GAM Music presents

Various
GAM Music
Bruno Castellucci / Jeanfrançois Prins – Blue Note Mode / Ulli Jünemann, Jasper van’t Hof, Jeanfrançois Prins / Ulli Jünemann
Bruno Castellucci – Legacy
In Belgien ist der italo-belgische Drummer Bruno Castellucci kein Unbekannter. Seit sechs Dekaden ist der Autodidakt Castellucci weltweit zu hören. Zu denen, mit denen er die Bühne teilte, gehörten Toots Thielemans, Peter Herbolzheimer, Jan Akkerman, Jaco Pastorius, Chet Baker, Herbie Hancock, Quincy Jones, Stan Getz, John Scofield, Dizzy Gillespie, Dianne Reeves, the Count Basie Big Band, Freddie Hubbard, Kenny Wheeler und Astor Piazzola, fürwahr eine Art „Who’s who“ der Jazzszene vergangener Jahrzehnte. Zu seinem 80. Geburtstag hat er eine Art musikalisches Vermächtnis eingespielt, dabei auf Kompositionen von Pat Metheny, Antonio Carlos Jobim, Dave Brubeck, Jaco Pastorius und George sowie Ira Gershwin zurückgegriffen. Zudem sind Kompositionen seines musikalischen Begleiters Jeanfrançois Prins, so „Futbol“ und „What?“ sowie als Schlussstück „Fragile“ von Sting auf dem Album enthalten.
Man kann also von einer bunten Klangmischung sprechen, die uns die Musiker rund um den Schlagzeuger Castellucci präsentieren. Um es vorwegzunehmen, Castellucci drängt sich nicht auf, sondern agiert sorgsam und mit Augenmaß, gibt Klangräume für die Band frei, vor allem für die Weichzeichnungen und Klanggouachen des Gitarristen Jeanfrançois Prins. Aufmacher ist „(It's Just) Talk“(Pat Metheny). Breitet sich bei diesem Song nicht auch ein gewisses südamerikanisches Flair aus? Geschuldet ist dies gewiss dem gekonnten Zwiegespräch zwischen dem Pianisten und dem Gitarristen sowie dem entsprechenden Rhythmus, den Castellucci an den Tag legt. Lauscht man den Sequenzen des Gitarristen, so macht dieser deutlich, dass seine Wurzeln auch und gerade in der Tradition der Jazzgitarre begründet liegen. Und diese repräsentieren Joe Pass, Jim Hall und Barney Kessel in besonderem Maße. Prins scheint diesen Granden in nichts nachzustehen, wenn er in jeder Phase seines Spiels die Schönheit der Melodie zutage fördert. In die umtriebigen Fußstapfen des Gitarristen tritt nachfolgend der Pianist des Ensembles. Und noch etwas ist zu konstatieren: eine gewisse Beschwingtheit. Bisweilen schwebend und dahinziehend sind die Passagen des Gitarristen. Hier und da zieht der Pianist einige „Klangpflöcke“ ein, um das Spiel zu erden.
Vor einem der „Legenden“ des brasilianischen Jazz verneigt sich das Ensemble um Castellucci mit „Chovendo Na Roseira“ (Antonio Carlos Jobim): Getragen und einer Ballade ähnelnd kommt das Stück daher. Folgt man den Melodielinien, die Prins skizziert, dann meint man, man habe den Zuckerhut im Blick und lasse sich von einem warmen Wind sowie dem Rauschen des Atlantik einfangen. Letzteres kann man sich gut angesichts der dahingleitenden Klanglinien vorstellen, die der Pianist Vincent Bruyninckx verantwortet.
