Tal Cohen 4tet: Yellow Sticker
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self production
Der aus Israel stammende Pianist Tal Cohen, so sehen es Kritiker, hat einen ganz eigenständigen Spielstil entwickelt, der im Kontext von jüdischer Volksmusik und klassischer Musik verstanden werden muss.
Mit 16 Jahren zog Tal Cohen ins westaustralische Perth und erhielt ein Musikstipendium an der Churchlands Senior Highschool. Nach dem Abschluss an der Highschool setzte er seine musikalischen Studien an der bekannten Western Australian Academy of Performing Arts fort. Sein dortiges Studium schloss er mit einem Bachelor und nachfolgend mit einem Master in Jazz-Performance ab. Tal spielte unter anderem mit dem Jamie Oehlers Quartet in Jazzklubs in Melbourne und Sydney und war zudem mit dem New Yorker Saxofonisten George Garzone unterwegs. Außerdem trat Tal Cohen 2011 auf dem Melbourne Jazz Festival auf. An seiner Seite waren Jamie Oehlers am Saxofon und Sam Anning am Bass. Aus diesem Auftritt resultierte das Album “Smoke and Mirrors”. Ausgezeichnet wurde dieses Album mit dem „‘Rhythms’ magazine album of the year award“. “Yellow Sticker” ist Tals Debütalbum als Bandleader und wurde mit Jamie Oehlers (saxophone), Chris Tarr (drums) und Pete Jeavons (bass) gemeinsam aufgenommen.
Während seiner musikalischen Karriere hatte Tal im Mai 2013 die Gelegenheit, mit dem Saxofonisten Joe Lovano auf dem Perth International Jazz Festival zu spielen. 2015 erhielt Tal Cohen das sehr angesehene Freedman Jazz Fellowship. Diese Auszeichnung war mit einem Geldpreis von $15,000 und einer dreitägigen Studiozeit bei ABC Jazz verbunden.
Sieben Kompositionen finden sich auf „Yellow Sticker“, angefangen mit dem Titel gleichen Namens und endend mit „Hachlata“. Tal Cohen und seine Band verneigen sich aber auch vor John Coltrane, dem gemeinsam mit Tadd Dameron „On a misty night“ zu verdanken ist. Mit „Everything happens to me“ wurde ein weiterer Titel eingespielt, der nicht aus Tals Feder ist. Diese Komposition ist Matt Dennis ebenso zu verdanken wie die Lyrik des Stücks: „I make a date for golf and you can bet your life it rains / I try to give a party and the guy upstairs complains / I guess I'll go through life / Just catchin' colds and missin' trains ...“.Wie er auf den sehr deutsch klingenden Titel „Roessle“ kam, würde man Tal Cohen gern fragen. Hat etwa das „Weiße Rössl am Wolfgangsee“ bei der Titelwahl Pate gestanden?
Zu Beginn von „Yellow Sticker“ scheint das Piano in seinem Lauf ein wenig zu straucheln und nur allmählich in einen fließenden Rhythmus zu finden. Im Hintergrund agiert der Drummer Chris Tarr und wischt behutsam über die Felle der Trommeln. Aufgeregt erscheint die Intervention von Jamie Oehlers am Tenorsaxofon. Hört man genau zu, dann meint man, Alarmsirenen wahrzunehmen. Auch das schrille Getöse einer stets im Fluss befindlichen urbanen Gesellschaft scheint von Jamie Oehler eingefangen worden zu sein. Geprägt wird die Klangwelt des ersten Stücks des Albums durch das Wechselspiel von Tal Cohen am Piano und Jamie Oehler an seinem Holzbläser. Unruhe macht sich im Verlauf des Stücks breit. Stets wartet man auf eine Eruption musikalischer Art. Doch am Ende scheint alles versöhnlich. Doch auch der alltägliche Wahnsinn scheint sich fortzusetzen: Tröttrötröt.
