Jazz from New Zealand #1
Various
Thelonious Records / Rattle Music /
Fire Waltz / Ivan Zagni | Steve Garden / NAM Trio / Unwind – Saffron
Fire Waltz – Fire Waltz
Thelonious Records
Mit diesem Album namens „Fire Waltz“ stellt sich ein neues Jazzquartett aus Wellington (Neuseeland) vor. Es besteht aus dem Bassklarinettisten und Saxofonisten Blair Latham, dem Bassisten Alistair Isdale, die zunächst über Monate probten und jammten, ehe sie sich dazu entschlossen, weitere Musiker anzusprechen, um ein Album zu realisieren. Sie suchten und fanden den exeptionellen Drummer Rick Cranson und den mit Feingefühl agierenden Pianisten Leonardo Coghini.
Coghini hatte unlängst mit einem dreiteiligen Album aufhorchen lassen, das den Titel „Wellington Solos“ trägt. Blair Lantham hingegen wusste auf dem letzten Wellington Jazzfestival 2020 mit seiner Suite „Karla and the Divide“ musikalisch zu überzeugen. In diesem Kontext gab der Saxofonist ein Interview, aus dem nachstehend zitiert wird. Zunächst ein Statement zum Kompositionsansatz: „Playing jazz is mainly about improvising, and improvising is really composition sped up. I mainly just try to improvise sounds in my mind that I like, put them down and then use all of those ideas to build an overall structure that tells a story. It's definitely a slower process than getting up and blatting out 5 quick choruses of rhythm changes on a sax, but it's a lot of fun building a sound world for others to inhabit.“ Zudem äußerte er sich auch zur Besonderheit des Musikschaffens im „Land der langen weißen Wolke“: „Our physical distance gives us a chance to cherry pick the best aspects of a particular musical style without being overly burdened by the tradition surrounding it. Maybe it means that we don't always have the depth at our fingertips that those who are truly immersed in a music's culture and history have but I think it makes us a little bit more versatile, free-thinking, open and sometimes wild. Kiwis can be perfectionists now and again too, so maybe it means we mix and match to a really high level which is great."
Aufmacher des Albums ist „Fire Waltz“. Anschließend folgen Tracks wie „Predictions“, „Moonlight in Vermont“, „Hallo Señor“, „Dee Song“ und „Hi There!“. Rollende Bewegung kann man aus den ersten Passagen filtrieren. Dabei schweigt der Saxofonist für einige Augenblicke, bevor ihm dann Flügel wachsen und er den Klangraum ausfüllt, dabei auch die Tiefen seines Holzbläsers auslotend. Zumeist jedoch ist er schnurrend zu vernehmen, auch in höheren Lagen. Wollte man ein Bild entwerfen, um das Saxofonspiel zu erfassen, so scheint ein knatternder Wind, der an der Takelage eines Seglers zerrt, ebenso angebracht wie stete Meereswellen. Im Anschluss ist es dann die Aufgabe des Pianisten, die dramatische Inszenierung zu vervollkommnen. Wir werden Zeuge eines turbulenten Kaskaden-Schwalls, der dem Tastenmöbel entrungen wird. Ja, tatsächlich, auch ein explosives Schlagwerksolo über stetem Ticktick ist in den „Feuertanz“ eingebunden. Doch dann drängt sich der Saxofonist wieder auf, dabei das Thema wiederholend. Ist da nicht auch hier und da ein wenig Jove mit im Spiel? Jedenfalls hören wir gegen Ende des Stücks keinen Walzer, wie der Tracktitel nahelegt, aber Tanzbares auf alle Fälle. Getragen und vom Bass dominiert ist der Beginn von „Predictions“, wenn auch der Saxofonist sich nach und nach aus dem Hintergrund an den Bühnenrand drängt, um mal ein Bild an dieser Stelle einzufügen. Lange Klangwellen sind charakteristisch. Aber auch auf Klangspitzen verzichtet Blair Latham nichr, der es auch