A kind of Soul and Blues #1
Various
Blackbird Music / Ozella Music / ACT
B3 / Peter Alderton / Ida Sand
B3 – New Songs, Old Socks
Blackbird Music
Der Name B3 steht für das Trio folgender Musiker: Andreas Hommelsheim (keys), Ron Spielman (voc, g) und Lutz Halfter (dr). Die Pandemie erzwang, dass das eigentlich als Quartett bekannte Ensemble zum Trio wurde. Warum und weshalb ist schnell skizziert: „Mit ihrem vierten Album „New Songs, Old Socks“ melden sich B3 zurück und präsentieren sowohl neue Songs als auch ältere Stücke in neuem Gewand, musikalisch beheimatet zwischen Blues, Rock und Jazz. Keyboarder Andreas Hommelsheim, Gitarrist/Sänger Ron Spielman und Schlagzeuger Lutz Halfter veröffentlichten zuletzt 2017 den Langspieler „Get Up! Live at the A-Trane“. Pandemiebedingt musste die Band ihre Aufnahmepläne für 2020 verschieben und ohne ihren französischen Bassisten Gérard Batrya auskommen."
Kurzerhand übernahm Hommelsheim den Basspart an der E-Orgel, experimentierte dafür intensiv mit neuen Sounds und Effekten. Die Musik arrangierte er für ein Trio und erweiterte den Bandsound im Studio um einen Chor, bestehend aus Ingrid Arthur (Weather Girls), Monica Lewis-Schmidt (Sarah Connor) und Simon Paterno (The Voice of Germany). Außerdem konnte er Percussionist Rhani Krija (Sting, Keziah Jones) sowie Musical-Sängerin Veronica Appeddu (Tanz der Vampire) für einige Songs auf dem neuen Album gewinnen.“ So lesen wir es im „Waschzettel“ der Plattenfirma zur aktuellen Platte.
Satt aufgezogener HammondB3-Klang und eine wimmernde Gitarre dringen ans Ohr des Zuhörers, wenn „Despair“ erklingt. Singt da nicht Sting fragt man sich, sobald Ron Spielman seine Stimme erhebt, teilweise begleitet von einem Studiochor, dessen Mitglieder oben aufgeführt sind. Der Song atmet den Zeitgeist der späten 1970er und 1980er Jahre, ist von Funk und Soul durchzogen und erinnert wie gesagt and Sting bzw. Police mit Wah-Wah und stimmlicher Chorgewalt. Jene kannte man einst vom Motown und Philadelphia-Sound, lange ist es her. Sehr fein gewebt sind die Gitarrenpassagen, ganz im Stil von R&B – wahrlich ein akustischer Leckerbissen. Bisweilen kann man beim Hören Clapton, Beck und Bonamassa vergessen, oder? „Life Isn’t That Hard“ changiert zwischen Pop, der in die Beine geht, und „Shaft“-Anmutungen. Der Song lebt ähnlich wie „Despair“ vor allem von den Stimmen Ron Spielmans und der Chorsängerinnen. Wie schon im vorherigen Stück bestimmt der Gitarrist die Klangfärbungen, während der Tastenspieler eher ein steter Begleiter im Hintergrund ist.
Synth oder nicht – das fragt man sich zu Beginn von „Maria, Maria“. Die Verschränkungen zwischen Gitarrensequenzen und Keyboardbegleitung sind hier sehr sensible abgestimmt. Gerade bei diesem Stück scheint Sting gesanglich sehr präsent. In den melodischen Schraffuren und harmonischen Melangen muss man an Stings „Mariposa libre“ denken. Wenn dann Andreas Hommelsheim solistisch zu erleben ist, dann ist da nicht der klassische Hammond-Klang zu vernehmen, sondern eher verwischte Synthschummerungen. Nachfolgend geht es um „Fake News“: Ja, dann ist auch das Hammond B3 Teil eines musikalischen Mix Pickles, das sehr stark rhythmisiert daherkommt. Hier und da meint man, man erlebe Eric Burdon reloaded, oder? Ohne Frage, das Stück hat wenig mit klassischem Blues gemein. Das tut dem Stück keinen Abbruch, zumal uns Spielman an einem sehr ausgereiften Gitarrensolo teilhaben lässt. Da kann man mit Fug und Recht behaupten, die Gitarre jammere, wimmere, jaule. Blues frei Haus wird mit „Trio Blues“ geliefert. Beim Hören kommen Erinnerung an John Mayall, Alexis Korner oder Luther Allison auf. Übrigens, das Trio präsentiert mit diesem Stück eine rein instrumental eingespielte Nummer, bei der die Bandmitglieder auch ihren Raum zur solistischen Entfaltung bekommen. Dabei scheint Andreas Hommelsheim zwischen Rhodes und Hammond zu wechseln. Abschließend noch eine Bemerkung zu „I Am Crazy“: Hier und da scheint der Geist von Cream und Hendrix präsent. Doch sobald Spielman seine Stimme erhebt und vom Chor begleitet wird, verschwindet dieser Eindruck. Rhythmisch und harmonisch scheint das Stück eher im Soul verwurzelt. Irgendwie kam dem Berichterstatter auch die Musik von The Temptations in den Sinn, als er das Stück verfolgte.
