The Vampires feat Chris Abrahams – Nightjar
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Earshift Music
Im Pressetext zum Album lesen wir: „Twenty years ago, composers on Nightjar, Jeremy Rose and Nick Garbett were surfers, housemates, bandmates. A surfer vibe infuses their music: being at ease and alert, sitting in the swell of a magnificent immense natural force, until the wave comes. Ride it as gracefully and as far as possible.“ Doch nicht nur Surf Sound durchzieht das Album, sondern auch Ska, bester Jazz Rock aus den 1980er Jahren, Tanzbares und pulsierender Rhythmus zwischen House und Techno. Dabei werden die Vampires, bestehend aus Jeremy Rose (tenor sax, bass clarinet), Nick Garbett (trumpet), Noel Mason (bass) und Alex Masso (drums), von Chris Abrahams (piano, synthesizers, overdubs) begleitet. Und bei dem Namen Chris Abrahams fällt der Name einer über Down Under hinaus bekannten Jazz- und Impro-Formation: The Necks!
Die Band The Vampires legt nunmehr das siebte Album vor. Das Cover des aktuellen Album scheint eine Referenz an Psychedelic Rock. Zu sehen ist ein bunter Riesenvogel, der auch aus der indigenen Kultur Mittel- und Südamerikas stammen könnte. Muss man nicht an einen Quetzal denken? Zugleich scheint das Cover auch in die Welt von Fantasy einzuordnen zu sein. Aber was hat das mit dem Albumtitel zu tun, der in der dt. Übersetzung Ziegenmelker bzw. Nachtschwalbe bedeutet?
Glockenhelle Tastenklänge und ein dezentes Drumming gefolgt von eindrucksvollem Gebläse sind anfänglich zu hören. Nein, im weiteren folgen die „Vampire“ nicht den Spuren der Brecker Brothers, schließlich sind die Vampire die Vampire. Wir erleben Gebläsewelle an Gebläsewelle, so als würden musikalisch Brandungswellen umgesetzt. Dabei überzeugt Nick Garbett auch in seinem solistischen Vortrag, in dem er Sonne und Sandstrand sowie Surf bündelt, möchte man meinen. Nicht minder beeindruckend agiert Jeremy Rose mit seinem schnurrenden und surrenden Saxofon, das durchaus mit Weichzeichnungen aufwartet. Das Quintett wird gleich beim Eröffnungstitel namens „Game Changer“ in seine Einzelteile heruntergebrochen. So schließt sich an die Bläsersolos der Pianist Chris Abrahams an mit einem sprudelnden kristallinen Klangschwall. „Khan Shatyr“ ist in sommerliche Klangfärbungen eingetaucht. Auffallend ist auch hier, dass der Pianist klangliche Rinnsale ausbreitet. Alles ist im Fluss. Und stets steht die Schönheit des Melodischem im Fokus, auch bei den Einlagen des Trompeters. Dieser fängt gleichsam einen Kometen-Regen klanglich ein. Ist da nicht auch ein Ska-Rhythmus mit im Spiel, wenn der Track seinen Fortgang nimmt?
Meeresrauschen und lauer Wind – diese Assoziation drängt sich bei den ersten Klängen von „Waves“ aus. Das ist nicht nur dem kaskadierenden Tastenspiel geschuldet, das im Diskant ausläuft. Zudem ist ein Klangteppich auszumachen, der möglicherweise auf einem Synth produziert wurde und an Windverwehungen denken lässt. Getragenes Gebläse verstärkt diesen Eindruck, derweil der Pianist zwischen perlendem und kaskadierendem Spiel wechselt. Vor dem geistigen Augen erheben sich dabei Bilder von gekräuseltem Wasser, das am Sandstrand ausläuft. Auch glucksendes Wasser dringt in Klangmustern an unser Ohr. Samten und sonor erhebt sich die Bassklarinette, die Jeremy Rose spielt. Was will er damit zum Ausdruck bringen? Gemeinsam mit ihm und Nick Garbett blicken die Zuhörer auf das Wellenspiel, sehen Gitschkronen, kabbeliges Wasser und eine aufgepeitschte, im nächsten Moment sich beruhigende See.
„Na Pali“ scheint Bezug zur gleichnamigen Küstenlinie auf der Insel Kauai zu haben. Es handelt sich dabei um begrünte 1000 m hohe Klippen, die als wichtigste Filmkulisse Hawaiis bekannt sind. Also geht es wohl eher nicht um Monsterwellen und die wenigen Surfer auf ihren Bords, sondern um ein anderes Naturschauspiel, das „besungen“ wird. Das tut unter anderem Jeremy Rose mit seinem kehlig gestimmten Saxofon, das bisweilen aber auch den Klang eines Schiffsnebelhorns annimmt.
Mit einem Klavierintro macht „High Plains“ auf. Dabei erlebt man als Hörer dann klassischen Piano-Jazz, ohne dass dieser belanglos dahinplätschert. Durchzogen ist das Spiel von fließenden Linien und kurzen Klangschraffuren. Der Trompeter Nick Garbett beschwört, so der Höreindruck, die Weite der Landschaft und knüpft dabei durchaus an den sogenannten nordischen Fjord-Sound an. Voll im Klang und mit ausladendem Bass ist Jeremy Rose unterwegs. Er lässt dabei seine Bassklarinette zur Entfaltung kommen, durchaus auch Momente der Sehnsucht einfangend.
Eine neue Klangfärbung gibt es bei „Nightjar“ zu erleben, denn wir hören neben Klavierwohlklang auch Orgelklänge, wahrscheinlich ein Rhodes oder auf dem Synth gespielt. Distinktes Drumming begleitet den Orgelklang. Hinzukommt ein dunkler Bassklang, der an Färbungen wie Umbra denken lässt. Unterwegs sind wir mit der „Nachtschwalbe“. Ist das im Wortsinn oder assoziativ zu verstehen, im Sinne von Nachtschwärmerei? Neben Klängen, die an die Ruhe denken lässt, die den urbanen Raum nachts umgibt, deuten die Bläser aber die Partyfreude an, der die Stadtbewohner nachgehen. Let’s dance scheint das Motto – mit und ohne Discokugel. Und am Ende des Albums begegnen wir dem „Sonnengucker“? Hm, Mondgucker wäre wahrscheinlich passender nach unser kleinen nächtlichen Exkursion. Doch Jeremy Rose präsentiert uns zum Ende eben „Sun Gazers“.
© ferdinand dupuis-panther
https://www.thevampires.com.au
Tracks
1. Game Changer (Rose)
2. Khan Shatyr (Rose)
3. Waves (Rose)
4. Ortigara (Garbett)
5. Ortigara interlude (Garbett)
6. Na Pali (Rose)
7. High Plains (Garbett)
8. Evergreen (Rose)
9. Nightjar (Garbett)
10. Sun Gazers (Rose)