Jazz from Down Under #2: Angus Mason / Adam Page / Django Rowe
Various
Wizard Tone Records
Nachstehend werden Veröffentlichungen von Wizard Tone Records (Australien) vorgestellt. Dabei wird dann gewiss deutlich, dass der Anspruch vieler US-Amerikaner, dass Jazz ihre genuine Musik ist, ad absurdum geführt wird. Längst ist Jazz grenzüberschreitend und mondial angesiedelt und so auch zu verorten.
Angus Mason - Flatlands
Angus Mason, ein aufstrebender, noch relativ jungen Jazzdrummer aus der südaustralischen Jazzszene erhielt 2016 den mit immerhin 7500 AUD ausgestatteten Mike Stewart Memorial Award. Sinn und Zweck dieser Auszeichnung ist es, den Start in die Musikerkarriere junger Jazzmusiker zu ermöglichen. Mithilfe des Preisgeldes war es Angus Mason möglich, u. a. ein Album aufzunehmen und in Australien auf Tour zu gehen. O-Ton Angus Mason: “Winning this award means I’ll be able to achieve goals that wouldn’t have been possible without this financial backing. Mike Stewart was a friend and a role model, so winning this award has special significance for me.”
Angus Mason nahm im Übrigen 2018 am Finale der National Jazz Awards teil. Sein Auftritt auf dem Wangaratta Jazz Fest wurde aufgezeichnet – siehe Hinweis unter Informationen. Er stellte Coltranes „Chasin' The Trane“, die Eigenkomposition „Monday Night Dark Ales“ und Jamie Oehlers Komposition „The Burden Of Memory“ vor.
Doch nun zum aktuellen Album „Flatlands“. Dabei muss man wohl den Begriff Outback und den von Never Never für die „Tyrannei der Entfernungen“ denken. All das macht den Fünften Kontinent aus, obgleich der überwiegende Teil der Australier an der Ostküste zwischen Melbourne und Brisbane zuhause ist. Doch die Weite des Landes weitgehend ohne jede menschliche Seele ist es, die Australien vor allem ausmacht. Zu erleben unter anderem bei einer epischen Zugfahrt mit The Ghan von Adelaide nach Darwin und dem Indian Pacific von Sydney nach Perth durch die Nullabor. Und dieser Streckenabschnitt ist gewiss mit dem Begriff Flatlands gut beschrieben!
Auf dem Album arbeitet Angus Mason mit Will Vinson (Alto Sax), James Muller (Guitar) und Sam Anning (Bass) zusammen. Zu hören sind „Songs“ wie „The Mediator“, „Monday Night Dark Ales“ sowie „Introspection“ und „They Shrug“. Mit den Kompositionen „I'll Get By“ und „Seven-Twelve-Thirteen“ klingt das Album aus.
Blechgetänzel vereint sich mit den „Weckrufen“ des Saxofons. Und dann ist es an James Muller ganz eigene Seiten, besser Saiten, aufzuziehen. Beschwichtigend erscheinen die Sequenzen, denen wir als Hörer folgen. Hier und da gibt es klangliche Ausreißer, aber ansonsten folgt Muller einem linearen Klangmodell. Kommentierend äußert sich dazu Will Vinson, wenn der Mediator gefragt ist, wenn es also um Ausgleich und Vermittlung geht. Gitarrist und Saxofonist scheinen Gegenspieler zu sein, die jeder auf seine Art für den Ausgleich sorgen möchten. Angus Mason darf sich beim Eröffnungsstück auch von seiner besten Seite an Fellen und Blechen zeigen. Dabei ist auffallend, wie intensiv die Bleche schwirren. Balladenhaft kommt „Monday Night Dark Ales“ daher. Dabei scheint es so, als ob das Saxofon seine Klangschwingen ausbreitet und den nächtlichen Raum ausfüllt. Die Hektik des Alltags verblasst. Das signalisiert auch Sam Anning mit seinem umbragetönten Bassfluss. Leicht beflügelt geht es mit James Muller durch die Nacht. Hier und da hat man den Eindruck, „Round Midnight“ scheint bei diesem Song in Miniaturfacetten durch.
Durchaus mit Bezügen zu Bebop reloaded kommt „Introspection“ daher. Dabei scheint das Saxofon in seinem Klangfluss zu enteilen und dahinzuschmelzen, derweil ein Tsstss und Ttickttick des Drummers zu vernehmen ist. Das hält auch an, wenn sich James Muller Saitenkaskadierungen widmet, und der Zuhörer bei geschlossenen Augen vielleicht an Paraglider im Aufwind denken kann. „Innenansicht“ sieht anders aus; musikalisch scheint eher von Entfesselung die Rede zu sein.
