Sven Jungbeck – Invites
S
self produced
Für dieses Album hat der Gitarrist Kollegen eingeladen und alle Eingeladenen kamen, angefangen von den Gitarristen Jimmy Rosenberg, Wawau Adler, Robin Nolan und Joscho Stephan über Paulus Schäfer bis zu Olli Soikelli und Fredi Gebhardt. Dazu gesellten sich der Trompeter Thimo Niesterok, der Vibrafonist Matthias Strucken, die Bassisten Volker Kamp, Dario Chatelle und Stefan Berger. Auf dem Album hören wir auch die Vokalisten Clara Deckstein und Taylor Swing. Schließlich ist auch der Geiger Sandro Roy mit im Spiel, um sich der Tradition des europäischen Swing im Geiste von Django Reinhardt zu widmen. Wir hören u. a. bekannte Standard-Klassiker wie „Stompin At The Savoy“ und „There Will Never Be Another You“, aber nicht nur.
Die Arrangements orientieren sich schon an dem, was Swing im Sinne Djangos bedeutet: eine rhythmisch aufgelegte Akustikgitarre geht eine Melange mit einer Gitarre ein, die mit Fingerschnelligkeit die Melodielinie spielt. Das ist teilweise atemberaubend, so auch bei „Swing Gitane“. Dabei hören wir nicht nur den Gitarristen Joscho Stephan, sondern auch den Trompeter Thimo Niesterok. Beim Hören kommen dann u. a. Erinnerungen an den Ursprung des Jazz auf und der ist gewiss mit dem Namen Kid Ory verbunden, oder? Ein Genuss ist bei diesem Stück die Zwiesprache zwischen Trompeter und Melodiegitarrist. Wer dabei nicht den Drang verspürt, Swing und Lindy Hop zu tanzen, dem ist nicht zu helfen.
„If I Had You“ ist auch ein „Gassenhauer“ aus der Swing-Ära mit sehr feinen Gitarrensequenzen. Das Tempo ist gemäßigt, und man hat den Eindruck, man höre die Melodie eines Couplets aus den 1920er Jahren, oder? In diesem Stück kann man unter anderem auch den Rollenwechsel der beteiligten Musiker erleben, darunter Paulus Schäfer. Dass unterstreicht, dass die feste „Dichotomie“ von Rhythmusgitarre und Melodiegitarre nicht gegeben ist. Man achte auch auf das Basssolo, dass den Gitarrenfluss unterbricht und eine eigene dunkle Note in dieses Stück einfügt. Als würde ein ratternder D-Zug vorbeirauschen bzw. sich ein Kettenkarrussel immer schneller drehen, so könnte man die Musik von „Them There Eyes“ bildhaft beschreiben. Da scheinen sich die Saitenlinien miteinander zu verknoten, verweben und verdrehen. Dank des Trompeters Thimo Niesterok, der sein Instrument ab und an dämpft, bekommt „Tears“ eine ganz eigene Note. Von den Gitarrenpassagen her meint man, man sei streckenweise in der Klangwelt des Pazifiks unterwegs. Doch das eher Kehlige und „Wauwau“ des Trompeters konterkariert diesen Eindruck. Da ist dann doch New Orleans und Kid Ory überaus präsent. Das Original verdanken wir übrigens dem oben erwähnten belgisch-französischen Gitarristen Django Reinhardt und dem Violinisten Stephane Grappelli!
„Basch Dute/Bei dir war es immer so schön“ – komponiert von Theo Mackeben – fand auch Eingang ins aktuelle Album von Sven Jungbeck. Der Song ist Teil einer 1938 entstandenen Operette. Hildegard Knef hatte den Song ebenso im Programm wie die Kenny Clarke Francy Boland Big Band und Greetje Kauffeld oder das Joscho Stephan Trio. Und nun hören wir Sven Jungbeck mit Taylor Swift. Er sorgt für den Gesang und entführt uns in die Schlagerwelt der Vergangenheit, oder? Nicht nur der Gitarrist Wawau Adler, sondern auch der Trompeter Thimo Niesterok bestimmen die Klangfarben von „I’ll See You in My Dreams“ (Isham Jones, 1924). Einst war dies ein Nummer 1-Hit in den USA und bekannte Musiker wie Louis Armstrong interpretierten ihn ebenso wie dies auch Ella Fitzgerald und Mario Lanza taten.
1936 erblickte die Ballade „Poinciana“ das Licht der Welt. Die Melodie lehnt sich übrigens an einen kubanischen Son an, was man in dem vorliegenden Arrangement, an dem auch Joscho Stephan beteiligt ist, zumindest als Latin Flair des Songs dechiffrieren kann, auch wenn ihm auf dem Album Swing untergehoben wurde. Zu den bekannten Interpreten des Songs gehörten Chet Baker und auch Gerry Mulligan. „La Belle Vie“ (Sacha Distel) bekommt auf dem Album eine frische Prise Streicherklang beigemischt, dank an Sandro Roy, sodass man meint, das Quintette du Hot Club de France würde noch immer auf der Bühne stehen.
Sven Jungbeck entführt uns mit dem Album nicht allein in die Welt der europäischen Swingmusik, sondern nimmt uns zudem auf eine musikalische Zeitreise mit. Das Besinnen auf die Ursprünge des Jazz hat durchaus eine legitime Berechtigung, zumal das Album wunderbare Songs präsentiert, von denen der eine oder andere ein Evergreen ist, oder?
© ferdinand dupuis-panther
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