Jazz made in Italy 2024/25

Jazz made in Italy 2024/25

Various

Auand Records / Dodicilune / AlfaMusic / GleAM Records

Luca Zennaro and Michelangelo Scandroglio / Sergio  Armaroli  & Giancarlo Schiaffini / Ludovico Fulci (feat. Dario Rosciglione & Amedeo Ariano) / BSDE 4tet

 




Luca Zennaro and Michelangelo Scandroglio - Escanzen
To Not Forget the Stars
Auand Records


Das schreibt das Label zum Album der beiden Musiker Zennaro und Scandroglio: „Their new album is a musical and visual journey that invites listeners to remember the vastness and beauty of the night sky, which connects us to something greater and deeper.“

Wir hören auf diesem Album Michelangelo Scandroglio (electric bass, samplers) und Luca Zennaro (guitar, samplers) sowie Stefano «Beko» Bechini (drums, synth, sound design, sampler) und Edoardo Battaglia (drums). Darüber hinaus wird das Quartett um einige Gäste bereichert. Wer gängigen Jazz erwartet, der wird nicht auf seine Kosten kommen, da die Musiker grenzgängerisch unterwegs sind. Selbst Fusion erfasst als Begrifflichkeit nicht vollständig  das, was zu hören ist. Das Quartett lässt Jazz Rock, Elektronischens und Fusion zu einer musikalischen Melange verschmelzen. Hier und da sind auch Anflüge von Ambient auszumachen und auch Indie Rock kann man hören, wenn auch nicht als stringentes Konzept. Bisweilen scheinen im Geiste auch Mike Oldfield und Pink Floyd zugegen zu sein, oder? Scandroglio bündelt das Konzept des Albums in nachfolgende Aussage: „To Not Forget the Stars is more than an album: it’s a statement, a work that reminds each of us not to ignore what is essential, what guides us through dark nights, and inspires us to look beyond. The music invites us to pause and find beauty even in mystery and in the unknown.“

Klangmelange oder Klanginferno – das ist die Frage bei den ersten Takten von „Somewhere In Between“. Nervöses Schlagwerkspiel trifft auf brodelnde Klangpassagen sowie Gitarrensetzungen, die fragmentiert erscheinen und an den Stundenschlag einer Turmuhr denken lassen. „Metronomschlag“ und Gezische vereinen sich am Ende, ehe abrupt Schluss ist.  Bei „I Hope It Works“ hören wir ein Tss-Tss-Tss und ein aufgewühltes Gitarrenspiel, das so klingt, als würden zahlreiche Kirchenglocken zum Klingen gebracht. Schnaufen ist auszumachen, so als würde eine Dampflok dahin brausen. Dunkle Klangschwaden verbreiten sich und vergehen. Schließlich findet sich auf dem Album auch die namensgebende Komposition: „To Not Forget The Stars“. Neben verschiedenen Klangsamples ist es vor allem der weich-dunkle Klang der Klarinette, die bei diesem Titel im Gedächtnis haften bleibt. Federico Calcagno ist für diese Klangpassagen zuständig, die von kristallenen Synthesizer-Klängen verdrängt werden, um dann aus dem Hintergrund erneut aufzuflackern. Der letzte Ton des Stücks gehört schließlich dem Holzbläser, der dabei seine Bassklarinette erklingen lässt. „Klangregen“ geht bei „Is This Real?“ auf uns nieder. Konzertantes wird dem Synthesizer entlockt;  Simone Graziano ist am präparierten Klavier zu hören. Reiner Gitarrenklang wird durch Samples verwischt. Fragile Klänge tauchen ab und an auf, aus dem „weich gewebten Klangteppich“, den das Ensemble ausrollt.