Zum Schluss heißt es dann „Seven-Twelve-Thirteen“, ein musikalisches Epos, das in sich ruht. Aufgeregtheit ist nicht zu spüren. Nein, wahrlich nicht, Kontemplation scheint auf dem Programm zu stehen. Erdigkeit strahlt der Bass aus, über den sich das Saxofon in Klangschleifen erhebt, so als solle der Lauf der Sonne über einer hügeligen Landschaft vom Aufgang bis zum Untergang nachgezeichnet werden.
Adam Page - Mono
Adam Page ist nicht nur Komponist und Mitbegründer von Wizard Tone Records, sondern auch Multi-Instrumentalist, Produzent und Lehrer, der im südaustralischen Adelaide beheimatet ist. Besondere Aufmerksamkeit erhielt und erhält er bei seinen Soloauftritten mit Looping Performance. Viel Beachtung findet seine Arbeit mit dem Adelaide Symphony Orchestra, dem New Zealand Symphony Orchestra, Orchestra Wellington, Zephyr Quartett und seine Zusammenarbeit mit dem neuseeländischen Komponisten John Psathas, der die Musik für die Olympischen Spiele 2004 in Athen geschrieben hat. Zusammengearbeitet hat er außerdem mit Noel Gallagher, Katie Noonan, Riki Gooch, Jamie MacBen Todd, The Wizard Tone Art Orchestra, und The Adelaide Sax Pack. Er war auf dem Edinburgh Fringe Festival, Sydney International Arts Festival, Wanaka Festival of Lights, Melbourne International Jazz Festivalund dem Wellington International Jazz Festival zu hören.
Adam Page „erzählt“ über „Tiny Apples“, „Smart People“ und „Tiny Toys“, aber auch „Mono“ bringt er zu voller Klangentfaltung. Gleiches gilt für „Dögen“ und „Kevin Bass“. Dank ausgefeilter Loops ist er dabei Alleinunterhalter auf sehr hohem Niveau. Saxofon und Percussion liegen in seiner Hand, Bongos spielt er ebenso wie Keyboards und dazu vernimmt man Funk durchsetzte Gitarrenriffs. Sein Saxofon lässt er dank Loops mit sich selbst in einen Dialog treten. Dazu vernimmt man dann auch redundante Keyboardsetzungen, jedenfalls bei „Tiny Apples“. Hi-Hat wird obendrein beigemischt, ganz abgesehen von einem raschelnden Shaker. Auch ein E-Bass ist mit im Spiel. Doch die klanglichen Akzente setzt Page vor allem mit seinem Tenorsaxofon. Und das Motto lautet augenscheinlich dabei: „Shake your bones!“
Tambourin oder was – das ist die Frage zur rhythmischen Eröffnung von „Mono“, ehe sich dann ein dunkeltöniger E-Bass einmischt. Für das Diskante wird am Vibraphone gesorgt. Souliges und Funk entlockt Page seinen Keyboards. Bisweilen fühlt man sich an die Musik von Fela Kuti erinnert, wenn Page zu seinem Saxofon greift und die Stimme des Holzbläsers verdoppelt und verdreifacht, dank gekonnter Überspielungen und Einspielungen. Und beim Hören vergisst man LesMcCann und Booker T & The MGs, denn es gibt ja Adam Page.
Wer bisher meinte, Fusion und Jazz Rock hätten keinen Sinn für das Tanzbare, der irrt gewaltig. Das Tanzbare ist vielleicht nicht Adam Pages genuine Absicht, aber mit House, Goa und Techno kann der südaustralische Multi-Instrumentalist auf alle Fälle mithalten.
Beat-Box vermischt mit Keyboard-Klang und Bassgebrumme machen Teile von „Kevin Bass“ aus. Das ist so gar nicht verstaubt, lässt sich nicht von Bop-Tradition oder Jazz-Rock der 1970er Jahre leiten, sondern sucht neue Pfade, die auch die Generation Rap und Hip-Hop anspricht. Ist da gar ein Sopransaxofon über den Basswellen zu hören oder ist es doch ein Altsaxofon? Kristalline Klangfolgen entlockt Page seinem Rhodes (?). Selbst Vokales, sprich Lautgesang jenseits von Scat Vocals, bindet Page in seinen „Song“ ein. Nicht allein in solchen Momenten muss man vielleicht an Rockbands wie ELO und Alan Parsons Project denken, oder?
Bei „Dögen“ dringt orientalischer Flötenklang an unser Ohr. Ist es eine Ney oder eine Bansuri, die wir hören? Zu den fein gewirkten Klangbildern vernehmen wir ein sehr nachhaltiges dumpfes Drumming, das auch einer Rahmentrommel entstammen könnte, und dazu wurde perkussives Geraschel angefügt. Meditatives und auch ein wenig New Age scheinen sich zu vermischen. Nah- und Fernöstliches scheinen „Bruderschaften“ einzugehen.
Mit „Tiny Toys“ beschließt Adam Page seine „informellen Klanggemälde“.
