SWS: SIWTD
S
Unit Rec., UTR 4478
Hinter dem Kürzel SWS verbergen sich die in Lausanne beheimateten Musiker Baiju Bhatt (Geige), Pierre Pothin (Tenor- und Sopransaxofone), Francesco Geminiani (Tenorsaxofon), Alessandro Hug (Vibrafon), Martin Perret (Drums), Sébastian Pittet (E-Bass) und Simon Blanc (Gitarre und Kompositionen). In einem Kürzel verharrt auch der Titel des Albums, und der geneigte Zuhörer fragt sich, was es mit dem Kürzel eigentlich auf sich hat. Augenscheinlich geht es bei dem Album um ein weitgehend streng strukturiertes Konzeptalbum. Im Kern handelt es sich um eine 5-teilige Suite (mit drei Zwischenspielen), bei der sich Rock- und Jazzelemente zu einer Melange verbinden.
Irgendwie scheinen Kürzel, die sich einem direkten Zugang verweigern, das Markenzeichen der Band, da auch die Titel keine greifbaren Inhalte enthalten, sondern mit „P1“, „P2“ etc. „kryptisch“ bleiben und auch die Zwischenspiele haben keine wirklichen Titel, sondern sind mit „I1“ etc. gekennzeichnet worden. Mangelt es der Band an Fantasie für einen Titel? In der Geschichte des Jazz sind die Musiker aus Lausanne keine Exoten, denn auch der bekannte E-Bassist Eberhard Weber tat sich während seiner aktiven Musikerkarriere stets sehr schwer, einen aussagekräftigen Titel für die jeweiligen Kompositionen zu finden. Dass der Zuhörer damit eine besondere Hürde überwinden muss, um sich der Musik zu nähern, muss an dieser Stelle betont werden. Es ist doch schon wichtig, dass sich das Publikum an Titeln orientieren kann, oder?
Langsam entwickeln sich aus dem Off melodisch Gitarrensequenzen, zu dem ein sanfter Saxofonklang beigemischt wird, wenn das erste Stück eröffnet wird. Nach und nach verändert sich die anfänglich solistisch eingesetzte Gitarre zu einem Teil der Rhythmikbesetzung des Stücks. Zu dieser trägt auch nachhaltig das Vibrafon bei, ehe sich ein satter Bläsersatz über Bass und Schlagzeug legt. Was wir hören, ist ein fröhlich-beschwingter „Gesang“, der sich langsam auflöst. Nur noch ein solistisches Saxofon geht dann seinen musikalischen Phrasierungen nach. Bass, Gitarre und Schlagzeug übernehmen dabei eine „hintergründige Rolle“ und sorgen für die entsprechende Grundtaktung. Nach „PI“ folgt dann das erste kurze Zwischenspiel: Bläser fordern zu Beginn die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Dann schweben Gitarrenläufe durch den Raum, die an klassische Etüden erinnern. Kaum hat man sich auf diese eingelassen, ist das Zwischenspiel auch schon vorbei. „P2“ steht auf dem Programm. Ein „tanzendes Saxofon“ begleitet uns, während der Bass in schneller Folge seine Tieftöne hören lässt. Akzentuierte Gitarreninterventionen werden beigemischt, aber das Saxofon lässt sich nicht aus seiner bestimmenden Rolle drängen. Ganz auf Bebop eingestellt wechseln sich die Saxofonisten der Band in ihrem Spiel ab, ehe Simon Blanc zu einem beschwingten Gitarrensolo ansetzt. Nachfolgend hören wir wieder ein Zwischenspiel und anschließend „P3“. Zum Ausklang präsentieren uns die aus Lausanne stammenden Musiker noch „P4“ und schließlich „P5“. Den Auftakt zu „P3“ macht Simon Blanc. An seine volltönigen Gitarrenläufe heftet sich eines der Saxofone, gefolgt vom Vibrafon. Ein kurzes Stakkato der Bläser ist Teil eines Intermezzos. Aus einem Crescendo entwickelt sich schließlich ein fulminanter Tusch. Es scheint, als wäre das der Zapfenstreich. Stille, Stille und nochmals Stille für mehrere Minuten folgen. Ist das Teil einer bewussten Inszenierung? Nicht-Musik statt Musik als Konzept oder ein Fehler auf der CD-Einspielung? Wenn es denn eine bewusste Inszenierung ist, dann hätte das schon absurde Züge. Doch dann, ja dann hören wir wieder swingende Rhythmen, getragen durch Vibrafon und Saxofone. Dabei meint man, die Zeit eines Count Basie und Duke Ellington sei zurückgekehrt. Zudem hat man den Eindruck, Joe Pass hätte die Gitarre nie aus der Hand gelegt. Doch all das ist ein Trugschluss, denn SWS ist dabei den Schlussakt ihres Albums zu präsentieren.
Als Berichterstatter gestehe ich, dass ich mich mit Konzeptalben ein wenig schwer tue, zumal wenn das inhaltliche Konzept wie im vorliegenden Fall nicht so offenbar auf der Hand liegt. Dessen ungeachtet kann man sich sehr gut auf die musikalische Melange einlassen,: Kurz flammt mal Jazz-Rock auf und dann wird doch wieder dem straight-ahead-Jazz der Vorrang einräumt.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Unit Records
http://www.unitrecords.com