Bei „I Don’t Like Your Weird Stuff“ drängt sich der Eindruck auf, dass Alan Parson als Pate anwesend ist. Doch keine Frage, es sind die Musiker um Zannaro und Scandroglio. Francesco Bearzatti, der Tenorsaxofonist, schmettert bei diesem Titel in seinen Holzbläser und dominiert die Klangfärbung des Stücks.  Doch das ist durchaus eine willkommene Abwechslung bei all dem Sampling und all der Klangmelange, die in den übrigen Stücken vorhanden sind. Schließlich noch ein Wort zu „Bul Ma Nak“: Gitarrensaiten werden gezupft, nur kurz angerissene. In den Klanghöhen an eine Mandoline erinnernd paart sich der „Gitarrengesang“ mit Klangschwaden des Synth, dabei einem Rhodes nicht unähnlich. Und auch der Tenorsaxofonist ist mit Klangeskapaden, die sich fast im Off verlieren, zu hören ebenso wie der Gitarrist Luca Zennaro, mit dem das Stück dann mehr oder minder zu einem plötzlichen Ende kommt.


Info


Musicians:

Michelangelo Scandroglio - electric bass, samplers
Luca Zennaro - guitars, samplers, moog on #7
Stefano BeKo Bechini - sound design, samplers, synths, beatbox, electric drums
Edoardo Battaglia - drums (except on #2)

featuring:
Francesco Bearzatti - tenor sax on #5,8
Federico Calcagno - clarinet and bass clarinet on #3
Simone Graziano - prepared piano, Rhodes, synths on #4,6
Alessandro Lanzoni - piano on #7

https://auand.com
BANDCAMP

Track List
1. Somewhere In Between (Michelangelo Scandroglio)
2. I Hope It Works (Luca Zennaro)
3. To Not Forget The Stars (Michelangelo Scandroglio)
4. Is This Real? (Luca Zennaro)
5. I Don’t Like Your Weird Stuff (Luca Zennaro)
6. Ghost In Seoul (Michelangelo Scandroglio)
7. WESTSIDE (Luca Zennaro)
8. Bul Ma Nak (Luca Zennaro)




Sergio  Armaroli  | Giancarlo Schiaffini
Deconstructing Ayler in the Universe
Dodicilune


Das eingespielte Duo hat sich auf seinem Album mit dem Repertoire des amerikanischen Saxofonisten Albert Ayler (1936 – 1970) auseinandergesetzt. Wenn man so will, ist so eine Hommage an den wohl einflussreichsten Musiker der frühen Free-Jazz-Bewegung der 1960er Jahre entstanden. Die Instrumentierung des Duos lässt dabei aufhorchen: Posaune und Vibrafon sowie die Urform des Vibrafons das westafrikanische „sprechende Holz“, besser bekannt als Balafon.

Der Klangbogen spannt sich von „Spirits Rejoice“ mit der französischen Nationalhymne, gespielt auf dem Vibrafon, bis hin zu „Universal Message“. Das ist ein überaus überraschender Beginn, den uns da Sergio Armaroli beschert. Und dann ist es am Posaunisten Giancarlo Schiaffini auf das vorgestellte Thema zu reagieren. Vom eigentlichen Thema der „Marseillaise“ ist dabei kaum etwas zu entdecken. Dieses scheint lediglich Stichwortgeber für die Improvisation zu sein. Übrigens, dank zirkulärer Atmung meint man, dass der Posaunist auch ein Didgeridoo imitiert. Nahtlos ist der Übergang zu „Holy Family“. Dabei scheint es so zu sein, dass der Vibrafonist ein klangliches Fundament aufschichtet, über das der Posaunist seine kehligen Klänge setzt, durchaus die Tieftönigkeit suchend. So „vereinen“ sich Kristallines und Basslastiges, scheinen sich die beiden Musiker in ein Zwiegespräch zu vertiefen. Je tiefer der Posaunist klanglich „abgleitet“ desto gestochener ist der Diskant und die Flinkheit, mit der die Klangstäbe zum Flirren gebracht werden. Ja und dann gibt es auch ein melodisches Thema, das auf dem Balafon angestimmt wird. Dabei wird eine rhythmische „Einheit“ präsentiert, die ein wenig an die Klänge Westafrikas denken lässt. Selbst der Posaunist stimmt in den „Swing“ des Balafon-Spielers ein. Übrigens, taucht da nicht eine Referenz an New Orleans Jazz auf? Noch etwas ist zu bemerken, die Wiederholungen, die der Vibrafonist präsentiert und die sich auflösenden „Klangmosaike“, die der Posaunist darüber setzt. Ab und an meint man gar, man höre karibische Steel Drums, dank an Armaroli.