Mit „Three Continents“ hören wir eine Komposition von Bruno Castellucci und vom belgischen Pianisten Michel Herr, ehe dann „In Your Own Sweet Way“ (Dave Brubeck) auf dem Programm steht. Was erleben wir in „Three Continents“? Mistral? Scirocco? Mediterranes, aber keineswegs Samba oder Rumba als die klassischen Musikformen Lateinamerikas. Die Saitenklänge fliegen dahin, sind „sonnendurchtränkt“. Und dazu gesellt sich der Pianist mit einem energieaufgeladenen Tastenspiel, das uns an Wellenkämme und -täler denken lässt. Im Duktus passt sich „In Your Own Sweet Way“ ausgezeichnet in das bisherige Songarrangement ein. Historisch sind wir in den späten 1950er Jahren und hören einen Jazzsong, der vielfach interpretiert wurde, u. a. von Miles Davis, Chet Baker und Wes Montgomery. Und nun lebt der Song von dem sensiblen Schlagwerk Castelluccis, der auch in einem Solo zu hören ist, sowie vom Zwiegespräch zwischen Gitarristen und Pianisten. Mit „Body and Soul“ stellt uns die Band um Castellucci einen weiteren Standard vor. Und wie bei anderen Standards verzichten die Musiker auf dem vorliegenden Album auf den Songtext. Wer diesen hören will, sei u.a. auf die Einspielung von Amy Winehouse und Tony Bennett verwiesen. Statt dessen genießt man dank der vorliegenden Instrumentalversion die feinen Gitarrensetzungen und das perlende Tastenspiel des Pianisten.
Mit „What?“ und „Futebol“ hat sich Jeanfrançois Prins mit eigenen Werken auf dem Album verewigt. Voller Dynamik kommt „What“ daher. Wüsste man nicht, von wem der Song stammt, hätte man auch durchaus Brubeck und Co. als Schöpfer annehmen können. Bewegung, Bewegung, Bewegung – das suggerieren gelegentlich die Klanglinien. Und diese werden auch durch das Solo des Pianisten und durch das feine Beckenspiel Castelluccis unterstrichen. Kurz ist das solistische Schlagwerksolo von Castellucci, das in die Komposition wie ein Zwischenspiel eingebunden ist. Und nun kommen wir schließlich zu „Futebol“ mit eingängigen Latino-Rhythmus. An Fußball denkt man weniger als viel mehr an feurige Tänzer und Hüftschwünge, na ja vielleicht auch bei Castelluccis federleichtem Drumming an Flanken und Dribblings – und dann wären wir allerdings beim Thema Fußball. Als fulminanter Schlussakkord ist dann Stings „Fragile“ zu hören, mit Catherine Castellucci als Vokalistin, ein stimmliches Gegenstück zu dem Gesangspart im Original von Sting und mit einem schönen Jazztouch im Timbre!
© ferdinand dupuis-panther 2025
Musicians
Bruno Castellucci / drums
Jeanfrançois Prins / guitar
Vincent Bruyninckx / piano
Bo Waterschoot / bass
Catherine Castellucci / vocals (on track #14)
Tracks
1. (It's Just) Talk (Pat Metheny) 6:02
2. If I Should Lose You (Ralph Rainger) 4:45
3. Chovendo Na Roseira (Antonio Carlos Jobim) 5:01
4. Three Continents (Bruno Castellucci/Michel Herr) 3:53
5. In Your Own Sweet Way (Dave Brubeck) 4:48
6. Fifth Ave. (Jeanfrançois Prins) 5:30
7. Body and Soul (Johnny Green) 4:58
8. It Ain't Necessarily So (George and Ira Gershwin) 5:47
9. Three Views of a Secret (Jaco Pastorius) 5:43
10. Tik Tok Tak (Paolo Loveri) 3:14
11. What? (Jeanfrançois Prins) 4:01
12. The Day I Left (Bo Waterschoot/Paul Morvan) 4:15
13. Futebol (Jeanfrançois Prins) 6:40
14. Fragile (Sting)
Jeanfrançois Prins – Blue Note Mode
Zum Album ist Nachstehendes zu lesen: „Jeanfrançois’ purpose was not to try and recreate the masterpieces of the past, but rather to pay tribute to so many of his heroes, and to present music as a 21st century jazz musician, who grew up to love modern jazz which grooves deeply, and is food for the body and soul, as well as for the brain. A large majority of those legendary recordings of the 60s and beyond were created in the Van Gelder studio. Having grown up in his mother’s record store, and with a three-generation veneration for (and production of) jazz, Prins felt like making a public love declaration for those countless masterpieces….“.
Intention des Albums ist es mithin, den Spirit des legendären Labels einzufangen, das zwei jüdisch-deutsche Migranten gegründet hatten, die von Jazz fasziniert waren. Um das zu realisieren hat der nunmehr in Brüssel lebende Gitarrist folgende Musiker um sich geschart: „A real dream team: a quartet with himself on guitar (and vocals on one song), Danny Grissett on piano, Jay Anderson on bass, and E.J. Strickland on drums, plus two guests: Jaleel Shaw on alto sax and Jeremy Pelt on trumpet.“ So lesen wir es im Presstext zum Album. Dieses Album wurde 2024 veröffentlicht, u. a. anlässlich des 85. Jahrestages der Gründung des Blue Note Labels.