© ferdinand dupuis-panther
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Pete Alderton – Mystery Lady
Ozella Music
Über Pete Alderton liest man unter anderem: „Der in Paderborn lebende Blues-Sänger präsentiert mit einer hohen Improvisationsfreude, aber auch mit Hommagen an die verstorbenen Blues legenden Robert Johnson, Willie Dixon und Son House. Doch im Singer-/Songwriter-Genre ist Alderton mindestens ebenso zuhause, das bewies er nicht nur mit großartigen Leonard-Cohen- und Bob-Dylan-Interpretationen, sondern auch mit eigenen Stücken, die mal ganz persönlich herüberkamen und dann wieder gesellschaftskritischen Drive hatten.“
Für die Einspielung des Albums hat sich der Gitarrist und Sänger Alderton den Vokalisten und Drummer sowie Gitarristen Carsten Mentzel an seine Seite geholt. Beide interpretieren nicht nur mit neue Frische „Cocaine“ und „House of the Rising Sun“, sondern auch eigene Stücke wie „Mystery Lady“ und Hellbound Train“. Mit der "mysteriösen Lady" macht der Bluesbarde aus Paderborn sein aktuelles Album auf. Das gibt es keinen elektronischen Schnickschnacklos, keine verstärkte und modulierte E-Gitarre, nein, alles ist handgemacht, akustisch und unplugged sozusagen. Stimmlich ist Pete Alderton schwerlich zu fassen. Da scheint ein wenig Leonard Cohen auf J.J. Cale zu treffen, ein wenig Dylan auf Abi Wallenstein und doch auch wieder nicht. Pete Alderton ist schon beim ersten Stück als Erzähler unterwegs, durchaus auch ins Genre Singer/Songwriter driftend. Nachfolgend besteigen wir den musikalischen „Hellbound Train“, teilweise mit gebrochener, rauchiger Stimme vorgetragen. Da ist Country und Country Blues präsent, hört man den Zug stetig über die Gleise rattern. Und wohin geht die Reise? In die Hölle.
Ein wenig sanfter West Coast Rock wurde „Orwell Songs“ beigemischt, oder? Wie andere Songs, die Alderton eingespielt hat, atmet auch dieser Song den Geist von Woodstock. Da mischen sich Blues, Folk und Blue Grass auf ganz eigene Art und Weise zu einem neuen Klangdestillat. Als Klassiker des Blues und Soul gilt „I Would Rather Go Blind* (E.Jordan/B. Foster)“, ursprünglich von Etta James eingesungen und nun von Pete Alderton interpretiert. Zurück geht es in die 1960er Jahre, in die Zeit von Make Love not War. Alderton macht aus dem Stück gleichsam eine Hymne, die den Zeitgeist einfängt. Doch im Kern ist auch dieser Song nur ein Liebeslied, eine tragische zudem mit Zeilen wie: „Something told me it was over / When I saw you and her talkin' /Something deep down in my soul said, 'Cry, girl' / When I saw you and that girl walkin' around …“. Und die im Song eingebettete Melodramatik hat auf Alderton stimmlich auf den Punkt umgesetzt.
An den genannten Klassiker schließt sich mit „Cocaine Lil'“ ein weiterer Klassiker an, den auch Hannes Wader in deutscher Fassung in seinem Repertoire hatte, abgesehen mal von Eric Clapton. Doch keinem geringerem als J. J. Cale ist die Komposition des Songs zu verdanken. Weder an Cale noch an Clapton knüpft Alderton an, sondern versteht es, dem Song eine Frischzellenkur zu verpassen, besonders auch dank des Duettgesangs mit seinem Brother in Arms Carsten Mentzel. Die Interpretation ist eher weich gezeichnet, auch in der Gitarrenbegleitung.
Wer kennt nicht „The House Of The Rising Sun“ und Eric Burdon and the Animals. Jeder, der in den 1960er Jahren angefangen hat, Gitarre zu spielen, kam um diesen Song als Fingerübung für Anfänger nicht herum. Mit sonorer Stimme und einfacher Gitarrenbegleitung entführt uns Alderton nach New Orleans und zeichnet ein Sittengemälde des French Quarter im 19. Jahrhundert. Glücksspiel, Alkohol und Prostitution sind Teil der Geschichte. Die älteste Version des Songs datiert auf die 1930 Jahre, aber populär gemacht hat das Bordell namens Aufgehende Sonne erst die Rockröhre Eric Burdon. Mit „Love Lights A Fire“ wird das Album abgerundet, das uns teilweise in die 1960er Jahre und rund um Woodstock entführt hat, als das Motto galt: „Sex, Drugs and Rock 'n Roll".