Getrommel empfängt den Zuhörer bei „Bells“. Dazu gesellt sich der „Ruf des Stadttrompeters oder des Garnisonstrompeters“, der zum Appell ruft. Niemand anderer als der Posaunist ist zu Hören, derweil sein Co-Musiker für die Perkussion sorgt. Röhrendes Gebläse ist über weite Strecken wahrzunehmen. Folgen wir dem Posaunisten, so sehen wir bildlich gesprochen einen Zug von Soldaten, die die Stadt verlassen. Sehr an ein Volkslied erinnert das Stücks  dann, wenn sich Vibrafonist und Posaunist in einen Dialog begeben. Eine gedämpfte Posaune ist bei „Holy Ghost“ aktiv. Sie klingt beinahe wie eine Trompete, die gedämpft wird und auch ein wenig wie ein „quakender Neinsager“, der nicht von seiner Position abrückt. „Heart Love“ steht auch auf dem Programm des italienischen Jazzduos, das seinen eigenen Weg geht, um Ayler nahezukommen.  Steter Schlag auf einen Klangstab vereint sich mit dem „schwafelnden Posaunisten“. Dessen Stimme scheint ein wenig belegt.  Melodische Sequenzen lässt der Vibrafonist hören, dazu noch ein permanentes Tok-Tok und das Geräusch eines Shakers. Und dann ja dann, vereinen sich Balafon und Posaune zum Tête-à-Tête. Dabei geht der Posaunist richtig aus sich heraus, schnurrend, röhrend und mit kurzen Klangfetzen. Und wie würde, ähnlich wie bei „Karneval der Tiere“, die Geschichte zu diesem Stück wie auch zu dem nachfolgenden „Witches And Devils“ lauten?  Mit „Universal Message“ schließt das Album, das einen ganz neuen Blick auf den frühen Free Jazz erlaubt.

Info

Musicians
Giancarlo Schiaffini, trombone
Sergio Armaroli, vibraphone, synthesizer, chromatics balafon („sprechendes Holz“/Westafrika), percussion

https://www.dodicilunestore.com/

Tracks
1) Spirits Rejoice
2) Holy Family
3) Dc
4) Bells
5) Holy Ghost
6) Heart Love
7) Ct
8) Witches And Devils
9) Universal Message




Ludovico Fulci (feat. Dario Rosciglione | Amedeo Ariano)
Ti racconto di me

AlfaMusic


Hören wir, was Ludovico Fulci über sein Album zu sagen hat: „The tracks are all my own compositions that I wrote over the past year and each one is followed by a thought or, perhaps even better, an image. Having worked in the field of film music for many years, I approached this work of mine as if I had to write music about the various characters in a film, interpreting their characters and a consequent narrative that makes them protagonists. Each piece, therefore, stems from a precise idea of wanting to depict in music a feeling to which a thought is then connected. Finally, sharing my life between Rome and Berlin, you will find some tracks whose title is in German but also, most of them, in Italian and some in English.“

Aufgemacht wird das Album mit „Der erste Tag des Jahres“, entstanden aus heiterem Himmel am 1. Januar 2024. Es ist ein Tag der guten Vorsätze und der Hoffnung auf ein gutes Jahr! Der Pianist Ludovici steht ganz im Zentrum der Klangdramaturgie. Ein wenig erinnert das Stück in seiner lyrisch-poetischen Ausformung an einen Musical-Song. Ob aus „Mary Poppins“, ist wohl eher die Assoziation des Rezensenten. Klangstrom auf Klangstrom ergießt sich. Winterliche Schwere ist nicht vorhanden, eher „Winterbrechen“ und Frühlingsbeginn. Angesichts des Klimawandels auch im Januar denkbar, oder? Und auch ein wenig Blues-Einfärbungen gibt es für einen Moment zu erleben. Ansonsten ergeht sich der Pianist in klangliche Wildwasser und Strudel, um im Bild zu sprechen.

