Jazz made in Switzerland #1

Jazz made in Switzerland #1

Various

nWog / Hammer Recor / Eigenverlag

Florian Weiss' Woodoism / Arbenz-Menari-Veras / ramur

 

Florian Weiss' Woodoism
Alternate Reality

nWog


Der Posaunist Florian Weiss hat das Quartett Woodoism mit dem Saxofonisten Linus Amstad, dem Bassisten Valentin von Fischer und dem Drummer Philipp Leibundgut 2014 aus der Taufe gehoben. Vier Jahre später wurde der Band bereits der renommierte ZKB-Jazzpreis und der entsprechende Publikumspreis zugesprochen. Seit 2020 ist die Band Teil des dreijährigen Jazzförderprogramms von Pro Helvetia.

Noch kurz zur Biografie von Florian Weiss (*1991 in Zürich): Er begann mit neun Jahren, Posaune zu spielen. Nach dem Abitur mit dem Schwerpunkt Musik studierte er an der Jazzabteilung der Hochschule der Künste in Bern. Zu seinen Lehrern zählte auch der belgische Musiker Bert Joris. Um einen Masterabschluss in Jazz Performance zu erlangen, wechselte Florian an die Hochschule Luzern. Dort begegnete er u. a. dem deutschen Posaunisten Nils Wogram, der schon lange in der Schweiz lebt. Zu seinen Lehrern zählten aber auch Ray Anderson, Robin Eubanks, Ilja Reijngoud und Shannon Barnett. Der Musiker lebt in Bern.

In einem jüngst aufgezeichneten Interview mit Pro Helvetia auch und gerade zur Frage, wie ein Musiker in Zeiten der Pandemie lebt und arbeitet.????? In der Frage nach neuen Formaten gab Weiss folgendes Statement ab: „Ich weiß noch, als der Lockdown kam, war ich auf dem Weg an einen Gig. Meine erste Reaktion war zu überlegen, wie man ins Internet ausweichen kann und was man zum Beispiel streamen könnte. Aber schlussendlich habe ich wenig in diese Richtung gemacht, weil ich den Stillstand als positiven Effekt ausgemacht habe. Was ich dann doch gemacht habe, ist eine Studio Session in der Tom Gsteiger und Wolfgang Zwiauer, zwei Musiker aus Bern, Musiker und Musikerinnen angefragt haben, ob sie ad hoc etwas solo einspielen wollen oder eine Band zusammenzustellen und einen Nachmittag aufnehmen. Das Ergebnis ist jetzt auf SoundCloud zu finden – «Life At The Zoo». Das war ein guter Anlass für mich, etwas zu machen, das ohne den Lockdown nicht stattgefunden hätte.“

Doch auch mit dem aktuellen Album „Die andere Realität“ sorgen Weiss und seine Musikerkollegen für Aufmerksamkeit. Bei diesem Album handelt es sich um das dritte Album des Quartetts. Zehn Tracks wurden mit Posaune, Saxofon, Kontrabass und Schlagzeug sowie in ausgewählten Momenten mit Flöte und Glockenspiel eingespielt. Entstanden sind ganz unverwechselbare musikalische Signaturen. Wie diese Signaturen zustande kommen, beschreibt der Schweizer Posaunist wie folgt: „Ich muss außermusikalische Aspekte gar nicht bewusst in meine Musik einfließen lassen“, so Weiss, „denn das geschieht beim Entwickeln eines Stückes ganz von selbst. Ich halte mich an Stimmungen, Jahreszeiten, Orte, Gerüche, Farben, Situationen oder das Wetter. In meinem Kopf entstehen Standbilder – mal klarer, mal weniger klar – die mir die Parameter eines Stückes vorgeben.“

Mit „Inhale Exhale“ macht das Album auf, in dem wir aber auch den "Walzer der Nachtfalter" erleben können – siehe „Valse des Papillons  de Nuit“. Ein Track trägt den Titel „Wabi Sabi“ - ein Schelm, der an Wasabi denken muss. Weitere Tracks heißen „The Woods are lovely“, „Feuer im Termitenhügel“ und „Fuge für A“. Das Ende des Albums nimmt eine dreiteilige „Suite“ zum „anderen Leben“ ein - „Alternate Reality“.