versteht, kehlige Lautmalereien zu Gehör zu bringen. Keine Frage, Latham steht im Fokus des musikalischen Geschehens, er ist derjenige, der Klangwellen pfeilschnell durchpflügt, weiß, wie man auf Klang-Kämmen balanciert. Für notwendige Gründung sorgt mit Bedacht der Bassist. Mit Alistair Isdale sind wir in ruhigen Klangwelten unterwegs. Stufig angelegt sind seine Sequenzen. Da fehlt wie auch beim Solo des Pianisten das expressiv Extrovertierte, das dem Saxofonisten durchaus eine zweite Haut ist. Der Pianist versteht es, perlendes Spiel als Teil der Inszenierung zu präsentieren. Allerdings muss man anfügen, dass Latham zwar keinen Ansatz wie Paul Desmond pflegt, aber dennoch auch einen sanften Fluss umsetzen kann. Das unterstreicht er im letzten Teil des Stücks. Danach reisen wir mit der Band ins Jahr 1944, als der Song „Moonlight in Vermont“ erschien. Kenner wissen, dass u.a. Ella Fitzgerald und Frank Sinatra diesen als Ballade angelegten Song im Repertoire hatten. Auf „Pennies in a stream/Falling leaves of a sycamore/Moonlight in Vermont …“ müssen wir verzichten. Dafür überzeugt das sehr weich gezeichnete Saxofongebläse von Latham. Man hat beim Zuhören den Eindruck, die angestimmten Sequenzen seien durchscheinend. Auch in diesem Stück tritt der Bassist in einem kurzen Solo in den Vordergrund, ehe er vom Saxofonisten mit ausschweifenden Phrasierungen abgelöst wird. Eine gewisse Süßlichkeit ist beim Piano-Bass-Solo nicht zu überhören. Ja, gewiss, der eine oder andere mag das Stück auch als Schnulze ansehen.
„Hallo Señor“ knüpft im Duktus an den vorherigen Track nahtlos an. Sehr lyrisch breitet der Pianist sein Tastenspiel aus. Da vernehmen wir ein sanftes Rinnen und sehen vor unserem geistigen Auge kleine Wasserstrudel, die in Kaskaden übergehen. Solistisch agiert nachfolgend der Bassist, der sein Saitenspiel durchaus an das anlehnt, was zuvor der Pianist dargeboten hat. Ab und an sind dessen kristalline Setzungen im Hintergrund auszumachen. Verwirbelungen verdichten sich nachfolgend, wenn der Drummer agiert und die Schlagstöcke über die Felle der Trommeln tanzen lässt, begleitet von stetem Blechrauschen. Und dann, ja dann greift Latham zu seiner Bassklarinette, die teilweise so klingt, als wäre es eine Oboe. So hat man den Eindruck. Oder tauscht er gar zwischen Klarinette und Saxofon im schnellen Wechsel? Bisweilen meint man das. Eine kehlige Bruststimme ist es, die wir wahrnehmen, ein eher seltener Klang in einem klassischen Saxofon-Quartett, oder? Und auch in „Ezzthetic“ setzt sich das sonore Klarinettenspiel teilweise fort. Hierbei muss man wirklich an Paul Desmond denken, der seinem Altsaxofon gelegentlich einen Klarinettenklang „eingeimpft“ hat. In einigen Passagen scheint es zudem harmonische Anlehnung an den Klassiker „Take Five“ zu geben. Und auch wenn Latham wieder zum Saxofon greift, erlebt man einen sehr schönen Klangfluss, der auch dem „Poeten des Altsaxofons“ Paul Desmond sehr am Herzen lag. Wer den sonoren Bassklang einer Bassklarinette schätzt, der kommt bei dem Track „Dee Song“ voll auf seine Kosten. Dabei fällt auf, dass der Bassist nahtlos in die Fußstapfen des Klarinettisten tritt, während anschließend der Pianist weich verspielte Linien erklingen. Mit „Hi There!“ setzt das Quartett den Schlussakkord eines Albums, das sich zwischen Post-Bop und Post-Cool-Jazz zu bewegen scheint. Auf alle Fälle ist das Album ein willkommener Hinhörer, auch weil nun mal die Bassklarinette eher selten zu einem Jazz-Quartett gehört. Dessen Mitglieder haben Raum genug, sodass rotierende Soli möglich sind, auch für den Drummer!