Weiter geht es mit „A hidden love“. Fulci kommentiert zur heimlichen Liebelei (im Original mit „Un amore nascosto“ betitelt) u. a.: One feels bad about what has been done but the quality of this love always remains noble and one suffers from having to keep it hidden.“ Mit romantischen und neoromantischen Anmutungen kommt das Stück daher. Auch ein wenig Salonmusik des ausgehenden 19. Jahrhunderts scheint an unser Ohr zu dringen. Im Verlauf des Stücks nimmt sich Fulci zurück und überlässt dem Bassisten und Schlagzeuger seines Trios Spielraum. Mit „One for Tobis“ hat Fulci eine Ode für den Freund Tobias Relenberg geschrieben. Dieser ist Saxofonist und auf dem Album “The Meaning of You” mit Fulci zu erleben.

„I baci sulla pelle“ nannte Fulci eine seiner Kompositionen, die in eher getragenem Tempo angelegt wurde. Ein wenig an „süßliche“, von Emotionen getränkte Operettenmusik erinnert dieses Stück den Rezensenten. Weichzeichnungen des Klangs sind zu erleben. Kleine Kaskaden sind auszumachen, auch eine gewisse Beschwingtheit. Und das ist es aber schon bei der musikalischen Umsetzung eines Kusses!

Dass es Fulci aber auch um anderes als lyrischen Klaviergesang geht, unterstreicht „Ti racconto di me“. Ausgelassene Latino-Rhythmik erleben wir nicht, aber Ansätze dazu. Vor unserem geistigen Auge sehen wir beim Zuhören tanzende Paare, die den Hüftschwung perfekt beherrschen.  Nach „Una giornata particolare“ und“ Il pensiero di te“ heißt es dann „Deep into your soul“: Ein wenig wehmütig mutet diese Komposition an. Weniger an Italien muss man beim Hören denken, sondern an den Norden Europas, an die Kompositionen von Sibelius und Grieg. Ja, dieser Titel ist melancholisch durch und durch. Gehemmte Emotionen erleben wir, verborgene Seelenlagen, so der Eindruck.

„Einfach so!“ ist neben dem Eröffnungsstück ein weiteres Stück mit einem deutschen Titel. Ja, dieses Stück ist Balsam für die Seele, zeigt Aufheiterungen, Losgelöstheit, Sinn für die schönen Seiten des Lebens. Durchaus folkloristisch erscheint dieses Stück zudem, vielleicht obendrein von Schubert beeinflusst. Glücksgefühl in Noten zum Ausdruck gebracht – so könnte man bündig den Charakter des Stücks umschreiben. Das Album wird mit der Komposition „Die Hoffnung“ beendet. Fulci schreibt dazu: „… Written on the day Russia invades Ukraine. One wonders what hope one can hold out for a just world any longer. Marie is a young teenager, Anke's daughter, who is barely out of her teens and who represents with her freshness, the hope that everything can progress for the better, creating the good that she will build for herself and others.“ Musikalisch ist „Die Hoffnung“ ein sehr kurzes Stück. Soll das signalisieren, dass die Hoffnung einem kurzen Strohfeuer gleicht, das schnell vergeht?

Info

Musicians
Ludovico Fulci  - Pianoforte, arrangiamenti e composizioni
Dario Rosciglione - Contrabbasso
Amedeo Ariano - Batteria 

http://www.alfamusic.com

Tracks
1.Der erste Tag des Jahres 5.51
2. Un amore nascosto 5.13
3. One for Tobias 2.59
4. I baci sulla pelle 3.23
5. Ti racconto di me 3.51
6. Una giornata particolare 4.02
7. Il pensiero di te 5.57 /
8. Deep into your soul 5.41
9. Einfach so 4.50
10. Grit 4.44
11. Le nostre parole 3.29
12. Un'altra possibilità 2.33
13. Il terzo incomodo 3.54
14. Die Hoffnung 1.39




