Trio in Bocca al Lupo - Nostalgia (F. Dupuis-Panther)
T
Nardozza Music
Was auf den ersten Blick anmutet, als bedeute der Name des Trios „im Schlund des Wolfes“, erweist sich als falsch, denn die Bedeutung ist „Hals- und Beinbruch“ oder „Toitoitoi“. Zusammengefunden haben sich für dieses Bandprojekt und das vorliegende Debütalbum drei Limburger Musiker: Carlos Nardozza (Trompete), Tim Finoulst (Gitarre) und Alano Gruarin (Piano). Es findet sich mit „Estate“ ein „Klassiker des Jazz“ auf dem Album, aber auch „Bella Ciao“, ein traditionelles Volks- und Partisanenlied aus Italien. Aufgemacht wird das Album mit der Tarantella „Godfather“. Zu hören sind aber auch „Gente di mare“ und „Il padrino“ sowie als Ausklang „Felicita“.
Schaut man sich das Cover mit dem vergilbten Foto an, auf dem augenscheinlich zwei junge Partisanen zu sehen sind, die sich zu Fuß und auf einem Esel in den Kampf gegen die italienischen Faschisten begeben, dann hat man den Eindruck, dass sich der Titel des Albums auch auf diese italienische Geschichte bezieht. So vermisst man denn auch „Avanti Popolo – Bandiera Rossa“ und „La Brigata Garibaldi“ auf dem vorgelegten Album.
Auch italienische Hits wie „O sole mio“, „Marina, Marina“ oder „Azzurro“ fanden keine Aufnahmen in diesem Album, auch wenn es bei diesen um das kulturelle Erbe derer geht, die nach Limburg kamen, um in den Steinkohlebergwerken zu schuften. Doch das ist heute nur noch eine Fußnote der Industriegeschichte Belgiens. Die Minen von Genk und Beringen sind lange schon geschlossen. Unter Tage ist nichts mehr zusehen. Nur einige obertagige Bauten haben überlebt, darunter Fördertürme wie die markanten von Maasmechelen. In einem Interview mit Carlo Nardozza, das diesem Beitrag angehängt ist, wird dies auch angesprochen. Es beleuchtet auch den Tatbestand, dass italienische Arbeiter nach Limburg kamen, so wie sein Großvater, ohne Flämisch sprechen zu können. Dreh- und Angelpunkt war für diese Generation der Migranten die Familie, in der viel musiziert wurde. Fernsehen war noch nicht so weit verbreitet.
Im Übrigen muss daran erinnert werden, dass bekannte Schlagersänger wie Adamo und Rocco Granata eben auch Kinder der italienischen Migration nach Belgien sind. Sie waren nicht nur zwischen Maas und Schelde musikalisch erfolgreich, sondern stürmten auch die Charts in Deutschland.
Das Trio ist ein schlagwerk- und bassloses Trio und wird in seinen Klangfarben von Nardozzas glasklarem Trompetenspiel bestimmt. Besonders bei „L'Ete Indian“ macht sich das insoweit bemerkbar, dass gegenüber dem Original die starke Rhythmisierung durch das Schlagwerk fehlt, mal abgesehen vom Sprech- und dem Chorgesang. Zudem wird das Original durch den Klang eines Keyboards maßgeblich mitbestimmt.
Mit einer neapolitanischen Tarantella macht das Album auf und erinnert dabei zugleich an den legendären Film „Der Pate“ mit Marlon Brando in der Hauptrolle. Das Thema spielen nacheinander der Pianist, der Gitarist und der Trompeter an, ehe sich dann die jeweiligen Instrumentalisten an die Paraphrasierungen machen, um nachfolgend wieder zum Thema zurückzuführen. Eine Tarantella ist übrigens ein aus Süditalien stammender Volkstanz, der nur zu Beginn in seinem Kern angespielt wird, ehe dann Nardozza seinen Improvisationen freien Lauf lässt und uns dabei in den Jazz der späten 50er und 60er Jahre begleitet. Das ist durchaus auch beschwingt, ohne Swing im klassischen Sinne zu sein. Vielleicht könnte man zu Nardozzas Passagen durchaus auch Lindy Hop tanzen, oder?. Der besondere Charme des Arrangements besteht im Wechsel zwischen dem traditionellen Volkstanzthema und den Umspielungen. Das gilt auch für Tim Finoulst, der vor kurzen Hinwendungen zu mehr bluesigem „Timbre“ nicht zurückschreckt.
Von Bruno Martino stammt „Estate“(„Sommer“). Nardozza lässt in seiner Interpretation einen beinahe samtenen Weichklang vernehmen, der uns Weite und Meeresblicke suggeriert. Während der Pianist in seinem Klangbild eher redundant ausgerichtet ist, folgt Tim Finoulst bei seinem Saitenzupfen den Fußspuren Nardozzas. Was wenige wissen, es gibt zu diesem Standard auch Lyrik in Italienisch: „Estate /Sei calda come i baci che ho perduto/Sei piena di un amore che è passato/Che il cuore mio vorrebbe cancellare ...“. Übersetzt man die Zeilen, so wird deutlich, dass es auch ein Lied an die Verflossene, an ihre heißen Küsse ist, die man vermisst. Da dieser Standard meist nur instrumental vorgetragen wird, wird dieser Aspekt in Besprechungen kaum berücksichtigt.
Die Einführung und der Song über den „Altweibersommer“ oder „goldener Oktober“, so die Übersetzung des französischen Begriffs „l'Ete Indian“, iat eigentlich ein Song des französischen Barden Joe Dassin, stammt aber aus der Feder von Toto Cutugno, der mit seinem Song „Africa“ die Grundlage für Dassins Songversion schuf. Das Arrangement, das eingespielt wurde, hebt sich deutlich vom Original ab, auch wenn der Pianist durch energiegeladenen Duktus die Rhythmik des Originals aufzunehmen. Nardozza verleiht dem durchaus süßlich ausgerichteten Song eine Leichtigkeit. Der in Genk beheimatete Trompeter versucht dabei, auch das flirrende Sonnenlicht des Herbstes einzufangen. Tim Finoulst nimmt uns, so scheint es, auf eine verwegene Ausfahrt mit, natürlich im Coupé, sodass unsere Haare im warmen Herbstwind wehen.
Mit sehr flottemTempo tragen die drei Musiker „Bella Ciao“ vor, das von vielen Interpreten sonst mit viel Pathos versehen wird. Das Partisanenlied bekommt dabei auch etwas Tänzerisches eingehaucht. „Felicita“, das Lied des italienischen Schlager-Duos schlechthin, Al Bano and Romina Power, steht am Schluss des Reigens italienischen Liedguts. Anzumerken ist, wie schon oben angedeutet, dass die Auswahl recht willkürlich ist und so auch eine gewisse Stringenz fehlt.
Text: © fdp
Informationen
http://www.carlonardozza.be/