Im Gegensatz zu den Aufnahmen des Gitarristen Jeanfrançois Prins mit Bruno Castellucci (drums) und Ulli Jünemann (sax) lebt das vorliegende Album mit den Adaptationen von Be Bop, Hard Bop und Modern Jazz vor allem von den Bläsern, die als Gäste zu den Aufnahmen geladen waren. Der belgische Gitarrist bestimmt die Klangfärbungen mit, aber eben nur mit und nicht in Dominanz. Mit den oben genannten Musikern tauchen wir tief in die Geschichte des Jazz nach 1945 ein, tauchen in die Szene ein, die von Clubs wie dem Village Vanguard geprägt waren. Und auch in Europa gab es in diesen Jahrzehnten angesagte Jazz-Clubs, ob in London, Paris oder Berlin.
Eingezählt wurde zu Beginn und dann erleben wir den Blue Note-Modus mit volltönigem Gebläse und akzentuierten Pianoklängen. Im Verlauf nimmt der Pianist auf, was die Bläser zuvor angestimmt haben. Das hat hier und da auch eine Note Funk. Da springen die Klänge hin und her, gibt es obendrein ruhende Klangmomente. Und dann dringt ein Trompetenklang nachhaltig an unser Ohr. Das ist als schrill, aufreizend, aufdringlich und kein Stückchen leise zu charakterisieren. Ja, dann hat auch der Gitarrist in „Blue Note Mode“ seinen solistischen Moment, paraphrasierend das zuvor gehörte Thema. Kommentierend agiert der Pianist, der so klingt, als wolle er mal Kommata und Semikolons setzen, um das Thema zu strukturieren. Rauschende Schlagwerkwirbel wechseln sich mit kurzen Trompetensequenzen ab. Übrigens, hier und da scheint auch die Musik von Cannonball und Nat Adderley nicht sehr weit entfernt, oder?
Mit einer Gitarreneröffnung macht „Our Prayer for Peace“ auf. Überbordendes Schlagwerkspiel tritt zum Saitenspiel hinzu. Besengewische oder was? Vom Charakter her erscheint das Stück als Ballade, und Prins agiert als der Erzähler auf den gebundenen Saiten. Was wird besungen? Frieden? Oder doch eine abendliche Idylle ohne Hektik des von Konflikten bestimmten Alltags? Die Passagen, die Prins solistisch vorträgt, fließen dahin und scheinen endlos. Von der Stimmung her könnte so mancher Zuhörer seinen „Blues“ bekommen, liegt doch in dem Stück auch ein wenig Schwermut, oder?
Ja, richtig gelesen, der Song heißt nicht „Blue Sea“, sondern „Blues Sea“. Wir tauchen mit dem Saxofonisten und dem Gitarristen in ein „Gefühlsmeer“ ein. Sehr hörenswert ist im Übrigen das eingebettete Solo des Altsaxofonisten, teilweise sonor, teilweise aber durchaus „dunkel und kehlig“ gestimmt. Dezent sind die Gitarrenbegleitung und die Basskommentare bei dieser Soloeinlage.
„Ornette-Lee“, gleichsam eine Verbeugung vor Lee Konitz und Ornette Coleman, weist durchaus im Kern klassische Blues-Passagen auf, zumindest in der Eröffnung. Im Weiteren entwickelt der Gitarrist eine beeindruckende Dynamik im Spiel, ganz abgesehen von seinen Mitspielern. Und ansonsten vernehmen wir Klänge, die uns an die Granden des Blues wie B.B. King – reloaded oder was? - erinnern. Übrigens, dass ein Saiten-Virtuose sich vor zwei Legenden des Altsaxofons verneigt, scheint durchaus nicht selbstverständlich. Auch der Bassist darf sich unter all den zu hörenden Schlagwerkschauern an seinem Tieftöner solistisch abarbeiten. Kurze Schlagwerksoli wurden ins Stück integriert, jeweils im Dialog mit dem Gitarristen und Pianisten.
