & Dani Solimine
Guitarists only

Mochermusic


Manfred Junker und Dani Solimine spielen seit mittlerweile über zehn Jahren zusammen. Die Stärken der beiden Gitarristen - Manfred Junker mehr als Solist, Dani Solimine als Begleiter, der das Duo mit seiner siebensaitigen Gitarre oft wie ein Trio klingen lässt - werden in ihren Arrangements voll ausgespielt. So liest man es im Pressetext zum Album.

Der Konstanzer Gitarrist Manfred Junker, an der Jazzschule St.Gallen und am Berklee College of Music ausgebildet,  blickt auf eine lange Karriere als Solist bis hin zu einer Quartett-Besetzung zurück und hat unterdessen 14 eigene CDs veröffentlicht. Dani Solimine, aus Zürich stammend, lässt mit seiner ausgefeilten Begleitarbeit auf der 7-saitigen Gitarre jedes Ensemble größer klingen. Der Autodidakt ist als Berufsmusiker auf vielen CDs und in unzähligen Bands zu hören.

Von den 13 Songs des Albums sind bis auf zwei alle im Duo zu erleben. Das Schlussstück „Ghost Town“, geschrieben von Bill Frisell, trägt Manfred Junker solistisch vor. Dani Soliimine brilliert solistisch mit seiner Eigenkomposition „Blues for Anima“. Aufmacher des Albums ist ein „Hit“ von Django Reinhardt namens „Douce Ambiance“

Ein rhythmisches Plopp-Plopp wird überlagert von einer weich gezeichneten Melodielinie. In den typischen Rhythmus des sogenannten Gypsy-Swings verfallen  die beiden Musiker bei „Douce Ambiance“ nicht. Eher hat der eine die Melodiestimme inne und der andere setzt dazu eine eher dem Bass verschriebene Linie. Von Django Reinhardt geht es zu Jim Hall und dessen balladenhafte Komposition „Young One“, wenn diese Charakterisierung erlaubt ist. Bisweilen könnte man auch an einen Song für eine Broadway-Show denken oder an einen der vielen Songs, die Frank Sinatra interpretiert hat. Aber nein, einem der Granden der Jazzgitarre ist das Stück zu verdanken, das in fließenden, teils welligen Linien daherkommt. Aus der Feder von Manfred Junker stammt „Good-Hearted“, das im Duktus nahtlos an die zuvor genannten Songs anschließt. Schließt man die Augen beim Zuhören, dann spürt man gleichsam einen lauen Wind, der einen umweht. Man kann sich in den Melodiefluss sanft fallen lassen. In diesem Stück wechseln sich die beiden Gitarristen übrigens in der melodischen Liniengebung ab. Und unter Negieren des Newtonschen Gesetzes gleiten wir gleichsam durch die Lüfte, so leicht und luftig ist die Melodie gewebt. 

Das französische Chanson in Gestalt von „La Belle Vie“ von Sacha Distel hat auch Eingang in das vorliegende Album gefunden. Getragen und auch ein wenig romantisch aufgeladen kommt das Stück daher. Im Gegensatz zu einem Schlager im 3/4-Takt fehlt dem Stück aber das Eingängige, das zum spontanen Mitsummen auffordert. Dafür sind die melodischen Schraffuren doch zu differenziert ausgeformt, versteigt sich einer der beiden Gitarristen außerdem in fein ziselierte Sequenzen und meistert auch die beinahe zerbrechlich anmutenden Stimmlagen. Nach dem solistischen Blues, den Dani Solimine vorträgt, ohne allerdings an John Lee Hooker oder B. B. King anzuknüpfen, sondern einen eigenen Weg beschreitend, hören wir mit „Manoir de mes réves“ erneut ein Stück des belgo-französischen Gitarristen Django Reinhardt, der einen genuin europäischen Jazz schuf. Dabei strahlt diese Komposition schon beinahe etwas Kammermusikalisches aus. Vom Charakter her schwankt dieses Stück zwischen Wehmut und Sehnsucht. Getragen kommt es daher und von der Stimmung her denkt man eher an Herbst, an fallendes Laub, an tiefe Nebelschwaden, an nahenden Winter. Es ist gut, dass das Gitarrenduo auf den klassischen Swing verzichtet hat und einen Django Reinhardt zeigt, der auch seine melancholische Seite mit seiner Gitarre zum Ausdruck bringt. „Far Wes“ von Wes Montgomery ist wesentlich frischer und temporeicher angelegt als das vorherige Stück. Beschwingt scheint der Alltag von der Hand zu geben, so suggeriert es die Melodie, oder? Am Ende hören wir dann „Ghost Town“ und müssen dabei an das eine oder andere Protestlied oder Countrysongs denken. Doch weit gefehlt, Bill Frisell ist der Schöpfer und nicht etwa John Baez oder Arlo Guthrie.

