Torque Trio: OSMOSIS
T
Neuklang Records, NCD4079
Was kann man von einem Trio erwarten, dessen Namen so etwas wie „Drehmoment und Drehkraft" bedeutet? Minimal Music oder ein Cross-over von Jazz und elektronischer Musik vielleicht? Free Music und Free Jazz? Nein, von all dem ist bei diesem deutsch-niederländischen Trio nichts zu vernehmen.
Das Trio besteht aus Koen Schalkwijk am Piano – er hat auch die meisten Kompositionen auf der vorliegenden CD beigesteuert, dem in Köln beheimateten Bassisten Mathias Polligkeit – ihm verdanken wir einen Titel, der eine Szene aus „Alice im Wunderland“ musikalisch umgesetzt hat – und Antoine Duijkers, wie Koen ein gebürtiger Niederländer und am Schlagzeug, an der Glasharfe und an der Klangschale zu hören. Ganz so klassisch besetzt, wie angenommen, ist das Trio nun doch nicht, denn Glasharfe und Klangschale sind in Jazz Trios eine Seltenheit.
Wenn man sich die Titel der veröffentlichten Kompositionen durchliest, gewinnt man den Eindruck, dass uns die Drei ein paar Geschichten zum Besten geben, so auch gleich zu Beginn, wenn 'Stories To Be Told' erklingt. Rhythmisch und stark akzentuiert ist Koens Klavierspiel, das von einer melodiösen Linie des Basses umspielt wird. Lauschen wir ein wenig weiter und fragen uns, was uns die Pianopassagen eigentlich erzählen wollen. Sind es Themen mit Variationen, die der Zuhörer erlebt? Sind es wiederkehrende Geschichten und, wenn ja, worüber? Wir können nur Vermutungen darüber anstellen.
Zehn Einspielungen können wir auf der CD hören. Darunter ist auch die titelgebende Komposition 'Osmosis'. Was hat allerdings dieses Musikstück mit dem chemischen Vorgang des Molekülaustauschs durch eine halbdurchlässige Membran zu tun? Wofür steht der Titel? Für die Durchlässigkeit des Jazz? Für das Facettenreiche? Für den Austausch? Für das wechselhafte Befruchten musikalischer Sequenzen unterschiedlicher Instrumente? Oder begreift sich das Trio gleichsam als Zellkörper, der mit seiner Umgebung im ständigen Austausch steht? Wir können es nur vermuten, doch ansonsten würde der gewählte CD-Titel keinen Sinn machen. Jenseits von 'Osmosis' gibt es weitere Titel, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, so 'Desillusie'. Beinahe wie Trauermusik erscheinen die gewählten Harmonien und der Duktus des Stücks. Hört man dem Spiel des Trios genau zu, so fühlt man sich an einen tristen Herbsttag unter grauem Wolkenschleier erinnert. Melancholie breitet sich aus. Die Stimmung ist gedämpft. Noch immer haben wir aber Antoine nur am Schlagzeug, aber nicht an der Glasharfe und an der Klangschale gehört. Dafür nehmen wir allerdings wahr, dass das Dreigestirn sich gegenseitig genug Raum für die Entfaltung des eigenen Spiels einräumt, wenn auch das Schlagzeug dabei ein wenig in den Hintergrund tritt. Die Klavierpassagen sind nie einfach banal und dahinplätschernd, und das eingängige Bassgezupfe umschmeichelt das Ohr des Zuhörers. Im Duett von Piano und Bass entdeckt man bisweilen „szenisch gesetzte Musik“. Mit anderen Worten: Wort und Gegenwort, Dialog, Konfrontation, Harmonie und Wohlklang können wir erkennen.
Stets löst sich das Thema in freiem Spiel auf, ob in 'End of Days' oder bei 'Singing Bowl'. Bei diesem Stück entwickelt sich leicht und spielerisch über der nachhallenden Klangfrequenz der Klangschale ein freies Spiel von Bass und Piano. Bei 'Singing Bowl' dringt ein aus dem Off anschwellender Klang, besser eine Klangfrequenz, an unser Ohr. Für einen Augenblick denken wir an einen Tinnitus. Kurzes Anreißen der Basssaiten, kurzer Tastenschlag auf dem Klavier – wieder der Nachhall der angeschlagenen Klangschale, und dann tritt ein klangvolles Zwiegespräch zwischen Bass und Piano in den Vordergrund. Für Augenblicke scheint der Klangschalenton vergangen zu sein, ehe er dann doch wieder auftaucht und langsam im Off ausklingt. Neben der Klangschale setzt das Trio auch die Glasharfe als Klangkörper ein, so in 'A New Day'. Schrill klingt die Glasharfe, über die geschickt gesetzte Pianosequenzen hinweggleiten. Das An- und Abschwellen der Glasharfe wird durch weitere Klaviersequenzen durchbrochen. Die aufgetretenen Irritationen über den „Missklang“ verhallen im weiteren Verlauf des Stücks und der Hörer kann sich ganz seinen Tragträumen hingegeben.
An Ostern saß Mathias Polligkeit, wie er mir im Gespräch erläuterte, über einer Komposition, für die ihm zunächst kein Titel einfiel. „Osterhase“ erschien zu banal. Da erinnerte er sich an „Alice im Wunderland“ und einer Szene, in der Alice zu den Kaninchen in den Bau hinabsteigt. Schon war der Titel 'Down The Rabbit Hole' geboren. Flott ist der Duktus dieser Komposition, die im Besonderen von Polligkeits Basssequenzen lebt. Schalkwijk setzt dem seine kurzen Pianoakzente gegenüber.
Am Ende der CD steht schließlich 'Songs For A Dying Bird', gewiss ein allzu sentimental anmutender Schlussakkord.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Band
Torque Trio
http://mathiaspolligkeit.de/
http://torquetrio.com/