The Vampires – Pacifica

The Vampires – Pacifica

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Earshift Music

Zwei Jahre nach dem hochgelobten Album „The Vampires Meet Lionel Loueke“ liegt nun ein neues vor. Aufgenommen wurden vierzehn Kompositionen, die mehrheitlich aus der Feder von Jeremy Rose und Nick Garbett stammen. Erstmals haben jedoch auch der Bassist Alex Boneham und der Drummer Alex Masso kompositorische Arbeiten beigesteuert. Die Bandmitglieder leben aktuell in unterschiedlichen Teilen der Welt, so Boneham in L.A. und Garbett auf Lampedusa. Vereint sind sie nun mit Bezug auf ihre langjährige musikalische Verbundenheit auf dem Album: „Pacifica“. Das Cover, das bunte gestrandete Kähne zeigt, entstand nicht auf einer pazifischen Insel, sondern auf Lampedusa und ist dem Trompeter Nick Garbett zu verdanken.

Beim Stichwort „Pazifik“ denkt man an azurblaues Wasser, an Korallenriffs, Lagunen, an Tonga, Samoa und andere Inseln des Pazifiks, denen der steigende Meeresspiegel und die Versalzungen des Süßwassers auf den Inseln schwer zu schaffen machen. Transpazifische Migration ist also nur eine Frage der Zeit. Migration nach Australien gibt es schon. Allerdings endet diese Reise von Indonesien aus für die meisten Migranten aus Asien aufgrund der sehr scharfen Einwanderungsbestimmungen an die australische Nordküste und nachfolgen auf Nauru oder in Papua-Neuguinea, in abgeschlossenen Lagern mit all dem Elend, das ein Lagerleben verursacht. Die Boote, mit denen die Flüchtenden unterwegs sind, werden von der australischen Marine aufgebracht und konfisziert, zumeist auch zerstört. Dieses Bild drängt sich auch beim Cover des aktuellen Albums auf. Allerdings wird man beim Hören des Albums dann sehr schnell bemerken, dass die musikalische Reise nicht in den pazifischen Raum unternommen wird.

Die australische Jazzband der „Vampire“ besteht aus folgenden Musikern: Jeremy Rose (saxophones and bass clarinet, piano), Nick Garbett (trumpet), Alex Boneham (acoustic and electric bass) und Alex Masso (drums and percussion). Ihnen sind unter anderem nachstehende Kompositionen zu verdanken: „Tofik“, ein rein perkussives Stück zu Beginn des Albums, „Little Mountain“, „Don Pacifico“, „The View From Fez“, „Liberty“, „Numer Domu“, „Lahinch“, „Overnight“,  „Aeon“ und zum Schluss „Little Dip“. Bezüglich der Kompositionstitel scheint der Pazifik in weiter Ferne zu liegen, oder?

Solistisch ist der Drummer des Quartetts in „Tofik“ (comp. A. Masso) zu hören. Gespielt werden Cajon, Pandeiro, Drum Kit, Tambourine und Woodblocks. Dabei drängt sich der Eindruck auf, man höre klassische afrikanische Schlitztrommeln und das Gestampfe nackter Füße bzw. sei bei einem Corroboree australischer Ureinwohner zugegen. Etwa zurzeit, als das Album entstand, wurde die Tochter von Jeremy Rose geboren, die den Spitznamen „Little Mountain“ erhielt. So heißt auch das zweite Stück auf dem Album. Zu hören ist ein Singsang von Trompete und Saxofon. Rhythmische Akzente setzen der Drummer und Bassist. Beinahe wie ein Windsäuseln hört sich an, was Nick Garbett in Teilen spielt. Sein Trompetenspiel hat nichts von Miles‘ Zornigkeit. Es kommt eher sanftmütig daher. Das gilt auch für Roses Saxofonsequenzen. Diese klingen nach einem heißen Sirrocco, der von Nordafrika übers Mittelmeer weht. Hier und da wecken die harmonischen Schraffuren Erinnerungen an Abdullah Ibrahims „African Market Place“.

