2x Tiger Moon Records
Various
Tiger Moon Records
Subsystem - Drei / Insomnia Brass Band - Road Works
Subsystem – Drei
Wer oder was ist Subsystem? Laut „Selbstauskunft“: „SUBSYSTEM sind Tieftonspezialisten aus dem kreativen Unterholz der Berliner Jazzszene. Charmant und virtuos loten die beiden Musiker die Möglichkeiten von Baritonsaxophon und Kontrabass aus. Die tiefen Klänge der großen Instrumente, sonst selten einzeln gehört, haben in dieser Duobesetzung viel Platz, um sich zu entfalten.“ Es ist schlicht ein Duo mit zwei Tieftönern, zum einen Almut Schlichting am Baritonsaxofon und Sven Hinse am Kontrabass.
Zweimal fordert uns das Duo zu einem Tanz auf. Zunächst geht es um einen „Sonderbaren Samba“, mit dem das Album aufmacht. Im Weiteren hören wir einen Walzer liebender Pinguine, siehe „Vals de los pinguinos amantes de cultura“. Allerdings muss man eher an eine Polka und einen Tanzboden zur schwedischen Mitsommernacht denken als einen schwungvollen Walzer, hört man diesem Stück intensiv zu. Dabei scheint uns die Baritonsaxofonistin mal links und mal rechts herum zu drehen. Irgendwie blitzt beim Hören das Bild von einem Brueghelschen Dorffest vor unseren Augen auf. Rhythmisch durchwirkt erscheint das Stück. Baritonsaxofon und Kontrabass wechseln sich in den Melodie- und Rhythmuslinien ab, bisweilen hört man sie auch in einem Duett. Schnarrend und röhrend ist Almut Schlichting auf ihrem Instrument unterwegs, derweil der Kontrabassist mit flinken Fingern Melodieschraffuren zeichnet. Was die Saxofonistin zu Gehör bringt, das ist der Tanzrhythmus, fordernd und hier und da verstetigt.
Perkussives drängt zu Beginn bei „Horse and Mule“ in den Vordergrund. Das ist wohl dem Kontrabassisten zu verdanken. Zwischen Tenor und Bariton changiert unterdessen Almut Schlichting mit ihrem Tieftöner, den sie melodisch in Szene setzt. Dem Kontrabass fällt dagegen eher die Rolle des Taktgebers zu, dabei in redundanten Strukturen eingebunden. Das Spiel der Saxofonistin ist durchaus rau-kehlig, kurz angebunden, Impulse setzend, über die sich dann das Melodiöse des Kontrabassisten legt. Hier und da muss man auch an Soul- und Funkmusik aus den späten 1970er Jahren denken, wenn man die Musik in sich aufnimmt. Von den Melodieausformungen muss man bei „Dans la Foret de Quinze Platanes“ an eine Moritat, ein Couplet oder ein Chanson denken, vielleicht auch an die Songs der Dreigroschenoper. Die Rollenverteilung ist auch in diesem Stück variabel, denn im vorliegenden Falle vernimmt man das ziselierte Gezupfe des melodisch ausgerichteten Basses und das Saxofon setzt dazu seine Zäsuren, roh, röhrend, angeraut. In der Mitte des Stücks allerdings schwelgt die Saxofonistin in weich gezeichneten Tenorlinien. Das Gebläse ist weniger aggressiv und forsch ausgerichtet, sondern sehr lyrisch ausgeformt. Liedhaftes drängt zudem im Verlauf des Stücks in den Vordergrund.
Beinahe wie ein Gassenhauer, den jeder mitsingen kann, mutet von der Melodiestruktur her der Track „Comadres y compadres“ an. Gelegentlich meint man gar beim Hören, Ähnlichkeiten zum Liedgut von Carl Michael Bellman zu entdecken „Les Abeilles et les Ados“ bildet den Abschluss des sehr hörenswerten Albums.