Ein dumpfer oszillierender Klang dringt bei „Inhale Exhale“ ans Ohr des Hörers. Tieftöniges vereint sich im Weiteren mit sanftem Saxofonsäuseln, ehe das Stück ein wenig Tempo aufnimmt. All dies geschieht unter der Federführung des Posaunisten Florian Weiss, der teilweise im Wechselgesang mit dem Saxofonisten Linus Amstad zu hören ist. Und auch der Bassist hat ein gewaltiges Wörtchen beim musikalischen Arrangement mitzureden. Das ist seinem Solo zu entnehmen, in dem er aufgreift, was im Vorgesang der Posaune zu vernehmen war. Im Anschluss daran vereinen sich Saxofonist und Posaunist zu einer klanglichen Windhose, die aber in ihrer Kraft nach und nach verebbt.

„Shivering Timbers“ lässt an Soulmusik vom Feinsten ebenso denken wie an Musik in der Manege, sprich an Musik einer Zirkuskapelle, die die Artisten unter dem Zirkuszelt wie auch die Clowns und Bodenakrobaten begleitet. Dabei ist die Musik so gesetzt, dass hier und da kleine Höhepunkte auszumachen sind. Die wabernde und blubbernde Posaune vereint sich gelegentlich im Spiel mit dem aufgebürstet erscheinenden Saxofon. Doch der Moment des tonalen  Ausbruchs ist kurz und vergeht in langen Klangwellen. Kommen wir nun zum „Walzer der Nachtfalter“, im Original „Valse des Papillons de Nuit“. Der zarte Flötenklang lässt die Vorstellung aufkeimen, die Falter würden aufgeregt im Licht herumschwirren, einer scheint gar schwerfällig unterwegs zu sein, so suggeriert es der Bassist in seinem Spiel. Saxofon und Posaune zeichnen nachfolgend das Durcheinanderfliegen nach, auch das aufsteigende und niedergehende Flattern. Ist da nicht auch ein Nachtfalter unterwegs, der einen langen langsamen Flügelschlag nutzt? Das muss man angesichts der Melodielinie meinen, die der Posaunist uns präsentiert. Und was signalisiert das Glockenspiel, das wir vernehmen? Das Voranschreiten der Zeit? Die Vergänglichkeit der Nacht? Das Nahen der Morgendämmerung, derweil dunkel gefärbte Falter von Laterne zu Laterne fliegen, magisch vom Licht angezogen? Oder lauschen wir gar einem Totenglöckchen und die letzte Stunde der Falter hat geschlagen?

Der Bass ist deutlich in seinen behäbigen Schritten in „Wabi-Sabi“ auszumachen, begleitet von einer beschwingt gestimmten Flöte, die uns Leichtigkeit vermittelt. Sehr gelungen ist das Duett zwischen Flötist und Posaunist. Dieser lässt sich nachfolgend in welligen Klangfolgen vernehmen, ein wenig guttural, doch nicht übermäßig röhrend und stets dem tiefen vollmundigen Klang verpflichtet. In der Tieftönigkeit wird er vom Bass abgelöst. Sandtöne und Umbra sind als Farbnuancen mit den klanglichen Färbungen zu vergleichen, die dem Bass eigen sind und die er ins musikalische Geschehen einbringt. Als Gegengewicht sind die gehauchten, beinahe als zerbrechlich anzusehenden Flötentöne zu verstehen, die sich auch gegen den Posaunensingsang absetzen. Als Höreindruck meint man, bei den Sequenzen der Posaune würde sich das Gurren aufgeplusterter Ringeltauben mit dem Ruf des Uhus vermischen. „Feuer im Termitenhügel“ ist ein durchaus ungewöhnlicher Titel für eine Komposition, aber eben Teil des  aktuellen Album-Arrangements. Nervöses Beckengetätschel vermischt sich mit ausufernden Saxofonwellen. Hier und da meint man, der Verfremdung des „Säbeltanzes“ oder dem „Hummelflug“ zu lauschen. Aufgeregt und mit verschiedenen Schnalzlauten ist der Saxofonist im weiteren unterwegs. Hören wir da nicht das Knistern eines lodernden Feuers, wenn wir dem Schlagzeuger in seinem Spiel folgen? Eher einem schwirrenden Flügelschlag gleicht das, was der Saxofonist von sich gibt. Bisweilen muss man auch an einen Rüttel- und einen Sturzflug denken, wenn das Stück seinen Fortgang nimmt. Irgendwie kann man sich auch nicht von dem Eindruck befreien, der Saxofonist stelle in Klangbildern Unruhe und Chaos vor. Erst gegen Ende verflacht die Klangkurve, die zuvor sich steil abgezeichnet hat.

