Svend Asmussen 100 Years - The Incomparable Fiddler
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Storyville Records
Der dänische Jazzgeiger Svend Asmussen beging am 28. Februar 2016 seinen 100. Geburtstag. Anlässlich dieses Geburtstags erschien bei Storyville Records eine Box mit 5 CD + 1 DVD. Damit wird die wundervolle „Swing-Musik“ Asmussens ebenso lebendig wie seine kreative Spielfreude.
Photo Lasse Seger
Wenige biografische Anmerkungen
”The music exudes a wealth of creativity and curiosity as well, and I dare say that one day it will be established that Svend Asmussen’s solos are not merely constructions built over a series of chords, but wonderfully linked garlands of melody - even at the most frantic tempos.” Das sind einige Zeilen, die der Musikkritiker und Asmussen-Biograf Kjeld Frandsen schrieb.
Im Booklet lesen wir: „Around 1930, Asmussen became interested in jazz. His first big idol was the Danish violinist, Eli Donde, who played with his quartet in both Copenhagen and Hornbæk. One day, however, Svend found out Donde was merely copying everything from Joe Venuti, after which the American violinist became his great exemplar.“
Im Zuge der deutschen Besetzung Dänemarks geriet Sven Asmussen wie andere prominente Dänen ins Visier der Besatzer und wurde nach Berlin verschleppt. Dort verbrachte er einen Monat im Gestapo-Gefängnis am Berliner Alexanderplatz. Zurück in Dänemark – es ist bis heute nicht so recht nachzuvollziehen, warum er aus der Gestapo-Haft entlassen wurde – begann Asmussen wieder seiner Leidenschaft nachzugehen und Jazzmusik zu machen. Das Trauma des Gefängnisaufenthalts konnte er schnell überwinden und nahm “Exactly Like You” auf, einer der wohl stärksten Swingtitel von Asmussen. Begleitet wurde Asmussen von dem Gitarristen Svend Hauberg, der sich auf pulsierenden „Gypsy-Jazz“ verstand. Jazzkenner wissen, dass Asmussen in den 1960er Jahren mit Duke Ellington und John Lewis zusammenspielte. Auch seine Zusammenarbeit mit Stéphane Grappelli fand im Jahr 1965 einen Neuanfang, nachdem er bereits in den 1930er Jahren in Paris mit dem französischen Geiger und dem bekannten belgischen Gitarristen Django Reinhardt aufgetreten war. Damals jedoch musste Grappelli auf Wunsch von Django Reinhardt Klavier spielen.
Die Geige im Jazz
Die Geige als Jazzinstrument ist heute weitgehend verschwunden. Doch es gab andere Zeiten, als beispielsweise Stéphane Grappelli und auch Svend Asmussen auftraten. Erinnert sei zudem an Jean-Luc Ponty, Michael Urbaniak oder Didier Lockwood, die dem Jazz mit der Geige gänzlich neue Klangmomente eingehaucht haben. Doch sie blieben alle mehr oder minder „Außenseiter“. Heute ist Nigel Kennedy hin und wieder Gast bei Jazzfestivals, obgleich er eigentlich aus dem klassischen Fach kommt und in diesem auch seine eigentlichen Stärken hat.
5x Asmussen
Die erste CD der Box widmet sich den Aufnahmen 1937-1944, also einer Zeitspanne, in der sich Asmussen entschied, sich gänzlich der Musik zu verschreiben. International machte er sich damals einen Namen mit überaus ansprechenden Arrangements von Swingmusik. Aufnahmen aus Hamburg der Jahre 1953 bis 1958 sind der zweiten CD vorbehalten. Ein besonderer Leckerbissen ist die dritte CD, auf der neben Asmussen auch dessen Geigerkollege Stéphane Grappelli zu hören ist. Veröffentlicht wurden nun auch bisher unveröffentlichte Aufnahmen einer Session in Paris im Jahre 1985, auf der das Georges Arvanitas Trio zu hören ist. Der Mitschnitt eines Konzerts in Kopenhagen mit der Jazzlegende Stuff Smith ist auf der vierten CD zu hören. Die letzte CD der Box enthält das Konzert “Fit as a Fiddle” von 1996.