Django Rowe - To Be Born
Wenn man so will, befasst sich die vorliegende EP des Gitarristen Django Rowe mit dem Prozess des Wandels, beleuchtet Phasen der Metamorphose, folgt der Entwicklung einer Person, die am Ende die Welt mit anderen Augen betrachtet als zu Beginn der „Verwandlung“. Das klingt auf den ersten Blick nach Franz Kafka, oder? In einem O-Ton äußerte sich Rowe zu seiner Musik wie folgt: „For this E.P., which the sound I imagined would be an amalgamation of folk and jazz, with a brooding and dark cinematic edge, I was lucky enough to record with some of my absolute favourite musicians and good friends. … Without them the album would have had a very different feel. I am incredibly grateful to Kyrie, Dylan, Adam and Lauren for bringing their creative energy, sensitivity and fire to this music.“
Dabei sind die erwähnten Freunde und Mitmusiker nicht auf allen Tracks zu hören, sondern nur auf ausgewählten. Das gilt für den Bassisten Dylan Kuerschner, den Drummer Kyrie Anderson, dem Saxofonisten Adam Page und der Vokalistin Lauren Henderson, die nur an „I Surrender“ beteiligt war.
Zu Gehör gebracht werden uns Songs wie zur Eröffnung „To Be Born“, gefolgt von „Some Kind of Life“ und „Death's Ending“. Der Schlusspunkt wird mit dem Song „Maple Dance“ gesetzt.
Sich entwickelnde Dramatik steht am Beginn von „To Be Born“. Dabei verschränken sich sonore Gitarrenklänge mit dem Rascheln des Schlagwerks und den schwebenden Klangströmen des Saxofons. Das Makramee von Gitarre und Saxofon begleitet uns. Phrasierungen verschränken sich. Scharfe Zäsuren werden gesetzt. Im Gleichfluss der Gitarre entfaltet der Bassist Dylan Kuerschner seine in Siena und Ocker gefärbten Klangtropfen. Weite suggeriert das, was wir von Django Rowe vernehmen. Man sollte dabei nun nicht unbedingt an das Outback im sogenannten Roten Zentrum Australiens denken, auch wenn die Musiker vom Fünften Kontinent stammen. Klangliche Windhosen vermeinen wir im Weiteren zu vernehmen. Mit Post-Bop-Anlehnungen kommt Adam Page auf seinem Holzbläser daher. Seine Stimme trägt, fordert Raum, begleitet von der Melange schwirrender und flirrender Bleche.
Zarte Weichzeichnungen des Klangs machen „Some Kind Of Live“ aus. Dabei setzt Django Rowe Schummerungen und Schraffierungen, die man aktuell bei anderen Jazz-Gitarristen suchen muss. Mit einer gewissen Melancholie und in Beschaulichkeit gefangen erhebt Adam Page seine Stimme, wenn das Saxofon ins musikalische Geschehen eingebunden ist. Doch dieser Eindruck verschwindet, wenn sich Django Rowe zu Wort meldet. Zudem ändert auch Adam Page seinen Duktus. Das Stück erhält Frische, lässt in einer melodischen Gouache eine bestechende Farbpalette aufscheinen.
Kristallene Obertöne verhallen bei „I Surrender“ fast im Off, ehe dann Lauren Henderson ihre Stimme erhebt: „When teardrops dry I surrender ...“. Hendersons Stimme ist voll, gehaltvoll und mal keine der üblichen Singer-Songwriter-Stimmchen, die im Sopran Töne nicht halten können und durch gebrochenes Kieksen auf sich aufmerksam machen. Die Begleitung des Gesangs ist „minimalistisch“ angelegt und beschränkt sich auf fein gedrechselte melodische Klangwaben, die dem Gitarristen zu verdanken sind.
Zum Schluss tanzen wir den „Maple Dance“. Doch wie sieht wohl ein „Ahorn-Tanz“ aus. Hüpfend eher als schreitend? Im Takt vorwärts- und seitwärts springend? Mit und ohne Drehungen jenseits von Pirouetten? Von all dem ist im melodischen Fluss des Stücks etwas enthalten. Der Tanz ist nicht erotisch-feurig wie ein Tango, sondern eher einem Jive gleichend, ohne in dessen Duktus gefallen zu sein. Auch der Tieftöner kommt bei diesem Song mal so richtig in Bewegung und verlässt seine Bodenhaftung. Ausgelassen agiert Kyrie Anderson an Toms und Blechen. Doch irgendwann ist es dann an Django Rowe, das Tänzchen zu beenden.
Texte © ferdinand dupuis-panther – Die Texte sind Public Commons!!
Informationen
Wizard Tone Records
https://www.facebook.com/wizardtone/
http://www.adampage.com.au/
https://djangorowe.bandcamp.com/
Siehe auch Teil 1 der Besprechung zu Jazz aus Australien
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/various/jazz-from-down-under-1/