BSDE 4tet - Live at Parma Jazz Frontiere
GleAM Records


Das BSDE 4tet um den Saxophonisten Daniele Nasi hat schon zuvor bei GleAm veröffentlicht, zuerst im Jahr 2021. Unterdessen wurde der  Schlagzeuger Andrea Bruzzone durch Mattia Galeotti ersetzt. Die Aufnahmen des jetzigen Albums entstanden bei einem Konzert am 14. Oktober 2023 in der Casa della Musica in Parma anlässlich der 28. Ausgabe des Festivals Parma Jazz Frontiere.

„Drowning in Guilt“ steht am Anfang des Konzertmitschnitts und unterstreicht gleich in den ersten Takten, die vom Saxofonisten gestaltet werden, dass Post-Bop für die Musik des Quartetts eine Rolle spielt. Ein durchaus aufgewecktes, swingendes Pianosolo schließt sich an die Saxofon Passagen an. Energiegeladen ist das Spiel des Pianisten Jung Taek “JT” Hwang. Klang an Klang gesetzt zieht an uns vorbei. Und dann erhebt der Saxofonist seine leicht röhrende Stimme. Debei zeigt sich der Saxofonist von einer quicklebendigen Seite. Aufgedreht ist auch eine Charakterisierung, die angesichts des Duktus zutreffend erscheint. Vorwärts, vorwärts, vorwärts – das ist das Credo, das wir vernehmen. Dabei ist dann auch Hard Bop mit im Spiel, oder?

Rastlosigkeit kennzeichnet das Spiel des Quartetts, das im Kern in den Färbungen durch den Pianisten und den Saxofonisten geprägt wird, ab und zu auch durch sonores Saxofon-Gesäusel. Dazu gesellt sich ein kurz angebundenes Drumming mit Tick-Tick und Tack-Tack. Nach dem auffrischenden Klangwind, den wir zu Beginn erleben, folgen Passagen mit eingesprochenem Text bzw. Textsamples. Zu verstehen ist die Männer- und die Frauenstimme nicht. Was wir allerdings aus der Kommentierung des Stücks durch die Bandmitglieder wissen, ist der Umstand, dass mit dem Stück an die Opfer der Migration übers Mittelmeer gedacht werden soll. Es ist konkret den 268 Menschen gewidmet, die am 11. Oktober 2013 ihr Leben verloren, als Italien versuchte, die Verantwortung für die Entsendung von Rettungskräften nach Malta zu übernehmen. Das Elend der Migration bündelt sich vor allem im zweiten Teil des Stücks, in der wachsenden Dramatik, die inszeniert wird.

Das Geräusch der Klappenbewegungen des Saxofons und eine „Loopsetzung“ dieses Instruments vernehmen wir zu Beginn von „Callin“. Zu hören sind auf- und absteigende Linien, sonor und auch ein wenig röhrend. Daniele Nasi ist allein auf weiter Flur. Was er spielt klingt wie sich wiederholende Rufe, vielleicht gar Hilferufe. Erst im weiteren Verlauf melden sich die anderen Musiker zu Wort, präsentiert uns der Tenorsaxofonist Sequenzen, die in den Lagen an ein Altsaxofon denken lassen. Die anfänglichen Wiederholungen verschwinden. Lyrisches Klavierspiel setzt ein; „trappelndes Schlagzeugspiel“ kommt hinzu. Folgen wir dem Pianisten, dann haben wir den Eindruck, dieser würde eine Filmmusik vortragen, oder? Auch er ergeht sich, wenn auch nicht so nachhaltig, in sich wiederholenden Klangschleifen. Zugleich pflegt er auch Klangkaskaden als Ausdrucksmittel. Nach und nach entwickelt sich das Stück zu einer Klanggouache, verschmelzen die Äußerungen der einzelnen Musiker. Doch schließlich meldet sich der Saxofonist, erhebt seine Stimme und gleicht einem Phoenix aus der Asche.

