trio akk:zent: SWEET DESERT
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alessa records ALR 1049
„Der Vorwurf, diese Musik sei nur mit sich selbst beschäftigt, ist richtig. Allerdings: So bleibt ihr auch keine Zeit, sich um ihr Publikum zu kümmern - sie lässt es einfach in Ruhe. Ruhe, die der Hörer braucht, um sich ihr zu widmen. Nur so kann diese verhindern, vollständig zu verkümmern.“ Diese durchaus provokativen Zeilen findet man auf der Klappe des vorliegenden Albums.
Das Cover zeigt ein Dromedar, das einen Eiswagen mit Sonnenschirm durch die Wüste zieht. Von den drei Musikern ist keine Spur zu sehen. Kein Wunder, denn sie sind ja mit der Musik beschäftigt. Zum Trio gehören Paul Schuberth (acc), Johannes Münzner (acc, e-bass) und Victoria Pfeil (sax). Sie setzen auch auf diesem Album wieder ganz nachhaltige Akzente.
Teilweise sind die Songs ausgesprochen lang, so „sunrise in st. valentin“ mit mehr als dreizehn Minuten oder auch „suite solidaire quatre I, II, III“ mit mehr als einer viertel Stunde energiegeladener Musik. Mit „tip my friend“ wird das Album im Übrigen eröffnet und mit „skui“ beschlossen.
Nicht etwa über eine Fata Morgana oder einen Sonnenaufgang in der Wüste lassen sich die drei Musiker von trio akk:zent aus, sondern über „sunrise in st. valentin“. Warum bloß der von St. Valentin unweit von Steyr?
Dabei folgt Victoria Pfeil mit ihrem Spiel auf dem Saxofon der sich langsam am Horizont erhebenden Sonne. Zugleich scheint sie auch das Erwachen der Stadt einzufangen, deren Bewohner nicht schlaftrunken, sondern durchaus mit einem Lächeln im Gesicht den Tag beginnen. Die beiden Akkordeonisten haben aufs Rhythmische gesetzt. Teilweise sind auch die mechanischen Bewegungen der Tasten der Quetschkommoden hörbar und nicht nur die „gezogenen Töne“. Der Melodiefluss liegt im Übrigen eindeutig in der Hand von Victoria Pfeil.
Da, ein Schnarren und schräg gezogene Akkordeonklänge, ein nervös gestimmtes Saxofon – morgendlicher Verkehr im Stop und Go – so klingt es, fern ab dem gefälligen Melodischen. Man könnte auch an das Anlaufen der Bänder in einer der Fabriken denken, so wie in „Modern Times“. Ach, ist da nicht das Schnaufen einer Lok zu vernehmen – einer der Akkordeonisten macht es möglich. Im Diskant übt sich nachfolgend einer der Ziehharmonika-Spieler, während der andere sich an lang gezogenen Balgtönen versucht. Trägheit kommt zum Tragen; Langsamkeit setzt ein. Wird da nicht der Korpus eines der Akkordeone zur Percussion genutzt, während das andere rasante Klangsequenzen zum Besten gibt? Derweil schweigt das Saxofon. Das „Tänzchen“ bei Sonnenaufgang gehört für ein Weilchen den beiden „Zuginstrumenten“. Im Nachgang ist dann wieder das Trio im gemeinsamen Hohelied auf den Sonnenaufgang zu vernehmen.
Nachdem sich der Sonnenaufgang nach und nach entfalten konnte, geht es dann ab in die Wüste. Hm, sitzen wir dabei nicht einem Missverständnis auf, wenn wir das Cover vor uns haben und den Titel „sweet desert“ lesen? Haben sich die drei Musiker bei der Wahl des Songtitels vertan und meinten „sweet dessert“? Oder nehmen sie sich und uns bei „sweet desert“ einfach auf den Arm, mit Sprachwitz und Ironie?
Nun gut, lassen wir uns also auf das musikalische Wüstenabenteuer einfach ein: Wenn wir an Wüstenabenteuer denken, denken wir an Dromedare als Lastentiere, mit den auch heute noch Waren auf den jahrhundertealten Routen der Karawanen durch die Einöde transportiert werden. Musikalisch hören sich die Buckeltiere so an, als würden sie es mit Gazellen aufnehmen können. Wahrscheinlich haben die drei Musiker ein hohes Tempo hingelegt, damit ihnen unterwegs das Eis im Eiswagen nicht schmilzt, oder? Hand aufs Herz, nach dem folkloristischen Nordafrika und nach Sahara klingt der Song m. E. ganz und gar nicht, eher nach einer verwegenen Fahrt über alpine Serpentinen oder über Stock und Stein.
Einen „Original Ober-Madley“ gönnt das Trio den Zuhörern außerdem. Dabei kommen sie mit klassischen Klangbildern daher, wenn „Triumverrat: Sieggy Lol & Schubartyana & Johannesseum“ vorgetragen wird. Irgendwie scheinen die Melodie-Fragmente bekannt und doch fremd. Manchmal meint man sogar, die russische Seele zu vernehmen, auch ohne „Kalinka, Kalinka“. Kanonhaftes dringt an das Ohr, aber kein Humpdahumpda. Mitsummen auf Seiten der Zuhörer scheint ins Kalkül gezogen worden zu sein, als das Konzept des Medley entstand. Wenn einer der Musiker schon den Nachnamen Schuberth trägt, dann liegt das Konzept für klassisch gewürzte Klangformen beinahe nahe. Choralhaftes verbindet sich zeitweilig mit Folkloristischem, oder?
Zum Schluss gibt das Trio „skui“ zum Besten. Ein Schwall von Klangwellen aus dem Off macht den Beginn des Stücks aus. Dramatik ist zu spüren. Man meint gar einen Orkan oder Tsunami zu erahnen, der auf uns zurollt. Einem Sirenengesang gleicht das verhaltene Spiel von Victoria Pfeil. Das Atemrohr scheint mehr menschliche Stimme als Blechkorpus zur Tonerzeugung. Bilder von Nebelschwaden, die über Wellenkämme ziehen, von Trawlern, die sich durch den Wellengang kämpfen, von Seglern, die Gefahr laufen, in Seenot zu geraten drängen sich in den Vordergrund. Die Redewendung von Skylla und Charybdis scheint nicht fern der Melodieströme.
Wieder einmal ist es trio akk:zent mit dieser jüngster Veröffentlichung gelungen, Musikalisch-Komödiantisches dazubieten und dem Erzählerischen im Jazz genügend Raum zu geben.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
alessa records
http://www.alessarecords.at
Musiker
http://www.trioakkzent.com