Sehr konzertant erscheint die Klaviereröffnung in „Diana“. Das hat auch vom Charakter her etwas Melodramatisches, auch dann wenn der Gitarrist den melodischen Faden weiterspinnt, die Tonfülle seiner Saiten ausreizend. Begleitet wird er dabei hintergründig vom Pianisten des Ensembles, der sein variables Plink-Plink gestaltet und zudem auch langwellige Passagen zum Besten gibt, durchaus dabei die Basshand aktivierend.
Gänzlich in die Welt von Freddy Hubbard, Cannonball Adderley und sonstiger bekannter Jazzgrößen tauchen wir ein in „Daahoud“. Welch akustischer Hochgenuss ist dabei das Solo des Trompeters! Tänzerische Tastenschritte dringen an unser Ohr, aber auch das kraftvolle Gebläse nebst Schlagwerkwirbel, ehe dann das Thema durch den Saxofonisten aufgegriffen wird. Man meint, dieser würde uns sagen wollen: „Genießt das Leben; es ist schön.“ Und auch „Round Midnight“ – man genieße die klanglichen Weichzeichnungen des Gitarristen - fehlt auf dieser Hommage an den Jazz vergangener Jahrzehnte nicht, als der Jazz eben noch neben Rock’n Roll und früher Popmusik bestehen konnte und in der E-Musik seinen Platz hatte. Schließlich singt der Gitarrist mit einem ähnlichen Timbre wie Chet Baker zum Schluss auch noch: „Too Late Now“. Es ist ein schöner Ausklang in Erinnerung an die Blütezeit von Blue Note als Label!
© ferdinand dupuis-panther 2025
Musicians
Jeanfrançois Prins on guitar
Danny Grissett on piano
Jay Anderson on bass
E.J. Strickland on drums
Jaleel Shaw on alto sax
Jeremy Pelt on trumpet
Tracks
1. Blue Note Mode 05:56
2. I'm Movin' On 06:02
3. Our Prayer for Peace 08:40
4. H and C's Dance 09:17
5. Blues Sea 06:53
6. Ornette-Lee 06:51
7. Diana 08:49
8. J Mood 05:30
9. Daahoud 05:24
10. Round Midnight 08:46
11. Move or Be Moved 04:10
12. Too Late Now 02:57
Ulli Jünemann, Jasper van’t Hof, Jeanfrançois Prins
– Three for All
Nein, eine stoffliche CD ist nicht auf dem Markt. Wer diese Einspielung des Trios hören will, kauft einen Download-Code und brennt sich den „Silberling“ selbst. Stofflich CDs zu produzieren, rentiere sich nicht, so der Saxofonist Ulli Jünemann auf Nachfrage. Eigentlich müsste dann jede CD etwa 35 Euro kosten, damit sich die Herstellung und der Vertrieb rechnen, so der Saxofonist anlässlich eines Release-Konzerts während der Emsdettener Jazztage 2025.
Das Album „Drei für Alle“ ist ein farbenreiches Mosaik der Zusammenarbeit zwischen Ulli Jünemann und Jasper van 't Hof und zugleich das Ergebnis von über 25 Jahren einer großartigen musikalischen Freundschaft. Es ist ein Trio-Album ohne Bass und ohne Schlagwerk, insoweit schon eine Besonderheit. Ausgewogen und in Balance ist das, was wir auf dem Album zu Beginn hören. Da stellt sich keiner der drei Musiker exponiert in den Fokus. Das Dialogische steht im Mittelpunkt, insbesondere zwischen Ulli Jünemann und Jasper van’t Hof in den Stücken „Thirds“ und „Three for All“, mit denen das Album aufmacht. Ohne Frage, die Stimme des Saxofonisten ist durchdringend und in einem steten Auf und Ab zu vernehmen. Lyrisches Klavierspiel wird dazu gesetzt. Dabei hat Jasper van’t Hof durchaus auch das Diskant im Blick. Und der Gitarrist Jeanfrançois Prins überzeugt durch seine sensiblen Saiten-Additive, nicht nur zu perlenden Klavierklängen. Die Stimmungen, die beide Stücke vermitteln, lassen an einen lauen Sommerabend am Kai einer kleinen Hafenstadt denken, an dümpelnde Schiffe im Licht der untergehenden Sonne, durchaus Idylle am Abend, so wie wir sie aus den Gemälden des romantischen Malers Johan Christian Dahl kennen.