© fdp2022
https://www.tigermoonrecords.de/
Tracks
1. „Sonderbarer Samba“ — SUBSYSTEM
2. „Tarantula y sapo“ — SUBSYSTEM
3. „Vals de los pinguinos amantes de cultura“ — SUBSYSTEM
4. „Horse and Mule“ — SUBSYSTEM
5. „Dans la Foret de Quinze Platanes“ — SUBSYSTEM
6. „Comadres y compadres“ — SUBSYSTEM
7. „Ballade Nr. 1“ — SUBSYSTEM
8. „Frane Heisenkamp? Has sold his car!“ — SUBSYSTEM
9. „Les Abeilles et les Ados“ — SUBSYSTEM
Insomnia Brass Band – Road Works
Ein Dreigestirn mit Sinn für Tieftöniges und für Schlaflosigkeit – das ist die Band. Namentlich besteht diese aus der Posaunistin Anke Lucks, der Baritonsaxofonistin Almut Schlichting und dem Schlagzeuger Christian Marien. Wer allerdings unter Schlafentzug leidet, bleibt im Dunkeln. Laut O-Ton der Band ist diese und die Musik, die gespielt wird, wie folgt zu kennzeichnen: „Die Musiker*innen jonglieren mit wechselnden Rollen zwischen Rhythmus und Melodie und durchqueren so eine betörende Landschaft aus Free Jazz, Funk, Punkrock und New Orleans Brass Band. Immer, bei jedem Song, ist die Band in Bewegung. Sie spielt quecksilbrige Harmonien, setzt spontane Akzente, lässt melodische Erwartungen zusammenkrachen und generell die Wände wackeln. Und während die Musiker*innen mit allen Wassern der Technik und Tradition gewaschen sind, bremsen ihre verwegenen Ideen niemals ihre Feierlaune.“
Vorhang auf für die Insomnia Brass Band und für das Eröffnungsstück des jüngsten Albums: „Frog Rock“. Ja, etwas Rockiges wohnt dem Stück ebenso inne wie klangliche Wiederholungsschleifen der Posaunistin, die sich auf einen Dialog mit der Baritonsaxofonistin einlässt. Rede und Gegenrede erlebt man, vielleicht auch Vor- und Nachgesang. Der Rhythmus des Stücks lässt kaum einen Hörer still sitzen. Es muss gezappelt werden. Wer sich ein wenig in der Geschichte des Jazz Rocks auskennt, dem wird beim Zuhören durchaus Blood, Sweat & Tears einfallen. Eingedampft und stampfend ist das Stück strukturiert. Headbanging ist möglich, aber nicht zwingend. Doch das, was wir hören, ist eingängig rockig. Warum aber gerade der Frosch rockt, das müsste man die Band fragen. Weiter geht es mit einer Goldhochzeit („Golden Wedding“). Der Duktus gleicht dabei dem Eröffnungsstück des Albums. Ohren auf heißt es für das sehr umfängliche Posaunensolo, das nicht gar so mit Kehllauten auf sich aufmerksam macht wie die Baritonsaxofonistin des Ensembles. Die Posaune klingt eher vollmundig, durchaus mit dunkel gefärbtem Timbre. Und im Hintergrund entfacht der Schlagzeuger ein kleines Feuerwerk begleitet vom Schnurren des Saxofons. Da tanzen die Sticks über die Felle, schwirren Bleche, heißt es Dumdumdumdadumdadum. Hier und da lässt sich röhrend das Baritonsaxofon hören, gleichsam eine kurze Randbemerkung. Und dann geht es zurück ins Thema, das in den Händen der Posaunistin liegt.
