TREE - Between A Rock And A Hard Place
T
self produced
Zu übersetzen ist der Albumtitel des Trios bestehend aus Georg Vogel am Klavier, Andreas Waelti am Kontrabass und Michael Prowaznik am Schlagzeug mit „zwischen zwei Stühlen sitzen“, sprich in einer ausweglosen Situation befindlich sein. Ob sich ein derartiges Dilemma auch musikalisch ausdrücken lässt?
Wenn ja, dann müsste man im erzählerischen Faden des Wiener Trios Brüche entdecken, müssten schroffe musikalische Kanten und Ecken auszumachen sein, jenseits hektischer, explosiver Verwirbelungen der Becken, für die Michael Prowaznik wie in F.B. die Verantwortung trägt.
Im Gegensatz zu vielen Jazz-Trios, die sich in verspielten Formen entäußern, setzen die drei Wiener Musiker auf Dramatik, auf beinahe theatralische Inszenierungen, auf Konzeptionelles und Intuitives.
Zur Band
Der Salzburger Pianist Georg Vogel ist Kennern der österreichischen Jazzszene ein Begriff und seit dem Trio „Flower“ nicht mehr aus dieser wegzudenken. Gerade in der Erweiterung des rhythmischen Spektrums und dem improvisatorischen Umgang mit diesem ist Georg Vogel eine Ausnahmestellung unter den Pianisten einzuräumen. Ruhepol und Anker der Formation ist der in Wien lebende Schweizer Kontrabassist Andreas Waelti, welcher sowohl als Sideman, als auch als Bandleader bereits auf sich aufmerksam machen konnte. Die erste Veröffentlichung seiner in Berlin gegründeten Formation "Transit Room" sorgte für ein knallbuntes Ausrufezeichen in der Next-Generation-Reihe des Fachmagazins "Jazz thing" und als Sideman arbeitete er bereits mit Musikern wie Will Vinson, John Hollenbeck, Samuel Blaser, Theodosii Spassov, Andreas Schaerrer, Fabian Rucker, dem "Andromeda Mega Express Orchestra" und der Indie-Pop-Band "The Notwist" zusammen. Komplettiert wird das Trio durch einen der vielseitigsten Schlagzeuger der Wiener Musikszene: Michael Prowaznik ist als Sideman in den unterschiedlichsten Projekten anzutreffen und bedient komplexe ungerade Taktarten genauso wie traditionellen Swing und freie Improvisation.
Beim Bandnamen, das sei noch angemerkt, muss man an Organisches und Vegetabiles denken. Auch hierbei stellt sich die Frage, ob geschlossene und offene Formen die Musik des Trios bestimmen, ob organisches Streben und Entwicklung zu entdecken ist. Um vorzugreifen, eher offene Formen!
Von Dhau bis
Vorab sei deutlich gemacht, dass die Kompositionen, die das Trio präsentiert, nicht in lyrischen Seufzern ersticken, sondern eher dramatisch inszeniert sind. Perlende Klangrinnsale sind auch auszumachen, so in Vogels Komposition „Hannes“. Hier und da muss man beim Zuhören an einen Hans im Glück denken, der leicht und unbeschwert durchs Leben schreitet.
Aufmacher des vorliegenden Albums ist „Dhau“ und das Finale nimmt den Albumtitel auf. Zu hören gibt es zudem „F.B.“ (comp. G. Vogel), „NYPVTT“ (comp A. Waelti), „Hannes“ und „Between A Rock And A Hard Place“ (comp. A. Waelti).
Gleich zu Beginn scheinen wir aufgebaute Wellenhügel zu durchkämmen. Jedenfalls lässt der Titel „Dhau“ darauf schließen, dass wir auf einem traditionellen arabischen Segler unterwegs sind, dessen Segeltuch im Wind flattert, was der Pianist stellenweise auch einfängt. Dessen Duktus ist stark energiedurchwachsen. Klangsprünge sind auszumachen, derweil im Hintergrund die Bleche flirren und schwirren. Wendungen werden vollführt. Rollende Klangwellen dehnen sich aus, überschlagen sich und laufen sacht aus. Die Basshand des Pianisten ist sehr agil und vermittelt hier und da dunkles Meeresrauschen, so könnte man meinen. Der Bassist hingegen setzt in seinem Solo die Bugwellen um, die am Holzrumpf der Dhau vorbeigleiten, oder?
Kompositionen mit Kürzeln
Was sich auch immer hinter dem Kürzel „F.B.“ verbergen mag, gewiss ist, dass kaskadierende Passagen am Beginn dieser Komposition stehen. Kleine Klangstürze sind auszumachen, wiederkehrend. In ihnen eingefangen ist die Dramatik des Stücks. Lyrisches ist weit entfernt. Beim Zuhören übermannt den Hörer der Eindruck, musikalisch werde eine Serpentinen-Fahrt umgesetzt. In ruhiges Fahrwasser steuert Andreas Waelti mit seinem Solo. Das Bergszenario und die waghalsige Fahrt sind vergessen. Beim Kontrabassisten scheint das Spiel eher auf Kontemplation ausgerichtet. Das wird allerdings durch die „rollenden Klangpassagen“ des Pianisten durchbrochen. Unheil scheint sich abzuzeichnen.
Auch im nachfolgenden Stück begegnen wir einem Kürzel: „NYPVTT“. Auch wenn die Komposition der Feder des Kontrabassisten entstammt, so bestimmt dieser nicht die wesentliche Klangfärbung. Immer wieder sind Klangwalzen zu vernehmen, die Georg Vogel auf seinem Harmonieinstrument hervorbringt. Bisweilen muss man an einen Malstrom denken, wenn man dem Stück folgt. Eruptive Formen paaren sich in diesem Stück mit zerbrechlich anmutenden Sequenzen. Irgendwie scheint der Komposition auch das Moment der Suche innezuwohnen, was sich u. a. im dramatischen Tempowechsel äußert. Es gibt ein Hin und ein Her, dank an Georg Vogel und das treibende Schlagwerk von Michael Prowaznik. Die Vorstellung, dass die Musik für einen Stummfilm geschrieben wurde, in dem es dramatisch zugeht, kann nicht ganz ausgeblendet. Auch ein Film wie „Lichter der Großstadt“ kommt dem einen oder anderen Hörer in den Sinn, wenn er sich Waeltis Komposition widmet.
Schließlich endet das Album in einem „Dilemma“, so verheißt es zumindest der Titel „Between A Rock And A Hard Place“. Feinster „Klangdunst“ ist zu Beginn auszumachen, passend zu einer symbolistischen, grauen Stadtansicht eines Fernand Khnopff. Wolkenmacht scheint gegenwärtig. Sturm scheint sich anzukündigen, so jedenfalls ist das zu deuten, was Georg Vogel vorträgt, hier und da melodramatisch aufgeladen. „Klanglichen Sprühregen“ können wir vernehmen, derweil Gassen von dumpfen Schritten – dank an Andreas Waelti – widerhallen. Wie gesagt, die Komposition könnte durchaus zu Khnopffs symbolistischer Brüggeansicht passen.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://www.andreaswaelti.com
http://www.andreaswaelti.com/user_content/files/TREE_Info.pdf
http://www.transitroom.net