Eine „Fuge für A“ hören wir außerdem. Dabei verschmelzen Saxofon und Posaune, die zeitweilig als Dux und Comes fungieren, sich aber auch aus dem fest gefügten Korsett der Fuge befreien und ihrer eigenen Stimme freien Lauf einräumen. Abgerundet wird das Album mit einer dreiteiligen Komposition „Alternate Reality“. Der erste Teil namens „Visiting Oz“ unterstreicht nachhaltig, dass es bei Woodoism nicht um Vodoozauber und -verwünschungen geht, sondern um eine Verzahnung von Holz- und Blechbläsern. Das, was wir hören, hört sich an wie die verknüpften Knoten eines Teppichs. Neben dem Flächigen erleben wir aber auch Schraffuren und Schummerungen, meinen gar Noise Music ausmachen zu können, mal abgesehen von bekannt erscheinenden Musikzitaten. Glockenspiel umgibt uns beim zweiten Teil namens „Delirium“. Ergänzt wird dieses wiederkehrende Spiel des Kristallenen von Basslinien und lang gezogenem Posaunenklang, der im Nichts zu vergehen scheint. Ein bisschen Fanfarenzug, ein wenig Blechbläserpotpourri, Schlagwerkekstase als Zwischenspiel, „Saxofonweckrufe“ vermischt mit einem kehligen Posaunenruf mit starker Rhythmisierung - so erscheint der letzte Teil der Trilogie der „anderen Wirklichkeit“ namens „Awakening“.  Und das ist dann das Finale eines Hörgenusses, bei dem nun mal nicht das Saxofon im Fokus steht, sondern die Posaune.

© ferdinand dupuis-panther

https://www.woodoism.ch




Arbenz/Mehari/Veras
Conversation #1: Condensed

Hammer Recor


Als Teil eines überaus ambitionierten Projekts von 12 Alben mit unterschiedlichen Musikergruppen erscheint nunmehr das erste Album der Serie, die der Schweizer Drummer Florian Arbenz federführend verantwortet. Beim vorliegenden Album „assistieren“ Arbenz – bekannt von der Gruppe Vein – der amerikanische Trompeter Hermon Mehari und der brasilianische Gitarrist Nelson Veras. Zu der Kooperation mit den beiden genannten Musikern führt Arbenz aus: “I’ve known and played with Nelson for several years and am captivated not only by his highly original and virtuoso playing, but also by his unique character and his great sense of humor”. Und weiter: “Hermon, on the other hand, I had never met before our recording session! I had, however, admired his warm tone, open-minded musicality & improvisational skills from afar and am so happy to have finally recorded with him!“ Hinzuzufügen ist, dass die Instrumentierung des Trios recht ungewöhnlich ist und fernab der gängigen Jazztrios anzusiedeln ist, trifft doch ein Rhythmusinstrument auf einen Blechbläser und einen Saitenvirtuosen.

Nicht allein Kompositionen von Florian Arbenz und Hermon Mehari sind zu hören, so „ Boarding The Beat“ (F. Arbenz), „ Let’s Try This Again“ ( H. Mehari), „Groove A“ (F. Arbenz) oder „Circle“ (F. Arbenz), sondern auch „Olha Maria“ (C. Jobim), „Race Face“ (O. Coleman) sowie „Freedom Jazz Dance“ (E. Harris).

Klack-Klack-Klack liegt über den weichen „Saitenlinien“. Glockenhell erhebt sich der Klang der Trompete, die die Blicke auf sich gerichtet sieht. Dabei zeichnet sich im Kopf des Zuhörers das Bild von aufreißenden Wolken ab und Sonnenschein, der sich strahlenförmig ergießt. Ohne Frage „The Beat is on“, auch wenn die Komposition mit „Boarding The Beat“ betitelt ist. Unablässig tanzen die Schlagstöcke über die Bleche und in rhythmischen Intervallen über die Felle. Stetig setzt der Trompeter eine Klangbahn an die andere. In feinen Saitenumspielungen zeigt sich der Gitarrist Nelson Veras. Dabei greift er Linien auf, setzt neu an und zeichnet sie fort. Hermon Mehari folgt auf seine ganz eigene Weise und lässt das Linienspiel ineinanderübergehen. Aus der Feder des Trompeters stammt „Let's Try This Again“. Doch die Eröffnung gehört dem Gitarristen, ehe dann Menari seinen Blechbläser vollmundig erklingen lässt, ohne Dämpfer und ohne eine gewisse Zornigkeit, sondern eher mit Leichtigkeit und ein Frohlocken zum Ausdruck bringend. Es klingt, als würde ein Tag voller angenehmer Überraschungen  begrüßt. Sorgenfrei scheint das Leben, Carpe diem das Motto. Wer Max Liebermanns sommerliche Szenen vom Wannsee kennt, impressionistisch und mit Sinn für Licht und Schatten auf die Leinwand gebannt, der wird in der Musik von Menari eine Entsprechung finden, oder?

