Vijay Iyer Trio: Break Stuff
V
ECM Records
Wo die Wurzeln der Musik dieses Trios liegen, wird deutlich, wenn man das Booklet aufschlägt und von Vijay Iyer folgendes Bekenntnis liest: „Thank you to Thelonious Monk, Billy Strayhorn and John Coltrane, who, each in his own way, broke new ground.“ Insgesamt wurden zwölf Kompositionen eingespielt, beginnend mit „Starlings“ über „Chorale“ und „Work“ bis hin zu „Break Stuff“ und „Wrens“. Ist es Zufall oder Absicht, dass sich zwei Titel auf gefiederte Freunde beziehen: Starlings und Wrens, also Stare und Zaunkönige? Und mit dem Stück „Geese“ sind auch die Gänse auf dem Album verewigt worden. „Hood“ ist als ein Tribut an den Detroit-Techno-Pionier Robert Hood zu verstehen und mit „Work" verneigt sich Iyer vor Thelonious Monk.
Also, lassen wir uns ein, auf ein klassisches Jazz-Trio: am Klavier Vijay Iyer, am Kontrabass Stephan Crump und am Schlagzeug Marcus Gilmore. Das Trio beginnt den musikalischen Reigen mit einer „Hymne“ für Stare. Doch da ist kein Schilpen und Zwitschern zu vernehmen. Vijay Iyer stimmt auf dem Klavier eine sehr basslastige Melodielinie an. Diese Basslastigkeit wird noch durch den Kontrabass unterfüttert, derweil man Marcus Gilmore beim Wirbeln auf den Messingbecken vernimmt. Erst etwa bei der Hälfte des Songs hellen sich die Hörfarben auf. Doch nach wie vor ist das Spiel Iyers auf dem Tasteninstrument sehr akzentuiert. Da gibt es kein tonales Geplätscher. Die Linke sorgt für eine wenn auch kaum vernehmbare Basslinie, derweil die Rechte sich der wenig nachklingenden Hochtönen annimmt.
Ein Choral ist ein Choral – das trifft auch auf das als „Chorale“ bezeichnete zweite Stück des vorliegenden Albums zu. Kammermusikalisch ist eine sehr gute Charakterisierung für diese Art des Jazz, die sehr bedächtig daherkommt. Statt des Klaviers könnte man sich auch gut eine Kirchenorgel vorstellen, um „Chorale“ umzusetzen. Im Verlauf des Stücks lauschen wir verspielteren Phrasierungen, die Iyer bestens gelungen sind. Er führt stets Regie. Seine Mitmusiker „sind ihm zu Dienste“ und unterwerfen sich seinem Duktus. Iyer darf im solistischen Spiel brillieren. Da wir gelesen haben, dass „Hood“ einem Pionier der Techno-Szene gewidmet ist, sind unsere Erwartungen an Klang- und Hörfarben des Stücks entsprechend. Ja tatsächlich, die Beats deuten Techno an und auch Iyer nähert sich mit seinem Stakkatospiel dessen, was Techno ausmacht. Wiederholungen und eine geringe begrenzte Farbpalette gehören dazu. In die einfache Strukturierung von „Hood“ fügt sich auch der Bass mit seiner tonalen Beschränkung bestens ein. Dass man sich als Jazzer auch dem Genre Techno nähern kann, ohne zu Effektgeräten zu greifen, also den technischen Zauberkasten zu bedienen, zeigt das Trio auf unnachahmliche Weise – und das ist gut so. „Work“ hingegen ist eine tiefe Verbeugung vor Thelonious Monk und fürwahr Iyer schafft es, mit seinem Spielduktus Meister Monk sehr nahe zu sein. Teilweise meint man sogar, „springende Passagen“ aus Monk-Kompositionen zu entdecken. „Blood Count“ ist ein überaus bizarr klingender Titel. Wie kam wohl Iyer auf „Blutuntersuchung“? Es ist eine Komposition, in der der Pianist solistisch zu überzeugen versteht. Quirlig, nervös und sehr flott im Tempo – das ist die Charakterisierung für den Anfang von „Break Stuff“. Beschwingt geht es weiter. Angesichts der starken, aber sehr einfachen Rhythmisierung ist man beim Zuhören beinahe geneigt, sich stampfend im Takt zu bewegen. Im Gegensatz zu den sonstigen zuvor angesprochenen Kompositionen eröffnet der gestrichene Bass die Komposition „Geese“, ohne den schnatternden Gänsen gleich eine adäquate Stimme zu geben. Das Stück hat übrigens auch so gar nichts von einem Formationsflug kreischender Gänse. Beim Zuhören muss man eher an Begriffe wie „Melancholie“ denken, auch an „Klagelied“. Auch das letzte Stück des aktuellen Albums scheint wenig mit den sehr aktiven, quicklebendigen Zaunkönigen zu tun haben. Der Duktus des Spiels ist sehr behäbig, und das irritiert angesichts des gewählten Titels.
Wer klassische Jazztrios mag und von der Begrenztheit der Hörfarben eines solchen Trios immer noch nicht genug hat, der lege sich das Album zu. Beim Hören kann man entspannen; intensive Kopfarbeit ist nicht unbedingt notwendig, um der Musik zu folgen. Allerdings wurde hier auch kein Smooth-Jazz-Geplätscher eingespielt.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
ECM
www.ecmrecords.com
Musiker
Vijay Iyer
http://vijay-iyer.com/
https://www.facebook.com/vijayiyermusic