© ferdinand dupuis-panther
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https://theloniousrecords.bandcamp.com/album/fire-waltz
Ivan Zagni | Steve Garden - Trouble Spots
Rattle Music
Zwei Musiker haben sich für dieses Album zusammengetan, beide mit unterschiedlichen Biografien. Der Gitarrist und Komponist Ivan Zagni stammt ursprünglich aus Norwich (GB) und ist nun in Neuseeland heimisch geworden. Zagni arbeitete mit nachstehenden Bands und Musikern zusammen, so mit Jody Grind, Big Sideways und Avant Garage sowie Aynsley Dunbar, Elton Dean, Don McGlashan und Peter Scholes. Zu Beginn seiner musikalischen Karriere war er im Rock und Pop verwurzelt. Chicago Line Blues Band mit Patto, Tim Hinkley und Louis Cennamo war eine der Bands, mit denen Zagni auftrat. In der 1970er Jahren war er Chorleiter an der St John the Baptist Cathedral. Da augenscheinlich mehrere Herzen, musikalische Herzen, in seiner Brust schlugen, hat er aber auch stets Avantgardemusik betrieben: Zu nennen sind unter anderem das Album „Three's Company“ mit Saxofonist Elton Dean (Keith Tippett Sextett/Soft Machine) oder The Electric String Trio mit Phillipp Wachsmann und Marcio Mattos und schließlich der Auftritt mit Keith Tippett's Arc.
1980 ließ Zagni sich in Neuseeland nieder und arbeitete wie auch bei dem vorliegenden Album mit Steve Garden zusammen. Dieser wiederum ist Toningenieur, Drummer und Mitgründer sowie alleiniger Manager von Rattle Music. Garden ist mit diesem neuseeländischen Label seit mehreren Dekaden verbunden. Über das aktuelle Album in Zusammenarbeit mit Ivan Zagni und den Anfängen von Rattle Music in Kellerräumen und einem Waschhaus in Auckland äußert sich Garden wie folgt: “And the attitude behind that recording and a lot of the work we did in the basement helped shape the thinking for a record label. ...The idea of not being bound by genre and making a virtue of not knowing where you’re going, improvising, trusting your instincts…” (Zit. nach RATTLE ECHO: rediscovering the past).
Aufgemacht wird das aktuelle Album mit „Cat and Mouse“, gefolgt von „Arkin Dahba d'Geehan“, „4 for 2 Bob, Yes?“, „Elbow Room“, „Punch and Judy“ sowie „Beirut“. All diese Tracks sind nicht extensiv ausgebaut, sondern kurz, eher als musikalische Schnipsel oder Klang-Hörspiele zu begreifen und teilweise auch als Noise Music zu charakterisieren. Ob der Begriff Neue Musik passend erscheint, sollten die Hörer für sich entscheiden. Nachhaltig ist der Eindruck einer stark perkussiven Ausrichtung der Stücke, die von prägnanter Improvisation leben. Teilweise ist Vokales zu vernehmen, auch rezitierte Texte und Textfragmente kommen vor. Diese erscheinen als wichtige Nachrichten oder auch Botschaften, wenn auch teilweise als kryptisch anzusehen.
Zu hören sind außerdem noch Tracks wie „Nicaragua“, „Double Circle“ und abschließend „Ekaroros“. Die Melange von einer Art A-Capella-Gesang und hartem Drumming ähnlich wie bei einem Ensemble von Trommlern, die japanische Röhrentrommel mit Schlägeln bearbeiten, ist vor allem für das zuvor genannte Schlussstück charakteristisch.