„Groove A“ (F. Arbenz) ist im Nachgang zu hören. Hier und da scheinen Freudensprünge eingefangen zu werden. Man sieht vor seinem geistigen Auge Kinder, die „Himmel und Hölle“ spielen. Ungezwungenheit scheint in der Musik zum Ausdruck zu kommen. Es gibt ein Hier und ein Da, nie Langeweile, sondern Neugier mal hier und mal da, so könnte man die Setzungen des Stücks interpretieren. Einer Ikone des brasilianischen Jazz ist „Olha Maria“ zu verdanken. In diesem Stück zeigt Nelson Veras seine ganze Fingerfertigkeit, durchaus auch in den Fußspuren von Baden Powell. Nach der langen Einleitung lauscht man dem steten Wind am brasilianischen Atlantik, den der Trompeter mit seinem langatmigen Blechbläser erzeugt. Und im Hintergrund vermeint man, dichtes Wellenrauschen zu hören, dank an Florian Arbenz und seine flirrenden Bleche. „In Medias Res“ ist temporeich gestaltet. Kurzes Klickklickklick und Tamtam vermischen sich, wenn Florian Arbenz zu seinem Schlagzeugsolo ausholt. Er lässt die Schlagstöcke geschwind über die Felle tanzen, bringt das eine oder andere Blech zum Schwirren, ist aber vor allem mit den Toms vereint. Dann vernehmen wir wie zu Beginn eine Art von Fanfarenklängen und meinen, die eine oder andere Banda Maltas sei musikalischer Ideengeber gewesen.

Bei „Race Face“ (O. Coleman) scheint aufgrund der starken Rhythmen Afrika die Quelle der kompositorischen Inspiration gewesen zu sein. Auf eine rasante Fahrt über spitze Serpentinen nimmt uns der Trompeter Hermon Mehari im Fortgang des Stücks mit. Alarmsignale können wir hier und da ausmachen, vor allem aber das treibende Schlagzeugspiel von Florian Arbenz. Das gleicht bisweilen auch einer Stampede, vermeint man doch, im Stakkato stampfende Hufe zu hören.  Mit „Freedom Jazz Dance“ wird das Album abgerundet. Dabei wurde das Stück von Eddie Harris weitgehend vom klassischen Funk befreit. Auch fehlt es in der Interpretation von Arbenz und Co. an dem lauthals zu vernehmenden, röhrenden Saxofon des Originals. In die Fußstapfen des Saxofons tritt auf dem aktuellen Album der Trompeter Hermon Mehari. Flinkes Fingerspiel von Nelson Veras gibt dem interpretierten Stück eine ganz andere Note. Das Original wird  fragmentiert, und zwar nicht nur durch den Gitarristen, sondern auch den Trompeter, der kurz angebunden und in schnellem Tempo Flächen mit seinen fein gesponnenen Klangsträngen füllt.

© ferdinand dupuis-panther

https://florianarbenz.bandcamp.com
https://florianarbenz.com
https://youtu.be/Os0csPa5Pqw




ramur – il rein
Eigenverlag


Der aus Graubünden gebürtige Kontrabassist Vitou Cadonau, ein Schüler des in Chur beheimateten Bassisten Luca Sisera, ist musikalischer Kopf der Band. Diese besteht aus dem Tenorsaxofonisten Tobias Pfister, dem Posaunisten Maurus Twerenbold, dem Pianisten Kenny Niggli, dem Drummer Noah Weber und als Gast der Vokalistin Anna Vogt. Hören wir also, was sie über den Rhein – so der Albumtitel – musikalisch zu sagen haben.

Zu Beginn wird der Mond („Luna“) besungen, dann folgen Tracks wie „Barlot“ und „Signina“ sowie „Meander“. Erst als vorletztes Stück wurde „il rein“ eingespielt und am Ende eher glyphisch-kryptisch zu begreifen „QDP“, geradezu in der Umsetzung brachial und vielleicht auch von der Erfahrung des Bandleaders geprägt. Dieser spielte nämlich in jungen Jahren E-Bass in einer Rockband! Die Inspiration zu den Stücken entstammt Landschaften oder Personen. Als Gymnasiast fuhr der Bassist täglich die Strecke  Ilanz-Chur und sah die schroffe Landschaft der dortigen Rheinschlucht. Daher rührt der Titel „il rein“. Und „Barlot“ zum  Beispiel verweist auf den Hexentanz der Walpurgisnacht.