Viel getragener und aus der Suche nach dem Melodischen heraus ist „Roessle“ gestaltet. Beinahe mit lyrischer Handschrift kommt das 4tett daher. Man kann sich gut und gerne einen abendlichen Bummel durch Freemantle oder aber das Verweilen in einem der dortigen Cafés vorstellen. Das unstete Leben scheint zur Ruhe gekommen zu sein. Lau ist es, und das heißt, man kann aus vollem Herzen den Feierabend genießen. Aber was nur soll der „mundartliche Titel“? Wie auch beim ersten Stück des Albums scheinen Bebop und Hard Bop nicht fern. So wundert es dann gar nicht, welche Stücke aus fremder Feder Tal Cohen ausgesucht hat, um sie für „Yellow Sticker“ einzuspielen.
Bei „On a misty night“ scheint die Messlatte sehr hoch zu liegen. Kein Geringerer als John Coltrane, einer der Titanen des Jazz der 50er und 60er Jahre, hat ja dieses Stück mitgestaltet. Die Frage ist also, in welcher Weise adaptieren Cohen und Co. diesen „Jazz-Klassiker“? Zart und verhalten beginnt Tal Cohen seinen Klavierpart, in den dann sehr schnell Jamie Oehler einfällt und sein Saxofon trällern lässt. Pete Jeavons (Double bass) und Chris Tarr (Drums) agieren derweil sehr hintergründig. Die Bühne scheint beinahe ganz alleine Jamie Oehler zu gehören, der uns mit seiner Spielweise zu verzaubern versteht. Das Spiel ist nicht aufreizend. Es bleibt zurückhaltend, dabei unterstützt durch das „vornehme“ Klavierspiel Tal Cohens, dessen klassische Schule hier und da zum Vorschein kommt. Das gilt insbesondere für die Mitte der Einspielung, wenn Tal Cohen mit Bass und Drums zu hören ist. „Springende“ und „sprudelnde“ Klavierpassagen sind dann zu hören. Zu diesen „tanzt“ der Bass ganz tieftönig.
Sobald die ersten Akkorde von „Tziporet“ zu hören sind, ist der Balkan ganz nahe. Ob man nun von Balkanova oder Balkanrhapsodie redet, bleibt dabei jedem selbst überlassen. Teilweise verfällt Tal Cohen in seinem Spiel in eine Art ostinato. Jedenfalls hält er eine redundante Basslinie ein, über die er phrasiert. Derweil spielt der Bass die anfänglich gehörte „Balkanmelodie“. Im Schlussteil des Stücks liegt das musikalische Zepter in der Hand von Jamie Oehler, der uns am Ende wieder zu einem Hochzeitstanz in ein Roma-Dorf entführt. Dass dabei auch Elemente von Klezmer verarbeitet wurden, scheint m. E. auf der Hand zu liegen.
Zum Abschluss heißt es dann „Hachlata“. Ein wenig volksliedhaft erscheint dieser Titel. Nein Klezmer pur ist nicht zu hören, schließlich ist das Quartett um Tal Cohen keine jüdische Hochzeitsband, sondern ein Jazz-Ensemble, und das ist diesem Stück in jeder Sekunde auch anzumerken. Wiederum zeigt sich, wie exzellent Tal Cohen sein Tasteninstrument beherrscht.
So also klingt Jazz von Down Under, gewiss für viele Jazzfreunde in Europa eine Überraschung. Für die meisten ist Jazz vom Fünften Kontinent eher unbekannt. Rock, ja den mag man kennen, ob Jimmy Barnes oder Midnight Oil oder die zeitweilig sehr populäre Band Men at Work. Auch Yothu Yindi tourte einst in Europa, was man von australischen Jazzbands nun kaum kennt. Wer mehr wissen will, was in Down Under im Jazz angesagt ist, der kann im Internet ABC Jazz verfolgen. Es lohnt sich!
Bezogen auf Tal Cohen, kann man nur wünschen, dass er mit seinem „Geldsegen“ als Ausfluss des gewonnenen Wettbewerbs eine weitere CD-Produktion bewerkstelligen kann.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Tal Cohen
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