„Such Grace“ (comp Jeanfrançois Prins), teilweise in Gestaltung ein Singer-Songwriter-Song, lässt uns wegen der feinen Verwebungen zwischen den Klangelementen der drei Musiker aufhorchen. Aus diesem gemeinsamen Gewebe kristallisiert sich dann ein Pianosolo heraus, in stetem Fluss und mäandernd, perlend und mit Bass-Stimmung hier und da. Auf die „Vorlage“ von Jasper van’t Hof steigt dann der Gitarrist ein und entwickelt das Stück weiter, beinahe etüdenhaft. Glockenhell erhebt sich schließlich die Stimme von Ulli Jünemann, wohl Sopransaxofon spielend. Liedhaft erscheint das, was an unsere Ohren dringt, von ein wenig Melancholie durchtränkt.
„Blues for Mr Gone“ (Ulli Jünemann) steht ebenso auf dem Programm wie „Silent“ (Ulli Jünemann). Schließlich kommt der Saxofonist zumindest im Titel seiner Komposition auf die Dreier-Bindung des Trios zu sprechen: „We Three“ (Ulli Jünemann). Sind die Stücke nicht in gewissem Grad als Post-Bop zu begreifen? Zudem muss für „Blues for Mr Gone“ angefügt werden, dass sich hier das diskante Saitenspiel mit den Piano-Akzenten bestens zu einer Melange verbindet. Wie in anderen Stücken des Albums löst sich das Trio in ein Duo und zu Solopartien auf, agiert van’t Hof an seinem Tastenmöbel so, als gelte es das Bild der Schneeschmelze und des Eisbruchs an einem Bach musikalisch einzufangen. Diesen saisonalen Umbruch hat auch der Saxofonist in seine Sequenzen aufgenommen, scheint uns zu signalisieren, dass der Frühling naht. Auch wenn die Komposition „Silent“ ( Stille) heißt, so gibt es keine Stille, sondern getragene, lyrische Klangcollagen. Und den Schlussakkord bildet „Dream Beach“ (Jasper van't Hof). Fazit: Ein Album mit Momenten der Kontemplation und unter Verzicht von Effekten und aufwändigem elektronischem Schnickschnack. Und das ist eine Wohltat!
© ferdinand dupuis-panther 2025
BANDCAMP
Musicians
Ulli Jünemann / alto sax, soprano sax, electronics
Jasper van ‘t Hof / piano, keyboards
Jeanfrançois Prins / guitar
Tracks
Thirds (Jasper van't Hof) 6:38
Three for All (Ulli Jünemann) 8:40
Such Grace (Jeanfrançois Prins) 6:29
Blues for Mr Gone (Ulli Jünemann) 5:33
Silent (Ulli Jünemann) 13:45
We Three (Ulli Jünemann) 8:43
Dream Beach (Jasper van't Hof) 7:07
Ulli Jünemann – City Nights
Mit diesem Album, das auch nur im Download mit entsprechendem Code zu erwerben ist, lebt der Klang der Hammond B3 und die entsprechende Ära des Jazz wieder auf, erinnert sich der Zuhörer an Jimmy Smith, Jimmy McGriff und Joey DeFrancesco. Und das, obgleich der Pianist Jean-Yves Jung keine historische Hammond B3 mit Leslie spielt, sondern eine moderne Orgel, die den Klang der ursprünglichen B3 nachahmt und dank digitaler Technik auf die Leslie verzichten kann.
