Viola Hammer - Places
V
ORF Edition Ö1 Jazz
Orte, tatsächliche oder auch fiktive – wer weiß das so genau – bestimmen das aktuelle Soloprogramm der in Graz beheimateten Pianistin und Komponistin. Biografisch ist die Pianistin in der Steiermark verwurzelt, 1985 erblickte sie im südsteierischen Bad Radkersburg das Licht der Welt. Kindheit und Jugend verbringt sie in einem Teil der Steiermark, der mit Kürbis, Wein und Bärlauch in Verbindung zu bringen ist. Ein Zentrum der musikalischen Avantgarde ist die Gegend gewiss nicht. Das gilt vielmehr für Graz, wo Viola Hammer am Johann-Joseph Fux-Konservatorium eine klassische Klavierausbildung erhält. An dieses Studium schließt sie die Fächer Jazz-Piano und Instrumental- und Gesangspädagogik an der Grazer Kunstuniversität an. Abgerundet wird die Ausbildung mit einem Masterstudium für Jazzkomposition und Arrangement bei Ed Partyka.
Doch Jazz war nicht von Anbeginn die musikalische Leidenschaft der Pianistin: „Meine turbulente Jugendzeit hat mich sehr geprägt. Ich hörte in diesen Jahren eigentlich nur Grunge und Punkrock, und die Musik von Nirvana hat mich emotional so richtig gepackt", so Viola Hammer. Und weiter: „So war es eine Selbstverständlichkeit, dass ich mit meiner ersten Band bei einem Schulfest im Zehnerhaus in Bad Radkersburg vorwiegend Nirvana-Songs interpretierte. Den Jazz entdeckte ich erst viel später. Dahingehend verdanke ich Brad Mehldau sehr viel. Ihm gelingt es auf stimmige Weise jazzferne Einflüsse wie die Beatles, Radiohead oder Nick Drake in seine Kompositionen zu integrieren. Beim Hören seiner Musik erkannte ich nicht nur den Unterschied von tiefer Emotionalität und Kitsch, sondern auch die schier unbegrenzten Möglichkeiten von Crossover-Projekten, die unterschiedliche musikalische Genres, Einflüsse und Ausdrucksmöglichkeiten miteinander verknüpfen." (zit. http://www.kultur.steiermark.at/cms/beitrag/12598403/25711218/)
Man müsste eigentlich im Detail in die Biografie der Pianistin vordringen, um genau bestimmen zu können, wie die Kompositionen zu verorten sind. Im Rahmen dieser Besprechung ist das allerdings nicht möglich. So bleiben Spekulationen über „inner home“ als aktuelle Befindlichkeit oder gar den Ort des Aufwachsens, über „river“ als geografischen Ort wie die Mur oder Drau. Entstammt „beach of thieves“ der Fantasie oder wo liegt dieser Ort? Was ist eigentlich ein „mirrored schoolyard“ und welcher schlechte Traum wird von „light flooded attic“ eingefangen? Mit Viola Hammer unternehmen wir einen Ausflug „in the woods“, stehen am Ende des Pfades („paths end) und erkunden, was es mit „owl's glade“ auf sich hat.
Bereits bei den ersten Tastenklängen, die nichts von belanglosen Klangverwässerungen an sich haben, verdeutlicht sich die klassische Verwurzelung der Pianistin. Da scheinen bei „inner home“ Franz Schubert und Robert Schumann näher als Keith Jarrett oder Oscar Peterson zu sein, sprich das Lyrische und das Romantische sowie Liedhafte. Klangräume füllen sich zwar mit sacht dahinfließenden Linien, aber stets ist dabei eine energieaufgeladene Basshand beigemischt. Verschränkte Linien, einer Doppelhelix gleichend, nehmen wir wahr. Zarte Tönungen in Pastell treffen auf Erdtöne, wie man sie in der Malerei des flämischen Expressionismus findet. Vernimmt man da nicht auch gelegentlich die Stimme der Pianistin als Begleitung?
Rollend und perlend ist das Tastenspiel in „river“. Der Eindruck drängt sich auf, dass uns Viola Hammer auf eine Flussfahrt von der Quelle bis zur Mündung mitnimmt. Wir lassen den Wiesenfluss vor unserem geistigen Auge dahinziehen, schauen auf Felssprünge im Flussbett und auf Wehre, sehen den silbernen Glanz des Flusses im sommerlichen Sonnenschein. Auch kleine Stromschnellen – durch sehr hochtönige Passagen charakterisiert – vermeinen wir zu erkennen. Mit einer Art Stundenschlag macht „beach of thieves“ auf. Kristallin und zerbrechlich erscheinen die anschließenden Sequenzen. Aus dem Off vermeint man eine ferne Singstimme auszumachen, oder? Die Tastensetzungen lassen in ihrem Auf und Ab auch an den Wind denken, der den Sand des Strandes abträgt. Neben dem reinen Klang des Flügels dringen auch weiche Klangeffekte ans Ohr. Also doch nicht reines Klaviersolo?
Kraftvoll ist der Duktus in „mirrored schoolyard“. Dazu gesellen sich Umspielungen, die beinahe an Bach erinnern. Im weiteren Verlauf nimmt die Dramatisierung zu. Rollende Sequenzen ziehen wie akustische Riesenwellen über den Zuhörer hinweg. Und auch in diesem Stück verzichtet Viola Hammer am Ende nicht auf Effekteinspielungen.
Stromschnellen gleichen die Passagen, die wir in „light flooded attic“ hören. Auch an Springfluten fühlt man sich beim Zuhören erinnern. Wie in anderen Kompositionen auch, versteht es Viola Hammer, prägnantes diskantes Perlenspiel mit erdigen Basslinien zu verbinden. Hier und da mag sich der eine oder andere an das Spiel von Erroll Garner erinnert fühlen. Ausuferungen nehmen wir wahr. Man meint, dass hier Wasser über die Ufer tritt, sich ungehindert einen Weg bahnt.
Elektronische Effekte sind auch „in the woods“ vorhanden, Gregor Schenker geschuldet. Weniger an einen dichten Wald als vielmehr an einen aus der Höhe niederschießenden Wasserfall muss man denken, folgt man den melodischen Konturen. Da hört man ein Brodeln, Fließen und Rauschen wilden Wassers, am Ende gar ein nahendes Unwetter. Getragen und beinahe wehmütig kommt „condemned house daher“. Zum Schluss steht dann „paths end“, so als würden sich alle Wege in einem zusammenfinden. Ob damit Viola Hammer ihren bisherigen Lebensweg meint, müsste man sie selbst fragen.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
https://www.facebook.com/events/tubes/piano-grande-viola-hammer/2667913019933547/
www.violahammer.com