© ferdinand dupuis-panther
Infos
http://www.ozellamusic.com
https://www.pete-anthony-alderton.com
Ida Sand – Do you hear me?
ACT
Über die schwedische Pianistin und Sängerin schreibt die Plattenfirma ACT Nachstehendes: „Erdig-markant, Gospel durchdrungen, Blues und Soul durchtränkt: Ida Sand ist die schwärzeste Stimme Skandinaviens. Aufgewachsen mit Kirchenmusik und klassischer Musik ihrer Eltern verfällt sie bald den Stimmen von Soulgrößen wie Stevie Wonder, Donny Hathaway und Aretha Franklin. Später entdeckt Nils Landgren ihr außergewöhnliches Talent. Europäisch sozialisiert und entfernt noch schwarz-traditionsverbunden, offen für Gegenwarts- und Popkultur und dabei individualistisch“ (Jazzpodium), mit Ida Sand präsentiert ACT eine der außergewöhnlichsten weißen europäische Soulstimmen.“ Alle Kompositionen auf dem aktuellen Album stammen aus der Feder der in Stockholm geborenen Vokalistin und Pianistin, die auf dem Album auch an der Wurlitzer zu erleben ist.
Mit dem Begriff „schwärzeste Stimme“ scheint sehr großzügig umgegangen zu werden, liest man den oben zitierten Text. Wenn man Ida Sand hört, dann ist da eben nicht eine Stimme in der Tradition von Ella, von Nina Simone, Tina Turner und Dinah Washington oder Janis Joplin. Sands Stimme ist nicht rauchig, nicht in die Tiefen abtauchend, nicht röhrend, sondern eine zwischen Alt und Sopran anzusiedeln, lagensicher und mit Volumen, aber eher an Joni Mitchell erinnernd. Bisweilen hat man den Eindruck, dass wir Popmusik, teilweise angelehnt auch an Abba erleben, oder? Wem das gefällt, nun gut.
Und noch etwas, beim Stichwort Soul: Bezogen auf Ida Sand darf man nicht Songs in der Machart von Stevie Wonder, Ray Charles, Marvin Gaye oder Otis Redding erwarten. „Don’t Run Away“ scheint mir eine der wenigen Songs des Albums, das vom Rhythmus und dem Gesang her, klassischem Soul am nächsten kommt und zudem auch funkige Schraffuren enthält, vor allem in den Passagen, in denen Goran Kajfeš an der Trompete zu erleben ist; Per Lindvall fügt stampfende und rollenden Beats zur musikalischen Inszenierung bei. Soulig ist dann obendrein auch Jesper Nordenström an der Orgel orientiert.
West Coast trifft … - so heißt es bei „Wasted on the Youth“ und das „Hotel California“ scheint nicht fern, folgt man den melodischen Skizzen, die uns Ida Sand präsentiert. In „Burning“ kommt Ida Sand sehr nahe an die klassischen Soul- und Blues-Barden heran, auch wenn kein Röhren und kein tiefes Timbre in der Stimme der Sängerin vorhanden ist. Und wir sind mit ihr einig: „I am on fire“ … Lauscht man dem Gitarrensolo von Ola Gustafsson, dann scheinen die Allman Brothers obendrein vorbeizuschauen.
Aus dem Off entfaltet sich Orgelklang in „Can You Hear Me Now“. Er verbleibt gleichsam raumfüllend, auch während des Gesangs von Ida Sand. Der Organist hat im Verlauf des Stücks auch die Gelegenheit eines wenn auch kurzen Solos, bei dem man hier und da an Brian Auger denken kann. Wie in anderen Stücken jedoch ist die Gesangsstimme das dominierende Element. Auch das muss man mögen. Wer allerdings mehr Raum für die Entfaltung der Instrumentalisten erwartet, der wird beim Hören leider nicht auf seine Kosten kommen. Kurze Momente psychedelischer Gitarrenklänge erleben wir bei „Sweet Child“. Von den musikalischen Linien ist das Stück ähnlich wie andere in den Fußstapfen von Allman Brother konzipiert, so der flüchtige Höreindruck. Zugleich ist der Song auch Soulfood. An eine Ballade erinnert „Let Go“, durchtränkt auch von einer Prise Phili-Sound, oder? „Go Be With Her“, ein Liebeslied mit Piano-Begleitung von Ida Sand, rundet schließt das Album ab, das weder als Nina Simone reloaded noch Ray Charles reloaded daherkommt, sondern Facetten von gut gemachter Popmusik und gelegentlichem Soul3.0 präsentiert.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
http://www.idasandmusic.com
Besetzung
Ida Sand vocals, piano & wurlizer
Jesper Nordenström organ, keyboard & synths
Per Lindvall drums & percussion
Dan Berglund upright bass & Höfner bass
Ola Gustafsson acoustic & electric guitars
Anders Von Hofsten backup vocals
Goran Kajfeš trumpet
Per “Ruskträsk” Johansson saxophone
Mats Öberg harmonica (guest on “Waiting”)
intro photo © https://pixabay.com