Tuur Florizoone: MixTuur
T
W.E.R.F.
Das Ensemble, das der in Brüssel beheimatete Akkordeonist und Komponist Tuur Florizoone für das vorliegende Album zusammengestellt hat, besteht aus folgenden Musikern: Tutu Puoane (vocal). Aly Keita (balaphon), Chris Joris (percussion). Marine Horbaczewski (cello), Laurent Blondiau (trumpet), Michel Massot (bass tuba, euphonium, trombone), Nicolas Thys (accoustic bass) sowie Wendlavim Zabsonre (drums, percussion). Einem breiten Publikum ist Tuur in Belgien aufgrund seiner Kompositionsarbeit für den Film „Aanrijding in Moscou” bekannt.
Insgesamt wurden acht Kompositionen eingespielt, angefangen bei „Kwa heri“ über „Change“ sowie „Hunt“ zu „Malume“. Der Blick aufs Cover des Albums scheint nahezulegen, dass uns Tuur mit seinen Mitmusikern auf den schwarzen Kontinent entführt, sieht man doch den Torso einer Afrikanerin, deren Oberkörper entblößt ist. Begleitend zum Album spricht das Label De WERF von Tuur Florizoone als einem „Abenteurer und Freibeuter zwischen Jazz und Volksmusik“. Dabei meint der Begriff Volksmusik eher Weltmusik als plumpe Humpdahumpda-Weisen. Dass an dem so ist, kann man beim Hören schnell feststellen. Ganz oberflächlich betrachtet, machen sich die Grenzgänge zwischen den Genres auch in den Titeln der Kompositionen bemerkbar. Kämen sonst Titel wie „Kwa heri“ und „Las tres brujas“ („Die drei Hexen“) zustande? Als ich den letztgenannten Titel las und dann die Musik hörte, musste ich an die Umzüge der Bruderschaften in Sevilla während der Semana Santa denken. Da gellen zwar von den Umstehenden nicht Rufe wie „bruja“ durch die Straßen der andalusischen Stadt, doch der Klang der Bandas der Bruderschaften gleicht dem, was auch Florizoone und Co. zum Besten geben.
Afro-Beats mischen sich bei „Kwa heri“ mit mehrstimmigem Gesang. Dumpf ist der Bass zu vernehmen. Satt lassen sich die Bläser vernehmen, vor allem die Tuba. Oder ist es das Euphonium, das Michel Massot an seine Lippen geführt hat? Zwischendrin hören wir auch durchaus Lyrisches, wenn die Trompete von Laurent Blondiau erklingt, teilweise spitz und schrill gestimmt. Steter Beat liegt unter all den wahrnehmbaren Klangwolken. Nicht zu überhören ist auch das Balafon mit redundanten Tonflüssen. Zarte Töne stimmt Tuur Florizoone auf seinem Akkordeon zum einsetzenden Sologesang an. Cello und Trompete mischen sich ein, getragen, überaus getragen. Zwischendrin gibt es immer wieder auch ein Intermezzo anderer Instrumente, ob Posaune oder Trompete.
„One You Go Black You Never Come Back“ heißt es anschließend. Dabei beginnt Michel Massot auf seinem Horn tieftönig. Das brummt und brummelt, auch ein wenig hintergründig. Dazu gesellt sich auftrumpfend Laurent Blondiau mit seiner Trompetensequenz. Kuhglocken werden geschlagen, auf Felle sausen Handflächen nieder, und die Tuba bleibt beim tiefen Brummen. Heller in der Klangfarbe ist das Balafon, das Aly Keita spielt. Darüber ereifern sich die Bläser kollektiv, auch trillernd und trällernd. Auch lautmalerischer Gesang ist zu vernehmen, teilweise mehrstimmig. So erhält das Stück vom Charakter her auch etwas Songhaftes. Ist es Zufall, dass der Rezensent an Fela Kuti und Osibisa denken musste, als er der Aufnahme lauschte?
„Change“, Wechsel heißt es dann irgendwann auf dem vorliegenden Album. Es ist dabei an Tuur Florizoone über den perkussiven Strukturen von Chris Joris eine anmutige Melodielinie zu legen. Wer bei Akkordeon an Seemannslieder und bayrische Volksmusik denkt, der liegt bei Tuur Florizoone völlig schief. Gewiss nimmt er in seiner Musik auch Elemente des Volkstümlichen auf, aber in verschiedenen Varianten. Zudem liegt er im Wettstreit mit den Bläsern seiner Band sowie der Vokalistin, die alle ihre eigenen musikalischen Farbgebungen durchzusetzen versuchen. Bei „Change“ ist vermutlich das Narrative ausschlaggebend. Eine Geschichte wird erzählt, ohne allerdings ausgefeilte Verse. Das Stück klingt nach Hoffnung, aber auch nach Trauer und Abschied, nach Nähe und Ferne, nach Südeuropa und Afrika.
Vorhang auf für die Jagd, für „Hunt“, sowie für Aly Keita, der am Balafon zu hören ist, wenn das Stück beginnt. Beinahe klingt es so, als wären wir in der Karibik und lauschten der Musik, die auf gestimmten Ölfässern gespielt wird. Flott und sehr stark rhythmisch geht es in dem Stück zu. Das Balafon scheint die Rolle des gejagten Wildes einzunehmen, das Akkordeon die Rolle des schleichenden Jägers. Auch in diesem Stück wird nicht auf Gesang verzichtet, wobei man im vorliegenden Fall wohl von einer Art Scat Vocal reden muss. In die Hörner wird auch gestoßen. Wird mit dem Cello zum Ausdruck gebracht, dass die Beute erlegt wurde? Hören wir da nicht auch den Jagdtriumph und einen Freudentanz, wenn die Bläser zu vernehmen sind?
Mit „Mulume“ schließt die vorliegende Einspielung, wiederum eine Art Cross Over, auch und gerade wegen der sehr europäisch ausgerichteten Instrumentierung, man denke nur an Euphonium, Tuba und Cello. Afrika ist nur durch die perkussiven Passagen und durch das Balafon präsent.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label De Werf
http://www.dewerfrecords.be
Tuur Florizoone
http://www.tuurflorizoone.be/
http://www.dewerfrecords.be/nl/artiesten/tuur-florizoone
Video
https://www.youtube.com/watch?v=TWVoaii3_eM
https://www.youtube.com/watch?v=Af8vXSrwSwo
https://www.youtube.com/watch?v=mNXlJmFcLIM
https://www.youtube.com/watch?v=24UiUS_BkiU