„So Dicht Bei Mir“ klingt vom Titel her so, als würden wir ein Couplet von Lotte Lenya zu erwarten haben. Nun ja, wenn die ersten Klänge ans Ohr dringen, hat man eher den Eindruck eines Melodramas, getragen im Duktus und von den Linien her wehmütig und sehnsüchtig ausgeformt. Geht es um Leidenschaften, die Leiden schaffen? Vielleicht. Anklänge an ein Lamento sind durchaus vorhanden, wenn auch nur für kurze Momente. Atemzüge vermischen sich im weiteren mit schrillem Beckenklang und Klappenlauten. Das Stück atmet in diesen Augenblicken eher den Freigeist der Improvisation, ist weniger gebunden. Klang von Ratschen nehmen wir wahr, ebenso gestrichene Becken. Ein Malstrom des Klangs erhebt sich und bricht ab. Dunkeltöniges wird mit Stakkato abgesetzt. Oder setzt die Band ein Inferno klanglich in Szene? Gegen Ende des Tracks erleben wir dann wieder Melodiöses mit Schlussakkord. An die besten Zeiten von Jazz Rock einschließlich United Jazz & Rock Ensemble knüpft ohne Frage „Dreaming of South East London“ an. Dabei verbinden sich ein rockiger Parforceritt mit „Halalimutationen“, oder?
Sehr getragen und mit schleppendem Duktus wird „Sleeping in the Shade of Elephants“ eröffnet. Irgendwie meint man, die Dickhäuter im torkelnden Trott vor sich zu sehen, ständig mit den Ohren wedelnd, dank an die Posaunistin. Zwischen Tenor und Bariton changiert derweil die Saxofonistin. Doch das Bild von süßen Träumen stellt sich nicht ein. Auch an die Gestaltung eines Schlaflieds knüpft der Track nicht an. Und dann geht es ins norddeutsche Städtchen Syke und zwar mit „SykeSykeSyke“. Einen leichten orientalischen Beigeschmack destillieren wir beim Hören heraus. Ansonsten ist die Musik Brassmusik pur, jenseits klassischer Blaskapellen, wie sie auf dem flachen Lande durchaus üblich sind. Humpdamusik gibt es auch nicht auf die Ohren. Stattdessen werden wir von einem differenzierten Gebläse eingefangen, mit und ohne Paukenschlag, besser Schlagwerkfeuerwerk. Außerdem schwingen wir uns auf einen fliegenden Teppich: „Old Magic Carpet“. In Windeseile, so suggeriert das temporeiche Stück, sind wir unterwegs, gleiten durch die Lüfte und genießen die Vogelperspektive. Auffallend ist musikalisch die gebrochene Posaunenstimme und das fulminate Schlagwerkspiel sowie das „Getröte“ des Baritonsaxofons. Klangstrudel wird an Klangstrudel gesetzt. Fallhöhen werden gemeistert. Und auch in diesem Track ist der Schlagwerker solistisch im Fokus. Selten genug ist das auf Einspielungen zu hören. Mit „La Valse Montagne“ wird die spannende Klangreise des „schlaflosen“ Brass-Trios beendet.
© fdp2022
https://www.tigermoonrecords.de/
Tracks
1. „Frog Rock“ — INSOMNIA BRASS BAND
2. „Golden Wedding“ — INSOMNIA BRASS BAND
3. „So Dicht Bei Mir“ — INSOMNIA BRASS BAND
4. „Dreaming of South East London“ — INSOMNIA BRASS BAND
5. „(Speeding Through The) Cabbage Fields“ — INSOMNIA BRASS BAND
6. „Sleeping in the Shade of Elephants“ — INSOMNIA BRASS BAND
7. „Micadoremi“ — INSOMNIA BRASS BAND
8. „SykeSykeSyke“ — INSOMNIA BRASS BAND
9. „Super Constellation“ — INSOMNIA BRASS BAND
10. „No Place for Illusions“ — INSOMNIA BRASS BAND
11. „Old Magic Carpet“ — INSOMNIA BRASS BAND
12. „Wood for Wacky“ — INSOMNIA BRASS BAND
13. „La Valse Montagne“ — INSOMNIA BRASS BAND