The Silent Jazz Ensemble: Nightwalker
T
Double Moon Records, DMCHR 71145
Was darf man von einem Jazz-Ensemble erwarten, das sich einen derartigen Namen gegeben hat: Silent Jazz Ensemble? Wohl ruhige, stille Jazzsequenzen, meditative Musik jenseits energetisch aufgeladener freier Musik und New Wave, oder? Das Ensemble ist ein Dreigestirn und besteht aus Helmut Engel-Musehold (bfl, fl, ts, as, ss), Roberto Badoglio (5-strings-electric bass) und Ray Kaczynski (d, ITstruments). Dabei präsentiert sich die Combo in einem neuen Outfit, sprich mit neuen Bandmitgliedern, die uns gemeinsam mit in die Nacht nehmen. Was für eine Nachtwanderung wird es wohl werden? Angesichts der instrumentalen Besetzung kann man sich auf eine entspannte Nachtwanderung einstellen.
Gegründet wurde das Ensemble 1984 von dem Flötisten und Saxofonisten Helmut Engel-Musehold. Es war damals ein gemeinsames Projekt mit Gebhard Ullmann und Volker Heller. Im Jahr der deutschen Wiedervereinigung sah das Debüt-Album "Silent Jazz Ensemble" das Licht der Jazzwelt. Dieses erste Album entwickelte sich in Deutschland unerwartet zu einem Jazzbestseller. Es folgten weitere Alben mit unterschiedlichen Besetzungen, und auch diese erwiesen sich als Seller, denn 50000 verkaufte Scheiben sind bei Jazzalben eher eine Ausnahme. Nun gibt es eine Neuauflage des Ensembles, das eine Weile wirklich geschwiegen hat. Helmut Engel-Musehold bildet nun ein Trio mit dem italienischen E-Bassisten Roberto Badoglio und dem us-amerikanischen Drummer Ray Kaczynski.
Insgesamt acht eigene Kompositionen sind auf dem aktuellen Album zu hören, angefangen bei 'Something Between' (05:03) und endend bei 'Longing For The Sun' (05:28). Allein sechs der Kompositionen sind dem Multiinstrumentalisten Helmut Engel-Musehold zu verdanken. Virtuose Basssequenzen, die aber nicht so sehr die Tiefen, sondern eher die mittleren Lagen des E-Basses anstimmen, stehen am Beginn von 'Oceania'. Eine kurze Pause und dann setzt Helmut Engel-Musehold die Querflöte an seine Lippen und verzaubert den Zuhörer mit beinahe zerbrechlich wirkenden Sequenzen, dabei vom Bassisten Roberto Badoglio gekonnt und zurückhaltend begleitet. Dieser spielt nicht eine typische Basslinie eines Kontrabasses, sondern umspielt die von der Flöte vorgegebene Melodie, die hin und wieder feinste Triller enthält.
Sind das da etwa Klangschalen, die im Hintergrund erklingen? Anschließend begegnen wir dem 'Nightwalker', der da einsam durch die Nacht wandelt und vielleicht den Sternenhimmel im Blick hat. Bestimmt wird diese Komposition ganz wesentlich von dem Spiel des Saxofons, das so gar nicht nach der Unruhe der nächtlichen Großstadt mit seinen emsigen Partygängern klingt. Im Gegenteil, man denkt, ein Türmer spiele auf seinem Gang auf den Kirchturm ein beruhigendes Lied zur Nacht, dabei gegen die Lichter und den Lärm des urbanen Dschungels ankämpfend.
Das Trio bietet uns nachfolgend eine etwas länger vorhaltende Überraschung, wenn 'Suprise' angestimmt wird, ehe es im nächsten Stück wieder um die Stille geht: 'Getting Quiet'. Sanft wie eine leichte Brise schwebt der Klang des Saxofons durch den Raum, wenn diese Komposition zu hören ist. Dezent sind die begleitenden Wirbel des Schlagzeugers auf seinen Becken. Man kann den Eindruck gewinnen, es solle so klingen, als würde das Laub rascheln, über das man des nächstens läuft. Nach einem kurzen Bassintermezzo und einem harten Drumstakkato übernimmt wieder Helmut Engel-Musehold das „Zepter der Stille“, ohne dass es still wird. Locker gesetzte teils knarzende und knirschende Klangpassagen entlockt Engel-Muschold seinem Saxofon. Und noch immer stellt sich die nächtliche Stille nicht ein, auch wenn Saxofon und Drums dann schließlich irgendwann ausklingen. Schließlich heißt es 'Longing for the Sun'. Dieses Stück beginnt mit einem Flageolett-Spiel des Bassisten, zu dem sich dann der gehauchte Klang der Flöte gesellt. Kontemplation pur stellt sich beim Zuhören des „Verlangens nach Sonne“ ein. Diese Musik des Dreigestirns kann man sich gut als Hintergrundmusik für einen Segelflug über die Weite der sandigen und felsigen Sahara vorstellen. Zugleich kommt einem Folgendes in den Sinn, wenn man sich auf die Musik des Silent Jazz Ensembles einlässt: Die Zeit scheint rückwärts zu laufen und stillzustehen. Zwar vergeht die Zeit, aber sie vergeht in Langsamkeit und mit der Zeit verklingen auch Bass, Flöte und Saxofon.
Man darf gespannt sein, ob es bei dieser CD des Trios bleiben wird. Zu hoffen wäre auf eine lyrische Fortsetzung. Und zum Schluss noch ein persönliches Fazit: Seit den Tagen von Chris Hinze und Herbie Mann habe ich keine derart poetisch-lyrische Musik mehr gehört, die auch der Bassflöte und Querflöte ihren Platz im Jazz einräumt.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Band