Doch nun zum Anfang: „Cat and Mouse“ lebt von Rasseln und tiefen Trommelschlägen. Nervöses Trommelspiel trifft auf ein schrilles Trompetensignal, das wie Achtung klingt. Synth oder E-Piano fragt man sich bei den nächsten Klangeinspielungen, die zwischen Tieftönigkeit und schriller Lautmalerei driften. Verstetigtes Drumming trifft nachfolgend auf einen verhaltenen Klangrausch. im Off. Dann endet das erste Stück und geht über in das nächste, bei dem man an rauschendes Wasser ebenso denken muss wie an Walgesang, der dank eines traditionellen Blasinstruments der Maori erzeugt wird. Kindergebrabbel nehmen wir wahr. Kurzes Dingdong begleitet uns im weiteren Verlauf ebenso wie der angenommene Walgesang, der sich zu Sirenengesang erweitert. „Arkin Dahba d'Geehan“ lautet der Tracktitel und man fragt sich als Hörer, um was es dabei geht. Neues Stück, neuer Höreindruck, dank Vibrafon und Vogelpfeife sowie sonorem Gesang: „4 for 2 Bob, Yes?“. Gewisse musikalische Redundanzen sind nicht zu überhören, ebenso wenig zufällig aufgenommenes Stimmengewirr, so als habe man das Stück auf einer belebten Straße unter freiem Himmel oder bei geöffneter Studiotür eingespielt. Bei „Brian Tries“ vernehmen wir mahnende Worte wie „Brian, careful“ und dazu huscht ein Schlägel über die Klangstäbe eines Vibrafons. „Very good, Brian“ und „Come on, Brian“, sind weitere Sprachfetzen, die ans Ohr des Zuhörers dringen. „Up, up“ und ein Vibrafonzwischenspiel folgen. Wer wird eigentlich konditioniert? Und wer ist Brian? Ein Pferd, ein Hund, ein Kind? Und wozu dient die Erziehungsdressur? In einem eher an Fusion angelehnten Flow muss man bei „Elbow Room“ denken. Dabei vermischen sich augenscheinlich Synth oder Keyboards mit auffrischendem Drumming sowie Klarinettenschwall Und was erzählt uns eigentlich die männliche Stimme, die sich über die dramatisch ausgerichtete Musik legt? Gegen Ende tritt eine musikalische Entladung auf, derweil der männliche Sprecher schweigt.
Mittelalterliche Musik oder was – das fragt man sich bei „Punch and Judy“. Beim Hören muss man an Brueghels Genre-Gemälde denken. Deutlich zu identifizieren sind Blasinstrumente, die nach Schalmei, Tröte, Drehleier und Krummhorn klingen, oder? Können wir bei „Beirut“ arabische Kunstmusik mit Oud erwarten? Hören wir mal rein: Nein, eine Oud ist nicht zu hören, aber ein leicht verfremdete E-Gitarre, die auf eine akustische Gitarre trifft. Oder lauschen wir einem verstärkten persischen Hackbrett? Im Hintergrund hören wir ein Stimmengewirr, so als wäre die Aufnahme unter freiem Himmel entstanden. Und das Ende ist auch wenig orientalisch anmutend: Nachhaltig hallt eine E-Gitarre, die uns an das Schlagen einer Turmuhr erinnert. Wie bei „Beirut“ müssen wir auch bei „Nicaragua“ umdenken. Nein, südamerikanische Folklore gibt es nicht, wenn wir auch einer Volksweise lauschen, partiell jedenfalls. Hier und da muss man auch an einen traditionellen Volkstanz denken. Vereinen sich dabei nicht klassische Gitarre und Synth?
Was uns die beiden Musiker vortragen, ist eine unerwartete Klangcollage, die so gar nicht in ein Schema passt. Ein gewisser Eklektizismus ist der Musik dabei durchaus eigen.
© ferdinand dupuis-panther
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https://rattle-records.bandcamp.com/album/trouble-spots
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NAM Trio – 3 Mikes
EP
Improvisierte Musik ist das, was das neuseeländische NAM Trio auszeichnet. Es ist ein seit geraumer Zeit bestehendes Projekt des Pianisten Nigel Patterson, des Kontrabassisten Aaron Stewart und des Drummers Mike Jensen.
Kurze Bio von Nigel Patterson
Nigel Patterson ist in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington zuhause. Studiert hat er Jazzpiano am Massey University Conservatorium. Er war in der Vergangenheit nicht immer in Jazzgefilden unterwegs, sondern auch mit The Side Effects, einer fünfköpfigen Garage-Surf-Band . Auch mit The Chandeliers, einem im psychedelischen Rock beheimateten Trio, war Patterson zu hören. Zu seinen herausragenden kompositorischen Werken gehört „Evolution“, ein Stück für 17 Instrumentalisten. Dafür wurde er mit dem “Best Fringe Music Award” ausgezeichnet. Zu erwähnen ist zudem, dass er zur Reggae-Dub-Band The Black Seeds gehört, die extensiv in Australien, Europa und den USA tourte. Jüngst veröffentlichte diese Band ihr viertes Studioalbum “Solid Ground”, das die Charts in Neuseeland stürmte. Eine weitere Band von Patterson ist das “The Nigel Patterson Trio”, das 2007 auf dem Wellington International Jazz Festival zu hören war.