Einige Aufnahmen wie „Three for All“ und “Ornette-Lee“ sind bereits auf anderen Alben – siehe oben - zu hören gewesen und nun aktuell in einer Quartett-Version, einer basslosen Quartett-Formation. Eröffnet wird das Album mit dem Titel „City Nights“. Schläge werden gesetzt, feine Gitarrenlinien zum Klingen gebracht, durch den Organisten wird ein Klangteppich ausgebreitet. Vom Duktus her ist man in der nächtlichen Stadt, die Alltagsenergie verloren hat. Vereinzelt sind Nachtschwärmer unterwegs. Hier und da kehrt Ruhe ein. Entspannung suggeriert der Gitarrist mit seiner Saiten-Passage. Oder symbolisiert sein Spiel, das ewige Funkeln der Neonlichter der Großstadt? Nein, eher das funzelige Licht der Straßenlaternen und die grelle Schaufensterbeleuchtung, wie sie zum Beispiel Lesser Ury in „Nächtliche Straßenszene Berlin“ auf Leinwand für die Nachwelt hinterlassen hat. Durchdringend sind die Klangschraffuren, die Ulli Jünemann zum Thema beisteuert. Dabei scheint er dann auch die Schar der Spätheimkehrenden im musikalischen Blick zu haben, oder? „Maybe Not“ setzt im Duktus „City Nights“ fort. Wir hören dichte Klangfäden, die Ulli Jünemann für uns spinnt. Wie ein hochfloriger Teppich, in dem man beim Laufen einsinkt, klingt das, was der Organist vorträgt, immer mit ein wenig Funk und mit viel Groove vorgetragen. Und der „Erzähler“ Jeanfrançois Prins trägt mit seinen auf Blues eingestellten Gitarrenbildern vortrefflich zum Ganzen des Stücks bei.
Aufgenommen wurde u. a. auch ein Standard wie „It Ain't Necessarily So“ mit brillantem Wechselgesang von Saxofonist und Gitarrist. Letzterer lässt im Übrigen die Finger über die Saiten tanzen und vermittelt dabei auch ein wenig Blues-Stimmung, abgesehen von praller Lebensfreude. Klangmomente reihen sich aneinander, erscheinen wie bunte Steinchen, die zu einem Gesamtmosaik zusammengefügt werden. Der Altsaxofonist Ulli Jünemann zeichnet Klangkurven und reizt dabei die Klangbreite seines Holzbläsers aus. In das musikalische Geschehen greift auch der Organist Jean-Yves Jung ein. Ihm verdanken wir brillante „Klangfächer“. Und Bruno Castellucci sorgt für die rhythmischen Zäsuren hier und da. Ein besonderer Hinhörer sind die Verknüpfungen zwischen den Phrasierungen des Saxofonisten und des Gitarristen.
Bossa, aber mit gemächlichem Tempo, erleben bei „C'est Pas Bossa?“. Dabei ist es Ulli Jünemann, der ganz wesentlich die Färbungen des Stücks bestimmt, auch wenn der Organist für klangliche Abwechslungen und Farbwechsel sorgt. Wäre da nicht der Bossa-Rhythmus, den Bruno Castellucci stringent durchhält, von Latino-Esprit, der an unsere Ohren dringt, könnte man nicht sprechen. Irgendwie scheinen die Melodielinien uns erneut eine weitere „Nacht in der Stadt“ nahezubringen. Zugleich fühlt man sich, als wäre man zu nächtlicher Stunde in einer angesagten Cocktail-Bar, in der zum Tanz aufgespielt wird.
Dass ein Gitarrist durchaus ein brillanter Vokalist sein kann, unterstreicht Jeanfrançois Prins in „I Fall in Love too Easily“. Er ist dabei ja nicht der erste Jazzinstrumentalist, der sich auch als Vokalist hervortut. Man denke dabei an einige Aufnahmen des Trompeters Chet Baker, so „My Funny Valentine“! Und auch Louis Armstrong hat immer wieder mit seiner rau-gebrochenen Stimme für Furore gesorgt, nicht nur in „What a Wonderful World“.
An eine beliebte TV-Serie „Black Beauty“ knüpft Ulli Jünemann mit seinem gleichnamigen Stück an, das auch für das aktuelle Album eingespielt wurde. Mit „You Won't Forget Me“ setzt das Quartett um den Saxofonisten dann den Schlusspunkt. Fazit: Das Album verknüpft vortrefflich die Brillanz eines Saxofon-Quartetts mit der eines Orgel-Quartetts!
© ferdinand dupuis-panther 2025
BANDCAMP
Musicians
Ulli Jünemann / alto sax
Jeanfrançois Prins / guitar, vocals
Jean-Yves Jung / Hammond organ
Bruno Castellucci / drums
Tracks
1. City Nights 06:33
2. Maybe Not 06:53
3. Central Park South 05:57
4. Blues for Mr. Gone 05:22
5. Three for All 07:14
6. It Ain't Necessarily So 08:33
7. C'est Pas Bossa? 05:53
8. Johnny Young 06:06
9. I Fall in Love too Easily 06:5
0. Ornette-Lee 06:11
11. Black Beauty 06:53
2. You Won't Forget Me 06:18