Sven Jungbeck/Johann May - Across The City
S
MGL- Music Production
Man nehme zwei Gitarristen und dann … Im Gegensatz zu anderen Ensembles ihrer Art sind die Rollen zwischen dem aus Dormagen stammenden Gitarristen Sven Jungbeck und dem mit der Rock-Jazzband Jin Jim bekannt gewordenem Gitarristen Johann May nicht festgezurrt: hier die Rhythmus- und dort die Melodiegitarre. Intros, Improvisationen, Melodielinien – daran sind beide Musiker zu gleichen Teilen beteiligt. Gewiss, Sven Junbeck, der in der Band von Joscho Stephan spielt, ist in dieser der Rhythmusgitarrist, derweil es Joscho Stephan vorbehalten ist, in den Fußstapfen von Django Reinhardt und dem von diesem geprägten genuinen europäischen Jazz zu wandeln. Doch Jungbeck/May legen aktuell ein Album vor, das keine Hommage an den bekannten frankobelgischen Swinggitarristen Django Reinhardt darstellt, sondern eine Bandbreite des Jazz und der gegenwärtigen Popularmusik vorstellt, zum Beispiel John Lennons „Julia“ und Chick Coreas „Spain“. Übrigens, dieses letztgenannte Stück beinhaltet auch Teile aus dem bekannten Concerto de Aranjuez!
Beide Musiker kennen sich vom Studium in Arnheim. Wie gesagt, wer an Johann May denkt, denkt an Jin Jim, eine Band, die bei ACT unter Vertrag ist und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Reisen nach Afrika (Madagaskar, Kongo, Angola, Südafrika, Sudan und Kamerun), nach Südamerika (Chile und Peru) und nach Italien unternommen hat. Der erste Durchbruch gelang dieser Band übrigens bei den „Leverkusener-Jazztagen“. In einem Interview in der Rheinischen Post wurde Sven Jungbeck nach seiner musikalischen Einordnung befragt. Darauf erfolgte nachstehende Antwort: „ Ich bin schon auf Gypsy-Swing spezialisiert. Dazu Finger-Style-Gitarre, also Finger-Picking. Bei JJ&Acoustic Machine ist es dann die Richtung Blue Grass auf der Slide-Gitarre.“ Zu seinen Vorbildern meinte er: „Natürlich Django Reinhardt, dann Tommy Emmanuel und Paul McCartney, der größte Songschreiber unserer Zeit.“
Mit einem Jazzstandard von Jimmy McHugh namens „I Can't give you anything but love“ wird das Album eröffnet und mit einem Bossa („Bossa for Gonzalo“) aus der Feder von Johann May abgerundet. „Julia“ von John Lennon wurde von den beiden Gitarristen ebenso arrangiert wie „Spain“ (Chick Corea). „Moon River“ (Henri Mancini) steht ebenso auf dem Programm wie „Master Blaster“ (Stevie Wonder) und „Libertango“ (Astor Piazzola). Eigenkompositionen sind „Serenata del Viento“ (Johann May) sowie „Pfifferlinge“ (Sven Jungbeck) und „Song for Tian“ (Sven Jungbeck).
Bereits vom ersten Takt an lassen es Jungbeck und May bei „I Can't give you anything but love“ swingen. Sehr dezent ist die rhythmische Begleitung zur ausschweifenden Melodielinie. Wie bereits oben angedeutet, ist ein Wechselspiel gegeben, sodass Melodie und Rhythmus mal von dem einen, mal von dem anderen Gitarristen gespielt werden. Das schließt Paraphrasierungen des Themas selbstverständlich ein. Ins Folkloristische begeben wir uns mit „Serenata del Viento“. Ein wenig Flamenco, Tarantella und Canto sind dabei auch mit im Spiel. So lassen wir uns von der „Serenade des Windes“ einfangen, denken beim Zuhören an einen heißen Scirocco, der aus der Sahara nach Europa hinüberweht. Gibt es bei „Song for Tian“ eine Nähe zu „Friday Night in San Francisco“, so fragt sich der eine oder andere Zuhörer. Und auch an Paco de Lucia muss man bei den feinen melodischen Umspielungen denken, oder? In diesem Stück erleben wir ein sehr fein verzahntes Wechselspiel der beiden Gitarristen, die uns das mediterrane Flair ein bisschen näherbringen. Und das ist ja nicht immer mit Kastagnetten, stampfenden Schritten und gebrochenen Gesangsstimmen wie beim traditionellen Flamenco verbunden. Dem Stück von Stevie Wonder namens „Master Blaster“ haben Jungbeck/May einfach mal einen distinkten Ska- bzw. Reggae-Rhythmus untergelegt. Ohne Bläser und Keys sowie Gesang wie im Original sind bei Jungbeck/May Soul und Funk eher fern. Man denkt beim Hören durchaus an Weltmusik, an Karibik und Afrika als eigentlichem Ursprung für Blues, Jazz, Funk. Das Original vermisst man jedenfalls nicht, oder? Das gilt auch für das eher balladenhaft angelegte „Moon River“ aus dem Film „Frühstück bei Tiffany“. Ohne Singstimme kann man sich auf die melodische Dramaturgie einlassen, besonders dank der beiden Gitarristen, die sensibel die Saiten zum Schwingen bringen.
Bei „Pfifferlinge“ (Sven Jungbeck) blitzt Jungbecks Vorliebe für Django Reinhardt auf, der trotz seiner Behinderung ein begnadeter und unvergessener Gitarrenvirtuose war. In dessen Fußstapfen sind nun Jungbeck und May getreten. Das ist auch das einzige Stück, das mit dem Etikett „Gipsy Swing“ versehen werden könnte. Doch in Teilen scheint auch die europäische Gitarrenmusik des Barock sehr präsent. In den eher rhythmisierten Passagen jedoch scheint das Erbe Reinhardts auf. Im Jahr 1939 schrieb Joacquin Rodrigo für Orchester und Gitarre das Concerto de Aranjuez. Versatzstücke dieses opulenten Konzertwerks wurden von Chick Corea in seine Komposition „Spain“ eingewoben. Zu Beginn hören wir Teile der Ursprungskomposition, die dann im weiteren Verlauf abgeändert und paraphrasiert wird. Diesem Muster des Arrangements folgen auch Jungbeck/May, sodass wir einen wahren Ohrenschmaus genießen können. Zum Finale gibt es dann einen Bossa, den Johann May zu verantworten hat – ein wahrlich gelungener Abschluss des Albums.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://johannmay.de
https://rp-online.de/nrw/staedte/dormagen/ich-bin-kein-perfekter-gitarrist_aid-19579351