Sverre Gjørvad: Time To Illuminate Earth

Sverre Gjørvad: Time To Illuminate Earth

S

Losen Records

Das vorliegende Album des Drummers Sverre Gjørvad ist sein fünftes. Dabei ist er darauf fokussiert, musikalisch den hohen Norden Norwegens einzufangen. Dies war bereits in anderen Alben wie „Voi River“ der Fall. Doch nunmehr hat sich die Perspektive des Bandleaders verschoben, der einen Blick auf die Welt aus dem hohen Norden richtet, so liest man im Begleittext zum Album. Neben Eigenkompositionen von Sverre Gjørvad wurde auch der Andy Partridges Song “All of a Sudden (it’s too late)" eingespielt, der aus dem Jahr 1982 stammt.

Sverre Gjørvad, der einen Masterabschluss aufweist, lebt nicht wie viele andere Musiker Norwegens in Oslo oder Trondheim, sondern in Hammerfest, ganz weit im Norden Norwegens. Neben seiner Beschäftigung als Komponist und Musiker ist er außerdem als Producer für das  Arctic Cultural Centre tätig. Zu den Mitmusikern von Gjørvad gehört der Vokalist und Gitarrist Kristian Svalestad Olstad, der wie Gjørvad einen Masterabschluss der Universität Tromsø besitzt. Ein weiterer Musiker, der an besagter Universität studierte, ist der Pianist Herborg Rundberg, der mit Kristian Olstad auch bei Leagus zu hören ist. Bassist des Ensembles von Gjørvad ist Dag Okstad, ebenso wie die anderen Musiker Absolvent der Universität Tromsø. Eine Rarität in Jazz-Ensembles ist in der Tat die Anwesenheit eines Fagottspielers. Embrik Snerte ist mit seinem eher der klassischen Musik entstammenden Instrument auf dem vorliegenden Album zu hören.

Mit „All of a Sudden (it´s too late)“ wird das aktuelle Album aufgemacht. Dieser Song atmet das Flair von weiter Welt, nimmt durchaus Anlehnungen an gängige Popmusik auf, verzweigt sich in lyrischem Fluss und besticht vor allem durch das Spiel des Fagottisten. Dieser sorgt für eine klangliche Gouache. Auch von einer klanglichen Frottage kann man sprechen, folgt man dem melodiösem Singsang. Bisweilen meint man aber auch, in die Sphären von amerikanischer Folkmusik entführt zu werden. Dass man auch ein wenig The Everly Brothers aus dem Song heraushört, scheint dann doch zu abwegig, oder? Synkopiertes Drumming und ruhige Bassläufe bestimmen neben einem zerbrechlich wirkenden Tastenklang den Beginn von „Skårjage“. So richtig scheint ein melodischer Fluss nicht zustande zu kommen. Nimmt man plätscherndes Wasser wahr oder brechendes Eis? Rinnt da ein ungehinderter Bachlauf zu Tal? Das fragt man sich, wenn man den Fortgang des Stücks verfolgt. In diesem sind dann auch eine jaulende Gitarre und ein forcierter Tastenlauf zu hören. Das klingt dann nach jemand, der zu laufen beginnt, dann aber urplötzlich einhält, sich umschaut und lauscht. Die kurz gehaltene musikalische Thematik wird in leichten Abwandlungen stets wiederholt. Dabei kommt es auch zu einem Wechselspiel von Piano und Bass.
Danach tauchen wir in „The Neighbourhood Pond“ ein. Der Pianist Herborg Rundberg konzentriert sich dabei auf die Basseite seines Instrument und erfährt Kommentierungen durch den Bassisten. Kurz angebunden in seiner Schlagfrequenz ist der Drummer, der gelegentlich seine Sticks auch ruhen lässt. Aufbrausend erweist sich der Gitarrist. Bruchkanten sind wahrzunehmen. Windhosen breiten sich aus, so könnte man bildhaft meinen. Für Erdung sorgt bisweilen der Pianist mit seinen Akzentuierungen.

Angesichts der Länge des Stücks unterstreicht „Never Ever“ die gebundene Songstruktur, teilweise mit wilden Gitarren- und Pianoläufen, die parallel gesetzt sind. Ein Raunen vermischt sich mit einem hohen Sinuston bei „Dismantle“. Der Bass bäumt sich mit Saitenschnarren kurz auf und verstummt, lässt erneut von sich hören und verstummt. Dazu serviert der Bandleader Sverre Gjørvad ein wenig Blechzauberei, ehe der Fokus wieder auf dem Bassisten Dag Okstad liegt. Und am Ende lauschen wir dann einer Rezitation.

Bei „Swedish Braids“ spürt man, dass der Gitarrist Kristian Svalestad Olstad auch im lyrisch ausgerichteten Rock und Pop zuhause ist. Feinster Saitenklang dringt an unsere Ohren, begleitet von einem sonoren Bass. Beim Zuhören hat man das Bild eines Bachlaufs vor Augen, der sich durch den lichten Wald schlängelt. Auf klangliche Wasserläufe versteht sich auch der Pianist Herborg Rundberg, der dabei vor allem im Diskant unterwegs ist. Dessen Klangaquarell mischt sich gelegentlich mit sphärischen Anmutungen, die eingeblendet werden. Man meint dabei, es würde feiner klanglicher Sprühregen niedergehen, um mal ein Bild anzuführen. Gegen Ende des Stücks lauschen wir dem Solo des Bassisten, der sich in Phrasierungen ergeht und dabei die Piano- und Gitarrensequenzen aufgreift, oder? Einen  Kontrast bildet die dunkle Bassfärbung zu den beinahe zerbrechlichen Passagen des Gitarristen. Und schließlich vernehmen wir auch ein Blechrauschen. Zum Schluss wird es noch einmal klassisch-konzertant, wenn „Searching Hometowns“ auf dem Programm steht und der Fagottist zu hören ist. Dabei handelt es sich um ein Blasinstrument, das durchaus eine Nähe zu einer Bassklarinette aufweist, aber doch sonorer und weicher klingt. Hier und da meint man, bei diesem Abschlussstück an das Concerto de Aranjuez erinnert zu werden, vor allem wenn das Fagott eine hervorgehobene Rolle einnimmt. Durchbrochen wird der Eindruck jedoch durch das rockige Drumming und die Sphärenlast, die der Gitarrist verströmt.

© ferdinand dupuis-panther






Infos

Line-up

Herborg Rundberg piano, voice
Kristian Svalestad Olstad guitars, voice
Dag Okstad bass, voice
Sverre Gjørvad drums and percussion, voice

https://en.wikipedia.org/wiki/Sverre_Gjørvad

Embrik Snerte bassoon on tracks 1 & 9



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