„3 Mikes“ heißt es zu Beginn der EP. Weiches Besenwerk trifft auf dunkle Bassschritte und einen Pianisten, der sich zunächst auf Klangzäsuren beschränkt, ehe er dann in einen gewissen Flow kommt, ohne dass sein Spiel Momente der Klangverwässerung aufweist. Perlende Sequenzen sind auszumachen, die aber nachhaltig von einer distinkten Basshand begleitet werden. Und da ist ja auch noch der Bass, der für die Bodengründung sorgt, auch wenn das, was Nigel Patterson spielt nicht im Begriff ist, klanglich davon zu schweben. Ab und an scheint auch ein wenig Melancholie durch, auch wenn dies nur eingestreute Momente sind. Ansonsten hat man eher den Eindruck von einer hellen Farbigkeit, von Licht und Glanz, von Frühlingsgrün und Himmelblau, gleichsam das Licht des Nordens, wie man dieses in Gemälden der sogenannten Haager Schule findet. „Alice“ kommt zu Beginn so daher, als würde ein Harfenspieler in seine gespannten Saiten greifen und die Finger über diese sanft streichen lassen. Die kristalline Färbung, die der Pianist verantwortet, trifft auf das Erdfarbene des Bassisten, der uns gleichsam dunkle „Klopfzeichen“ sendet. Leichtfüßigkeit ist eine treffende Charakterisierung für die Piano-Sequenzen, während für den Bassisten und dessen Spiel der Begriff der inneren Gefasstheit und Ruhe angemessen erscheint. Im Verlauf des Stück meint man auch, man höre aus diesem eine Verbindung zu klassischen Etüden heraus. Aber wie bereits eingangs gesagt, fasziniert das „Arpeggio“ des Pianisten, der einem Harfenspieler in nichts nachsteht. Wie in einem expressionistischen Gemälde fügen die drei Musiker Farbfleck an Farbfleck, wenn auch nicht auf der Palette gemischt, sondern aus dem „Zauberkasten des Klangs“ entsprungen.
„Aeolian Interlude“ macht mit großer Geste auf. Darin verbinden sich Bassist und Pianist. Das hat schon die Anmutung neoromantischer klassischer Musik. Dabei lassen Nigel Patterson und Aaron Stewart eine stete Meeresbewegung mit einem kleinen Malstrom entstehen. Man denke an das beeindruckende Meeresgemälde von Gustave Courbet, das eigentlich nur die Nahaufnahme einer einzigen Meereswoge zeigt und den Titel „Stürmische See oder Die Welle“ trägt. Zum Schluss hören wir „Sparkling Water“. Gleich zu Beginn nimmt Patterson das Bild von plätscherndem Wasser ebenso auf wie Stewart, jeder auf seine Weise. Mal rinnt das Wasser, so der Eindruck, stetiger, löst sich in feine Tropfen auf. Für dieses Hörbild folge man aufmerksam Pattersons Tastenspiel. Bei Stewart hingen scheinen dicke Wassertropfen auf Steinflächen zu schlagen, scheint sich ein „Rinnsal“ langsam über den Boden zu verteilen. Man kann im übrigen beim Zuhören das Bild von einem Wasserspiel mit Fontänen im Kopf haben. Solche Spiele dienten einstmals im höfischen Umfeld der Unterhaltung. Erwähnt seien in diesem Kontext die „Wasserspiele“ von Schloss Hellbrunn bei Salzburg. Da ließ der Schlossherr auch Fontänen aus den Steinbänken emporschießen, auf denen seine Gäste Platz genommen hatten. Vergnüglich war das nur für den Schlossherren, den Fürsterzbischof von Salzburg!
