Trip to the Moon: A Traveller's Tale
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Jazzscores CD 003
Jazz aus New Zealand oder „nur“ eine Mischung aus Kraut-Rock, elektronischer Musik und Jazz sowie Improvisation? Das ist die Frage beim jüngsten Album des musikalischen Projekts mit dem Namen „Trip to the Moon“, das „Kind“ des Pianisten Tom Ludvigson und des Gitarristen Trevor Reekie. Neben diesen beiden Musikern hören wir auf dem Album Nigel Gavin (Glissentar) sowie Greg Johnson (Trumpet) und Jim Langabeer (Saxophones). Trevor ist neben den Gitarren auch an Loops und Ebow zu hören, der Pianist Tom bedient bei der Einspielung auch Synthesizer und außerdem hat er sich auch ums Programming gekümmert. Übrigens, Glissenstar ist ein elfsaitiges bundloses Saiteninstrument, das wie eine Gitarre, eine akustische oder eine elektrische, gestimmt sein kann.
Sehr schnell könnte man die Musik des Albums als Nu Jazz kategorisieren oder aber auch als Nu Jazz Rock. Sicherlich ist es Musik, für die auch die Generation U30 zu begeistern sein dürfte. In ihr sind auch Elemente von Hip-Hop, Rap und Techno, wenn auch nicht allzu distinkt, verarbeitet worden. Vor allem bei „Santa Monica Stroll" drängt sich der Eindruck auf, Greg Johnson präsentiere das Stück als eine Hommage an den späten Miles Davis, der sich musikalisch stets sehr innovativ gezeigt hat und sehr offen für Rockmusik, einschließlich einer geplanten und nie realisierten Zusammenarbeit mit Jimi Hendrix!.
Eröffnet wird das vorliegende Album mit dem oben erwähnten Titel „Santa Monica Stroll“ gefolgt von „A Traveller's Tale“ und „Indra's Pearl“. Die Komposition „Industrial“ findet sich außerdem auf dem Album, ebenso wie „A Delightful Fiction“. Mit „Saudade“ wird die Geschichte des Reisenden – so der Albumtitel – abgerundet.
Zwei O-Töne möchte ich an dieser Stelle der Besprechung einfügen, zum einen von Trevor Reekie, zum anderen von Tom Ludvigson: “My musical agenda is to accumulate all the jazz background that Tom is so well-versed in and merge it into the overall sound”, so Reekie, dessen Wurzeln in der Rockmusik liegen. - Von einem anderen musikalischen Hintergrund geht Tom Ludvigson aus, wie er nachstehend ausführt: ”At one point of my life I wasted time collaborating with people who were like myself and we duplicated skills. But here, it’s the other way round. I get deep into my electronic instruments, which I know make unique and interesting sounds and from there it’s a process of refining and re-building it lends itself to musical composition that often ends up in a place that isn’t always jazz and that allows for a wider palette.“
Völlig entrückt und irgendwo über den Wolken schwebend scheint Greg Johnson seine Trompetenkaskaden anzusiedeln. Unterlegt ist sein Spiel von weichen Keyboardsequenzen; teilweise meint man gar, sanfte Flötenklänge wie in höfischer Musik zu vernehmen. Eine konstante Basslinie und ein Synthesizer, der in seinen Linien der Trompete folgt, sind essenzielle Additive der durchaus elektronisch geprägten Musik, in der auch Kammermusikalisches eingewoben ist. Das Rockige ist nie ausgeblendet, aber von elektronischem Musikschwall in den Hintergrund verbannt. Bei „A Traveller's Tale“ schwingt ein Bass in langen Wellen begleitet von Klack- und Klickgeräuschen. Im weiteren Verlauf des Stücks mischt sich ein Saxofon ins Geschehen ein und umgarnt uns mit eher süßlichem Klang. Doch dann, ja dann fetzen Gitarren, wummern Beats für einen Moment, ehe dann wieder die Stimme des Saxofons und auch Geräusche, die an Klänge aus dem Regenwald erinnern, in den Vordergrund streben. Ein satter Klangteppich wandert von links nach rechts, so als würde sich eine gewaltige Welle über uns ergießen. Haben die Musiker in der Folge nicht auch den Versuch unternommen, die Laute von Meeressäugern mit ihren Instrumenten umzusetzen, ehe dann auch Melodielinien zu hören sind, die in Vorderasien und Fernost auf Lang- und Kurzhalslauten gespielt werden? Es scheint jedenfalls, als ob auch ein wenig Orient an unsere Ohren dringt.
Nein, bei „Industrial“, ist nicht die „Allgewalt“ von Industriehämmern zu hören, rattern nicht die Walzen eines Walzwerks, sondern es sind Schellen, Gongs, Glöckchen mit hellem Klang zu einem konstanten tieftönigen Klangschwall zu vernehmen. Um ein Bild zu nutzen: Vielleicht lodert der Hochofen, und es platschen Regentropfen auf Schrägaufzüge und Doppelbockförderturm, wenn auch sachte, sachte.
Bass und Piano eröffnen „As Far As“. Aus dem Off ist das sanft gestimmte Saxofon zu hören. Gitarrensequenzen vergehen in der Ferne. Das Piano lässt nachfolgend den Diskant trillernd zur Geltung kommen. Irgendwie scheint auch Al-Andalus gegenwärtig, ebenso die Musik Nordafrikas, auch ohne Oud und Guember.
„Wo bin ich gewesen“ („Where have I been“) überzeugt nicht allein durch Greg Johnsons nachhaltiges Trompetensolo. Über einem dichten Klangflokati schwingt sich der Blechbläser auf, nicht ätzend, nicht geifernd, nicht marktschreierisch, sondern eher auf Entspannung ausgerichtet. Diese Komposition tendiert insgesamt jedoch eher in Richtung Acid Jazz, auch wenn Johnsons Intermezzos an Cool Jazz angelehnt scheinen. Psychedelic Trance scheint auch nicht weit weg. Also Musik für eine Goa-Party?
Zum Schluss lauschen wir „Saudade“: Saudade ist eine spezifisch lusophone Form des Weltschmerzes. Der Begriff steht aber auch für Sehnsucht und Fernweh, zu vergleichen mit dem englischen Begriff Solitude – man denke an „In my Solitude“, den 1934 entstandenen Jazzstandard von Duke Ellington! Gitarrensaiten schwirren so, als würden Kirchenglocken geläutet, sodass ein mehrstimmiger Glockengesang entsteht. Sind da nicht auch Streicher im Hintergrund zu hören? Getragen ist das Tempo. Nach tiefem Weltschmerz klingt die Komposition keineswegs, auch nicht, wenn das Saxofon seine Stimme erhebt und trällert. Eher geht von „Saudade“ etwas Meditatives aus, ohne dass nun gleich New Age im Raum steht.
Text © ferdinand dupuis-panther (fdp)
Informationen
Label
http://jazzscore.com
Tom Ludvigson
http://jazzscore.com/tomludvigson/tomludvigson.html
Trip to the Moon
http://www.audioculture.co.nz/people/trip-to-the-moon
Order/Download
https://triptothemoon1.bandcamp.com/album/a-travellers-tale
Zitate aus: https://www.eventfinda.co.nz/2016/trip-to-the-moon-tom-ludvigson-trevor-reekie/auckland/eden-terrace