Victhamin – triangle
V
alessa records
Was verbindet Victoria Pfeil, Thatiana Gomes und Tzu Min Lee? Sie sind Musikerinnen. Sie bilden ein Trio, ein Trio über Grenzen hinweg, denn die Saxofonistin Victoria Pfeil stammt aus Österreich, Thatiana Gomes, die Bassistin, aus Brasilien, und schließlich die Pianistin Tzu Min Lee aus Taiwan. Und noch etwas: Alle sind Instrumentalistinnen und nicht Vokalistinnen, unter Jazzmusikerinnen eher eine Seltenheit.
Auf der Homepage des Trios lesen wir: „Gespielt werden Eigenkompositionen, die neben Jazz taiwanesische Volkslieder, brasilianische Rhythmen oder Polkabässe zum Vorschein bringen. Es geht weniger um das Herausheben der Unterschiedlichkeit, als um das Finden einer gemeinsamen musikalischen Sprache.“
Nun, der Bandname setzt sich aus Fragmenten der drei Musikerinnen zusammen, zugleich erinnert er auch an das Wort „Vitamin“! Ist die Gleichung also: Ohne Victhamin kein gesundes Leben - Ohne Musik kein gesundes Leben? Lassen wir das mal dahingestellt und lauschen der Musik.
Mit „dafür“ macht das vorliegende Album auf. Frühlingshaft klingt der sehr klassisch angelehnte Song, der von den weichen dahinwehenden Klängen des Saxofons aufgemacht wird. Anschließend schweigt der Holzbläser und nur Piano sowie Bass sind zu vernehmen, beide eher in den tiefen Lagen zuhause. Gehauchte Stimmen sind zu hören. Danach meldet sich ein aufgewecktes Saxofon, das hier und da auch ein wenig nach Klarinette klingt. Rollendes Tastengetöse stößt auf Rhythmusschläge. Losgelöst und unbändig erweist sich das Saxofon. Dessen Spiel gleicht einem im Wind tanzenden Drachen am strahlend blauen Himmel. Gelegentlich scheint auch der argentinische Tango im Anflug zu sein.
Nachfolgend erklingt mit sonorem Saxofonspiel „Fishman“. Energiegeladen, aber auch die leisen Töne suchend, so stellt sich das Tastenspiel dar. Dominanz verbreitet aber Victoria Pfeil an ihrem Holzbläser. Alt- oder Tenorsaxofon ist dabei die Frage. Von den Tieflagen her muss man an ein Tenorsaxofon, vielleicht sogar Baritonsaxofon denken. Wie ein Springbrunnen ergießen sich nachfolgend die Tastentöne, vor allem in den hohen Registern. Dazu hört man einen wiederkehrenden Basslauf. Und wo bleiben Samba, Rumba, Coro und Bossa? Diese Frage stellt sich angesichts der Tatsache, dass auch eine Brasilianerin Teil des Trios ist.
Mit einem gezupften Basssolo eröffnet „like it“. Dazu rieseln feinste Tastentöne, die die Pianistin beisteuert. Eher verhalten ist das Spiel mit den Klappen, das uns die Saxofonistin anbietet. Erdiges nehmen wir wahr. Freudentänze führt das Saxofon dazu auf. Lyrisches trifft auf Episches. Und wo sind das Volksliedhafte und die Polka-Bässe? Eher ins Bluesige driftet das Trio im weiteren Verlauf von „like it“ ab, oder?
Nach den Kompositionen „nehar“ und „BrÖT“ erklingt dann „Nachtentwurf“. „BrÖT“ ist eines der Stücke, das klassische Anlehnungen mit dem freien Geist von Free Jazz verknüpft. Dabei scheint der Pianistin die klassische Komponente am Herzen zu liegen, der Saxofonistin die „freigeistigen“. In „Nachtentwurf“ scheinen sich anfänglich die freie Improvisation und Free Jazz beinahe explosiv zu entladen. Da trifft Stimmgewirr auf „Baritongebrause“. Kommentierend verhält sich das Piano, das Klangstufen offeriert, ehe das Trio dann in eine Art „A capella-Modus“ verfällt und von Solitude singt. Piano und Saxofon vereinen sich im Weiteren zum Gespräch. Dabei scheint das Saxofon die Oberhand zu behalten. „Quiet night“ ist gesanglich zu hören. Doch ruhig scheint die Nacht ja nicht zu verlaufen, eher wohl umtriebig.
„Yalla! Let‘s dance“ muss als Aufforderung verstanden werden. Balkanova scheint nahe zu sein. Pianoflüstern trifft auf Saxofongesäusel – und die Tanzenden rücken näher aneinander, so kann man vermuten. Perkussives wird eingeblendet und dann beginnt das Tänzchen von Neuem. Irgendwie schwingt dann auch noch ein Hauch von Klezmer mit, oder?
Mit „pourquoi pas“ endet das Album. Warum auch nicht? Die Basshand der Pianistin rollt und die Saxofonistin frohlockt in höchsten Tönen. Wird hier zum Reigen gebeten? Perlendes Klavierspiel dringt ans Ohr des Zuhörers. Sind da nicht auch südamerikanische Rhythmen eingestreut worden? Doch dann, dann entäußert sich die Saxofonistin Victoria Pfeil unvermittelt. Anschließend scheint sie sich Klezmerharmonien zu nähern. Warum auch nicht?
Text © ferdinand dupuis-panther - Bandfoto © Marc-Daniel Muehlberger
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