© ferdinand dupuis-panther
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https://namtrionz.bandcamp.com/album/3-mikes-ep
http://mikejensendrums.weebly.com
https://davidgreermusic.co.nz/artist-profiles/nigel-patterson/
Saffron – Unwind
Rattle Music
Zu hören sind auf diesem Album Hayden Chisholm (saxophone, sruti box, throat singing), Norman Meehan (piano), Paul Dyne (bass) und Julien Dyne (drums). Bei „Saffron“ handelt es sich um das dritte Album des Quartetts bei Rattle Music. Chisholm ist kein unbekannter in der Jazzszene in Deutschland, hat dieser neuseeländische Saxofonist doch in Köln studiert. Dieses Studium war dank eines Stipendiums des DAAD möglich. Seine weiteren Studienzeiten führten ihn nach Japan und Indien. 1995 entwickelte er für sein Saxofonspiel ein neues mikrotonales System, das er "split scales" nennt und erstmals für die CD "Circe" einsetzte. Hervorzuheben ist neben der intensiven Bühnenpräsenz weltweit auch die kompositorische Arbeit für Installationen von Rebecca Horn.2013 erhielt er für das 13 Box Set "13 Views of the Heart's Cargo" den SWR Jazzpreis. Zwei Jahre später war er Artist in Residence in Moers und eröffnete das dortige Jazzfestival, das sich weitgehend mit improvisierter Musik befasst. Chisholm kuratiert das jährliche Plushmusic Festival in Köln und Bremen. Zurzeit, so steht es auf der Homepage des Saxofonisten, lebt er in Belgrad (Serbien). Andere Musiker des Quartetts leben in Neuseeland, so Paul Dyne und der aus Montreal(Kanada) stammende Julien Dyne. Der Pianist Norman Meehan ist von Neuseeland in die USA emigriert, nachdem er jahrelang an der New Zealand School of Music und der Massey University in Wellington unterrichtet hatte. Neben Unwind gilt Meehans musikalisches Augenmerk der Vertonung von Lyrik nachstehend genannter Poeten E. E. Cummings, Hone Tuwhare, James K. Baxter, Eileen Duggan, Alistair Te Ariki Campbell und David Mitchell.
Die Ruhe des Morgens und des Abends „besingt“ das Quartett mit „Morning and Evening Calm“, ehe es dann um die weißen Nächte („White Nights“) geht; ein Fingerzeig auf die sogenannten weißen Nächte in St. Petersburg, fragt man sich bei diesem Tracktitel. Zu hören sind zudem,„Gabriel“, das vom Titel her sakral anmutende „Nearer, My God, to Thee“ sowie „Saffron“, eine Komposition des Pianisten von Unwind. Schließlich endet das Album mit „Kada Budem Umro“, einer von Chisholm arrangierten traditionellen serbischen Volksweise, und „Koan for Pete“.
Der Klang der Shruti Box, dem Klang eines Harmoniums nicht unähnlich, bildet den musikalischen Humus für die Phrasierungen Chisholms. Spielt er ein Altsaxofon in den Anfangspassagen, fragt man sich. Ohne Frage pflegt er bei dem Spiel von „Morning and Evening Calm“ einen sehr weichen, sanften Ansatz. Man kann sich bei den melodiös ausgerichteten, fein gesetzten Linien gut vorstellen, dass die morgendliche Ruhe evoziert wird und dabei Raum für Nachdenklichkeit und Kontemplation schafft. Ähnliche musikalische Ansätze wie Chisholm beschreitet auch Meehan, der ein sehr lyrisches Tastenspiel darbietet, begleitet vom Bassisten, der hier und da seine Akzente setzt, gleichsam als stiller Begleiter am Morgen und am Abend. Und dann tritt Chisholm zu den beiden hinzu und haucht seinem Holzbläser sanften Atem ein. Nach der Morgen- und Abendstille genießen wir „White Nights“: Gleich einer sprudelnden Quelle zeigen sich Pianist und Saxofonist im Spielansatz. Es ist eine Art Klangrausch, in den wir eintauchen. Dynamisches steht im Vordergrund. So wie Bach die Felsen in seiner Mitte umströmt, so umströmen Chisholm und Meehan in ihren Ausdrucksformen das gegebene Thema. Kann man da nicht mit viel Fantasie am Sternenhimmel auch zuckende Sternschnuppen vorbeiziehen sehen? Möglich ist das? Vor allem ermöglicht die präsentierte Musik Einkehr und Besinnung. Es gibt keine Aufwallungen, keinen Ausbruch, keine Farbexplosion. Gedämpft kommt die Musik daher. Passend dazu wären helle Pastelltöne, mit denen man weiße Nächte auf Büttenpapier bannt, oder? Mit großer Sensibilität agiert Paul Dyne in seinem Basssolo, ein „Solo der Stille“, und wenn nicht das, dann der leisen Töne.