Neben zwei Jazz-Potpourris kann man auf den veröffentlichten Alben auch einen ausgereiften Boogie hören, nämlich „The Booglie Wooglie Piggie“. Wenn auch die Urheberschaft des Evergreen „You are My Sunshine“ umstritten ist, so ist gewiss, dass die erste Originalaufnahme von den Pine Ridge Boys stanmt. Zahlreich sind die Coverversionen, auch von Nat King Cole und eben von Svend Asmussen. Zu den Standards, die Asmussen eingespielt hat, gehören „Baby, Won't You Please Come Home“ und „It Don't Mean a Thing“. „Indian Summer“ kennen wir von Glenn Miller und Sydney Bechet, aber auch Asmussen hat den Song „Indian Summer“ aufgenommen. Auf den veröffentlichten Alben ist außerdem „Caravan“ zu finden. Kein Geringer als Duke Ellington hat diesen Titel gemeinsam mit Juan Tizol komponiert. Hört man sich durch die CD-Box, so stellt man fest, dass allerlei Bekanntes zu hören ist, aber stets um die Klangfarbe der Geige erweitert.
Konzert im Kopenhagener Jazzhus Montmartre
Die DVD ist einem Konzert von 1996 im Kopenhagener Jazzhus Montmartre vorbehalten. An der Seite von Asmussen sind die europäische Basslegende Niels-Henning Ørsted Pedersen und der Pianist Kenny Drew zu hören und zu sehen. Ed Thigpen saß damals an den Drums.
Aufgemacht wird die DVD mit dem sehr beschwingten „It don't mean a thing ...“. Bereits bei den ersten Takten wird klar, dass diese Musik im Kern Tanzmusik war – Tanzen zu Jazz ist mit dem Aufkommen des Bebops ein No-Go geworden. Ein besonderer Hörgenuss – neben Asmussens virtuosem Spiel – sind die Basspassagen, die Niels-Henning Ørsted Pedersen uns präsentiert. Auf diese antwortet Asmussen mit gezupften Geigensequenzen, derweil Niels-Henning Ørsted Pedersen die Basslinie hält.
„Lapp-Nils Polska“ und somit ein Kapitel Volksmusik schließt sich dem „Swing“ an. Dabei beginnt Asmussen solistisch, ehe dann der Bassist und der Pianist seines 4tets einsteigen. Mittsommernacht und Polkatanz auf dem Tanzboden kommen dem Hörer ganz spontan in den Sinn, auch wenn die Polka im Verlauf des Vortrags stark paraphrasiert wird, bis in die höchsten Geigentöne hinein.
Weder bei der Polka noch bei „Trubbel“ sieht man jedoch tanzende Paare. Warum eigentlich nicht? Einer der Ohrwürmer und ein Popsong aus den späten 1920er Jahren „Just A Gigolo“ stand bei dem aufgezeichneten Konzert auch auf dem Programm. Irving Caesar hatte dafür den österreichischen Tango "Schöner Gigolo, armer Gigolo", komponiert von Leonello Casucci, schlicht und ergreifend adaptiert. Nein, einen wirklichen Tango spielt die Band von Asmussen eigentlich nicht, eher eine „Sehnsuchtsmelodie“.
Lauscht man „Pent-up Hose“, einer Komposition von Sonny Rollins in der Besetzung Sonny Rollins (ts), Max Roach (dr), Clifford Brown (tp) und Richie Powell (p) im Vergleich mit der Einspielung des Asmussen 4tet, so ist ohne Frage die Klangbreite bei Rollins viel bunter und geprägt von den Hörnern. Asmussen beschränkt sich halt auf eine klassische Rhythmusgruppe und hat neben sich kein weiteres Melodieinstrument. So kann man sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass Rollins für mehr Feuer sorgte und Asmussen eher für ein schmeichlerisches Klanggeplätscher. Ohne Frage ist aber auch hier das variable Spiel des Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen nicht nur ein Hingucker, sondern auch ein purer Hörgenuss. Dieser steigert sich noch, wenn Asmussen seine Geige zupft, die dann auch ein wenig wie eine veritable Jazzgitarre anmutet.
Auch Duke Ellington stand im Geist beim Konzert mit auf der Bühne, als sein „C Jam Blues“ erklang: Es handelt sich dabei um einen Jazzstandard und um einen (zwölftaktigen) Blues, der in C-Dur gehalten ist. „June Night“ gab es dann schließlich als Zugabe.
Wie auch die CD-Box stellt die DVD ein wichtiges Zeugnis der Geschichte des Jazz in Europa da. Wer sich obendrein für Jazzstandards begeistert, ist gut beraten, auf die Box zurückzugreifen.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Photo cover CD: Jan Persson
Informationen
Label
Storyville Records
http://www.storyvillerecords.com/
Musiker
Svend Asmusen
http://www.storyvillerecords.com/artists/svend-asmussen