© fdp

www.mochermusic.com
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Frank Wingold - To Be Frank
Berthold Records


„Ich liebe Synchronizität. Ereignisse, die zur gleichen Zeit passieren und die sich miteinander vereinen und verzahnen“, erklärt Wingold, der als Professor für Jazzgitarre an der Musikhochschule Osnabrück lehrt. Er ergänzt: „Am besten funktioniert das, wenn ich mich einfach nur hinsetze und drauf losspiele. Ohne technische Effekte oder Hilfsmittel – abgesehen von einem Verstärker vielleicht.“  So beschreibt der Musiker das, was der Hörer erwarten darf.

Zu der Spieltechnik auf seinen beiden siebensaitigen Gitarren, die eine eine Archtop-Jazzgitarre und die andere eine klassische Gitarre mit Nylonsaiten, führt der Musiker Folgendes aus:. „Statt der klassischen Plektrumtechnik benutze ich meine Finger und Fingernägel. So habe ich – auch wenn ich Melodien spiele – schnellen Zugriff auf sämtliche Saiten. Ob Melodie, Akkorde, polyphone Passagen oder Arpeggios – ich brauche meine Technik nicht zu ändern“.

Neben den luftigen Fragmenten der Improvisationen finden sich auf dem Album Adaptionen von Standards. „Die habe ich mir bewusst vorgenommen – allerdings nicht in der klassischen Tradition eines Joe Pass“, stellt Wingold klar und erklärt: „Mein Ansatz ist abstrakter, aber die Verbindung zu den Originalen ist immer noch da. So hat sich der Jazz entwickelt. Die Musiker haben immer und immer wieder die gleichen Stücke gespielt, was ihnen irgendwann zu langweilig wurde. Also fingen sie an, zu variieren, die Melodien zu verändern und zu improvisieren. Aber stets so, dass das Publikum die Originale wiedererkennen konnte.“ Insgesamt hat der Gitarrist 15 Titel für das vorliegende Album zusammengestellt.

Mit „The song is you“ wird das Album eröffnet. Ist da nicht auch klassisches Fingerpicking mit im Spiel? Stete Tonkaskaden sind auszumachen. Alles ist im Fluss. „Klangrieseln“ ist zu vernehmen, wenn dieser Klassiker von Jerome Kern erklingt. Mit diesem Song sind bereits Frank Sinatra und Nany Wildon mit großer Orchestrierung aufgetreten. Nunmehr entkleidet Wingold diesen Standard seiner orchestralen Stimmfülle und setzt dabei Maßstäbe. Nicht mehr das Revuehafte drängt sich wie bei den genannten Vokalisten auf. Der Vortrag lebt eher von der Verquickung von zwei Klangsträngen. Nachfolgend hören wir „My shining hour“, von Harold Arlen (Musik) und Johnny Mercer (Text) geschrieben und unter anderem von John Coltrane 1959 eingespielt. Wingold verschrieb  dem Stück ein viel gemäßigteres Tempo, als wir es von Coltrane kennen. Die schnurrenden und ein wenig aufmüpfig angelegten Saxofonpassagen Coltranes, zudem mit Verve vorgetragen, sind bei Wingold nunmehr eher in ein dezentes Gewand gehüllt worden. Hier und da scheint Etüdenhaftes durchzubrechen. Das Thema mit leichter Linienführung  nebst allen Wendungen zeugt von Transparenz.