In der Eröffnung von „Gabriel“ erleben wir den Pianisten und Bassisten Hand in Hand, ehe dann Chisholm in dem Duktus zu hören ist, wie zuvor in „White Nights“. Beim Zuhören meint man Tau und Nebel läge über der Landschaft, die Meehan im Sinn hatte, als er das Stück komponierte. Nur der Titel ist nicht in Kongruenz zu dem verwendeten Bild. Wenn man sich von diesem löst, so erlebt man ein Stück, das ein Hohelied der Langsamkeit singt. Meditation statt Geschäftigkeit scheint die ausgegebene Lösung von Unwind. Entschleunigen ist ebenso ein Begriff, der passend die Musik des Quartetts erfasst. Und das gilt nicht allein für diesen Titel!
Im Gegensatz zur Annahme, dass sich hinter „Nearer, My God, to Thee“ ein Stück mit Psalmcharakter verbirgt, ist die Musik sehr temporeich gesetzt, scheinen sich Bassist, Schlagzeuger und Saxofonist in ihrem Bestreben des Vorwärtsgehens zu beflügeln. Nur sind diese Momente, die auch Eile und Geschäftigkeit zum Ausdruck bringen, nicht von A bis Z präsent. Liedhaftes setzt beispielsweise Chisholm im weiteren um. Dabei hat man dann die Vorstellung, er spiele einen getragenen Gospel, ohne enthusiastischem Hallelujah und Hosianna. Auch die beim Singen von Gospeln in afro-amerikanischen Kirchengemeinden durchaus vorhandene religiöse Ekstase ist nicht vorhanden. Eher ist Blues, klassischer Blues aus dem amerikanischen Süden mit im Spiel, wenn das Stück seine Fortsetzung findet.
Um Safran geht es auch auf dem vorliegenden Album. „Saffron“ stammt aus der Feder des Pianisten, der allerdings entgegen der möglichen Erwartung die musikalische Regie dem Saxofonisten überlässt, der sich feintönig äußert. Beinah zerbrechlich mutet an, was Chisholm da spielt.Insgesamt ist diese Komposition wohl von allen Stücken des Albums am stärksten lyrisch ausgerichtet. Dabei wird durchaus auch die Schwere des Seins zum Ausdruck gebracht. Balkanova oder nicht? Das ist die Frage bei „Kada Budem Umro“. Nein, überbordende Tanzmusik bei einer Roma-Hochzeit ist es nicht, die wir hören, auch wenn sich das Spiel von Nathan Meehan so anhört, als würde ein ungarisches Hackbrett mit im Spiel sein und die Musik des Csardasfürsten blitze auf. Kann man nicht auch Assoziationen mit dem einen oder anderen „Slawischen Tanz“ von Antonin Dvorak haben, jedenfalls im ersten Teil des Arrangements? Im zweiten Teil fühlt man sich eher an Post-Bop erinnert. Da muss man an „Round Midnight“ und Artverwandtes denken oder an Dexter Gordon und Charlie Parker, oder?
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://rattle-records.bandcamp.com/album/saffron
http://haydenchisholm.net
http://normanmeehan.co.nz
https://nzmusician.co.nz/features/61812-2/
Set list
01 Morning and Evening Calm [N. Meehan] 7:40
02 White Nights [H. Chisholm] 7:01
03 Old Ocean [P. Dyne, J. Dyne, H. Chisholm, N. Meehan] 1:10
04 Gabriel [N. Meehan] 5:18
05 Nearer, My God, To Thee [Sarah Adams, arr. H. Chisholm] 6:10
06 November 3rd [N. Meehan] 5:32
07 Almond-Eyed Aristocrat [P. Dyne, J. Dyne, H. Chisholm, N. Meehan] 1:17
08 Saffron [N. Meehan] 5:26
09 Kada Budem Umro [Trad., arr. H. Chisholm] 6:41
10 Koan for Pete [N. Meehan] 6:20