Dass Musik der Gegenwart das politische Geschehen um sie herum nicht ausblenden können und wollen, macht „Waltz For Palestine“ deutlich. Zu diesem Stück heißt es: „Walzer für Palästina“ ist eine Widmung an das palästinensische Volk, an diejenigen, die mit einem täglichen Leben in Not und Entbehrungen zurechtkommen müssen. Das ist ein Zustand, der seit zu vielen Jahren andauert und nun einen Punkt erreicht hat, an dem es kein Zurück mehr gibt. Es ist eine Komposition für diejenigen, die ihr Leben verloren haben oder ihre Angehörigen durch Bombenanschläge oder eine  andere Form von Gewalt verloren haben, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben.“

Bei den ersten dumpf tönenden Klängen haben wir den Eindruck, das ein Lamento angestimmt wird. Und der Saxofonist stimmt mit seiner Stimmfärbung in das Klagen ein. Pianist und Saxofonist sind in ihren Äußerungen eng miteinander verwoben. Hört man das Spiel des Saxofonisten, kann man sich das Jammern und Schluchzen der Hinterbliebenen der Opfer vorstellen. Spielt Nasi dabei Sopransaxofon? Man muss es angesichts der Tonlage annehmen. Ein wenig klingt die Intervention des Saxofonisten wie die Stimme einer Klarinette, oder? Und dann ist es Aufgabe des Pianisten, die „Wehklage“ fortzusetzen. Zerbrechlich muten die Passagen an, die Jung Taek “JT” Hwang zu Gehör bringt, begleitet von raschelndem Schlagwerk und wenigen Bass-Intonierungen. Besonders hervorzuheben sind weitere sehr fein ausgeformte Sequenzen des Sopransaxofonisten, der zu Höhenflügen ansetzt. Dabei ist dann auch das anfängliche Lamento völlig in den Hintergrund gedrängt.

Zum Schluss soll noch auf „Nord Scream 2, South Screams Too“ eingegangen werden.  „Dieses Stück, so erfahren wir,  wurde von den tragischen Ereignissen in der Ukraine inspiriert, bei denen die Feigheit und Niedertracht einiger der wichtigsten „Führer“ der Welt ans Licht kam. „ZU verstehen ist das Stuck als „eine Hymne für den Frieden“. Gewidmet ist sie allen Opfern des seit 2014 andauernden Konflikts. … . So lautet die sinngemäße Transkription der Liner-Notes zu dieser Komposition.

Den tiefen Bass gestrichen  – das hören wir zu Beginn. Es klingt wie die Musik für eine Totenfeier, oder? Und auch das verhaltene, sonore Saxofon spiel fügt sich in diese Musik ein. Da liegt Schwere in der Stimme des Saxofonisten. Motivische Wiederholungen füllen anschließend den Klangraum. Es hört sich so an, wie das Anheben einer mahnenden Stimme, der keiner Gehör schenkt. Daher wird die Botschaft erneuert und erneuert. Dunkle Klangwolken schiebt der Pianist vor sich her. „Dissonantes“ ist auszumachen; Turbulenz kündigt sich an, wenn man den Stimmen von Pianist und Saxofonist genauere Aufmerksamkeit zukommen lässt. Und imitiert der Saxofonist nicht im Verlauf des Stücks den Klang von Geschossen, die durch die Luft zischen? Verworren scheint die Situation. Das suggerieren die Musiker mit ihrem „chaotischen“ Spiel. Dann erfolgen  am Ende Beckenschwirren und Bassklang des Pianos: Hat jetzt des letzte Stündlein geschlagen?




https://www.gleam-records.com
BANDCAMP

Musicians
Daniele Nasi – tenor & soprano saxophone
Jung Taek “JT” Hwang – piano
Giacomo Marzi - doublebass
Mattia Galeotti – drums

Tracks
1. Drowning in Guilt 13.04
2. Callin’ 11.46
3. Oddly Enough 11.20
4. Waltz For Palestine 14.55
5. 7 is the New 5 08.55
6. Nord Scream 2, South Screams Too 09.36


© ferdinand dupuis-panther, 2025


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