Getragene Tastenklänge füllen in „Luna“ den Klangraum. Auf Klangparallelen bewegen sich der Posaunist und der Saxofonist, verzahnen ihre Sequenzen, sind gewunden wie eine Doppelhelix. Anschließend ist ein Piano-Solo zu hören. Die fallenden Klangfolgen erscheinen so wie feiner Nieselregen, der niedergeht und flache Regenpfützen bildet. Teilweise ergießt sich der Klangstrom auch als breite Kaskade. Hier und da hat man gar den Eindruck eines Malstroms, der auch vom Bassisten und Drummer gebildet wird. Ein satter Klang geht vom Posaunisten in seinem eingestreuten Solo aus. Unter dieses sind die Linien des Basses gemischt, sodass eine Art tieftöniger Zweisamkeit entsteht. Dominant ist dabei jedoch der Posaunist, der gleichsam mit tiefer Bruststimme spricht.  Und gegen Ende wird das Thema erneut angespielt, hört man die Zweieinigkeit von Posaune und Saxofon. Sehr frei gestaltet erscheint der Dialog von Saxofon und Posaune in „Barlot“. Erst nach und nach verstetigen sich die Melodielinien, greift ein orchestraler Klang um sich. Liedhaft meint man, den Saxofonisten Tobias Pfister zu erleben. Die melodischen Linien durchwandern dabei Tiefen und Höhen, ohne jedoch aus dem Tenor herauszufallen. Derweil legt die Rhythmusgruppe einen dicht verwebten Klangteppich aus. Aus dieser Rhythmusgruppe tritt danach der Pianist hervor und beginnt redundante Klangschleifen zu präsentieren, die sich auf die Basshand stützen. Kurz sind die Interventionen des Saxofonisten, der gegen Ende in einen schönen Klangfluss verfällt.

Schmelzende Eiszapfen und zerspringendes Eis  mögen so klingen wie die Klavierstimme zu Beginn von „Meander“.  Doch dies ist ja nur der Beginn. Im Fortgang ergießt sich ein perlender Klangfluss. Dabei scheint der Anklang neoromantischer klassischerMusik nicht fern. Hier und da spricht der Pianist auch von Wehmut und Sehnsucht, scheint er die Entfremdung, die sich bei einigen symbolistischen Malern findet, in Klänge umzusetzen. Und auch der Saxofonist bläst sehr dezent seinen Holzbläser, erweckt eher den Eindruck von erstarrter Winterruhe als eines mäandrierenden Flusses bzw. einer Flussschleife. Ähnliches gilt für den Posaunisten. Selbst der Bassist bleibt in dem Duktus seiner Mitspieler und scheint eher von Tragik und Tragödie zu erzählen. Mit großer Geste tut dies schließlich der Saxofonist im Anschluss an das Basssolo.

Nun folgt das Rheinerlebnis des Bassisten, gebündelt in dem Stück „il rein“, das auch ein sehr getragenes Posaunensolo erhält. Von Traurigkeit geprägt scheint danach das Spiel des Saxofonisten.  Hört man dazu nicht auch eine weibliche Gesangsstimme? Sobald der Posaunist seinen Blechbläser an die Lippen führt, meint man, es zögen Nebelbänke durch die Rheinschlucht, würde das Leben zum Stillstand kommen. Eine gewisse Psalm-Lastigkeit ist dem Stück obendrein anzumerken, oder? Turbulent ist „QDP“ angelegt. Da triumphieren die Bläser, wirbelt die Rhythmusgruppe aus vollem Herzen. Es schnurrt und schnarrt, gibt es ein Plonk-Plonk, vernimmt man ein Ratschen und ein Tickticktick sowie Tacktacktack. Man hört Drrrdrr und Brrbrrr – beinahe schon Noise Music oder freie ungezügelte Impro im Fluss. Stimmengewirr macht sich breit. Schwirren liegt im Raum. Blibblipp und ein Krächzen sowie Quietschen dringt ans Ohr des Zuhörers. Die Grenzen scheinen gefallen; alles scheint erlaubt und möglich. „Hochwasser des Klangs“ strömt und strömt bis zum letzten Ton. Es ist ein eher unerwartetes Ende, weil hier ungebundene Musik dominant ist, ganz im Unterschied zu all den anderen Stücken.

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