„Escapade“ ist die einzige Eigenkomposition von Wingold. „Mir kam eine Idee, die ich aufschrieb und die gut als Solo-Nummer funktionierte. Da dachte ich: wäre doch schön, zumindest eine eigene Komposition mit auf das Album zu nehmen.“ Dabei überzeugt Wingold mit einem perlenden Klangfluss, in den die Hörer eintauchen. Leichtes Fingerpicking scheint durchaus ins Stück eingebunden zu sein. Zugleich muss man beim Hören auch an Liedermacher denken, die mehr als drei Akkorde, sondern tatsächlich die Bandbreite des Gitarrenspiels beherrschen. „Joshua“ (Victor Feldman), bekannt durch die Interpretation von Miles Davis auf dem Album „Seven Steps to Heaven“, steht bei Wingold auch auf dem Programm. Bei Miles ist es die scharfzüngige und ein wenig zornig klingende Trompete, die uns thematisch ebenso an die Hand nimmt wie mit wiederkehrenden Schemen der Pianist Herbie Hancock und der Bassist Ron Carter. Auf dieses breite Klangspektrum verzichtet Wingold. Er setzt solistisch die Uptempo-Komposition und die Riff ähnliche Melodie allein auf einem Saiteninstrument um. Von den Harmonien her gesehen  hat man den Eindruck, man höre einen Mix von „Canteloupe Island“ und „So What“. Fusion scheint näher als Hard Bop, oder? An Miles denkt man beim Hören übrigens weniger als an Joe Zawinul oder Herbie Hancock, der ja an dem oben genannten Album beteiligt war. Schließlich kann man in Wingolds Arrangement auch ein wenig Jazz Rock erahnen.

Gibt es eine Verbindung von „Alone Together“, einem populären Song aus den 1930er Jahren, und Chet Baker? Gewiss, aber die Färbung eines Horns steht dem Gitarristen nicht zur Verfügung, verzichtet dieser doch auf elektronische Verfremdung und Stimmmodulationen. Seine Gitarre klingt schlicht wie eine Gitarre, wenn auch verspielt und mit ausladenden melodischen Bögen. Das Timbre eines Chet Bakers, die Stimmfarbe des Baritonsaxofonisten Pepper Adams und die distinkte Getragenheit wurde von Wingold schlicht verdichtet und die Stimmfarbe der Gitarre ausgereizt. Stellenweise fühlt man sich bei Wingolds „Griffspiel“ auch an Flamenco und spanische Liedkunst erinnert, ob von Albeniz oder de Falla. Zu den oft gespielten Jazzstandards, die zum klassischen Ausbildungsprogramm eines jeden Jazzmusikers gehören, zählt auch „I'll be seeing you“, 1938 publiziert und unter anderem von Billy Holiday gesungen. Bei dem Wingoldschen Arrangement ist ohne Frage die Nähe zum Original stärker als bei anderen Stücken, oder?

„Feels Like Funkin‘ it up“, ursprünglich für eine Brass Band aus New Orleans geschrieben, wandelt sich unter den Fingern von Wingold zu einer Mischung aus Boogie, Country und „rollendem Fingerpicking“. „It might as well be Spring“ (Richard Rogers)  ruft streckenweise Erinnerungen an Sevillianas hervor, oder? Abgerundet wird das Album, das ein wahrer Hörgenuss ist, weil die Bandbreite der Gitarre von Wingold voll ausgereizt wird, durch einige Improvisationen. Die Standards scheinen wie Vorlagen, die es mit „klanglichen Übermalungen zu verändern gilt. Und das ist Wingold in exzeptioneller Weise gelungen.

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