Bei „Don Pacifico“ (comp. N. Garbett) muss man sich von der Vorstellung einer Reise über  den Pazifik verabschieden. Es handelt sich vielmehr um eine mythische Figur von der kleinen italienischen Insel Linosa. Es wird erzählt, dass Don Pacifico einst einen neun Fuß großen Tintenfisch in sein kleines Holzboot gezogen habe, um es dann rudernd an Land zu bringen. Dass soll genau zu den Festlichkeiten des im Jahr 1982 stattgefundenen World Cups geschehen sein. Andere Quellen behaupten, Don Pacifico sei häufiger Gast in verschiedenen Kneipen. Auf seiner Schulter sitze ein Möwe, die aus Dantes „Göttlicher Komödie“ rezitiere. Was für eine Geschichte! Latin Fever mischt sich bei diesem Stück mit African Grooves – man denke an Osibisa. Ausladend sind die feurigen und temperamentvollen Bläsersolos. Dass ein Saxofon nicht marktschreierisch aufgeladen sein muss, unterstreicht Jeremy Rose mit seiner Spielweise.  

Inspiriert durch einen Aufenthalt im marokkanischen Fez und dem Labyrinth von Gassen dieser Stadt schrieb Jeremy Rose „The View from Fez“. Die ersten Takte gehören allein dem Bass, der nicht versucht wie eine Oud zu klingen. Erst wenn auch der Drummer hinzukommt, hat man kurz den Eindruck, man sei im Orient angekommen. Die gedämpfte Trompete setzt sich über Bass und Drums, die den rhythmischen Charakter des Stücks prägen. Selten genug findet man im Jazz von heute die Klarinette oder gar wie im vorliegenden Fall die Bassklarinette mit ihrem sonoren Klang. Und so streifen wir durch die Medina, hören das Gefeilsche und Geschwätz, den Widerhall der Schritte in den Gassen.

Gibt es Freiheit? Diese Frage wirft „Liberty?“ wohl auf, die wohl am ehesten in Richtung Free Jazz erweiterte Komposition von Jeremy Rose. Trommel-Gewirbel vereint sich mit aufgeregten Bläsern, die sich gegenseitig befeuern. So kann sich auch ein Wortgefecht anhören, oder? Danach findet die musikalische Vereinigung von Saxofon und Trompete statt. Sie klingt wie eine getragene Hymne. „Lahinch“ entstand nach einer Reise von Nick Garbett zu Freunden, die in der irischen Kleinstadt Lahinch an der Nordwestküste des Landes wohnen. Diese Küstenlandschaft ist bekannt für die Cliffs of Moher und Kenny's Bar, wo es, so liest man es auf der Homepage der „The Vampires“, das beste Guinness gibt. Nein, an irischem Reel hat sich die Band nicht versucht. Statt dessen können wir uns als Hörer an den weit tragenden Trompetensequenzen erfreuen. In der rhythmischen Begleitung scheinen African Beats durch, auch wenn wir einen Ausflug nach Irland unternehmen. Teilweise legt der Trompeter Nick Garbett Spitzen über den Klang des Saxofons, das seinerseits in wellige Klangmodule verfällt. Der Bass schnurrt zum Ticktack des Schlagwerks. Gleichsam auf einem fliegenden Klangteppich sind wir bei diesem Stück unterwegs.

„Vampage“ aus der Feder von Alex Boneham ist der Versuch, sogenannten „vamping“ einzufangen. Was versteht man unter diesem Begriff in der Musik? Es ist der wiederholte Gebrauch von Phrasen während des gesamten Songs oder Improvisation oder die Improvisation über eine wiederholte Phrase. Der E-Bass eröffnet das Stück, ehe dann der vereinte Bläsersatz zu vernehmen ist. Passagen mit Bläsern und alleine mit dem E-Bass sind im Wechsel wahrzunehmen. Die beiden Bläser regen sich wechselseitig an, stimulieren sich zu Paraphrasierungen, versuchen sich zu übertönen, setzen Klangfontänen ab, die hochsteigen und niederfallen.

Zum Schluss machen wir noch einen musikalischen Abstecher zum „Little Dip“, einem Landstrich in Südaustralien, von dem  aus man die sogenannte Great Australian Bight überblicken kann. Das tat die Band auch während einer längeren Tour durch Down Under. Krächzender Atemstrom der Trompeter paart sich mit dem verhaltenen Bassklang. Klangvibrationen machen sich breit. Wie ein dumpfer Zeitschlag der Uhr klingt der Bass im Weiteren, während sich die Trompete in feinsten Klangschlieren verliert.

Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons


Informationen

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https://thevampiresmusic.bandcamp.com/album/pacifica
https://www.thevampires.com.au
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