Stochelo Rosenberg + Jermaine Landsberger - Gypsy Today

Stochelo Rosenberg + Jermaine Landsberger - Gypsy Today

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GLM

Ohne Frage war der belgo-französische Gitarrist Django Reinhardt der Wegbereiter des europäischen Swing und zugleich auch ein überaus virtuoser Saitenkünstler. In der klassischen Swing-Ära war sein Hot Club de France das Nonplusultra. Der für die Musik oftmals verwandte Begriff Gypsy Swing hat allerdings auch einen gewissen Beigeschmack, genauso wie Sinti-Swing, auch wenn die Musik in Europa bis heute von autodidaktischen Musikern der Sinti gepflegt wird.

Zu den aktuellen Musikern, die sich dem Stil von Reinhardt verbunden fühlen, ohne ihn sklavisch zu imitieren gehört Stochelo Rosenberg, der mit zwölf Jahren den ersten großen Gitarrenwettbewerb gewann. Reinhardts langjähriger Partner, der Violinist Stephane Grappelli, nahm den gerade 25-Jährigen Rosenberg 1993 zum Konzert in die Carnegie Hall mit  und ging mit ihm danach regelmäßig mit ihm auf Tour. Als Reinhardts Leben 2017 in „Django - Ein Leben für die Musik“ verfilmt wurde, war Rosenberg die erste Wahl als Komponist für den Soundtrack.

Ob das Album „Gypsy Today“ aufgrund des Titels als  programmatisch oder gar als Credo zu begreifen ist, ist eine Debatte wert. Zu hören ist Rosenberg auf dem genannten Album mit dem in Nürnberg lebenden Pianisten und Organisten Jermaine Landsberger: „Jermaine hat mich dabei unterstützt und mich getrieben, viel moderner zu spielen als ich es vorher tat. Er brachte mich dahin, wo ich immer hin wollte. Für mich wird er immer der beste Gypsy-Jazz-Pianist und Komponist bleiben,“ so Stochelo über seinen Freund.

Landsberger hat sich bewusst nicht für die Geige, sondern das Piano entschieden, hat sich schon früh für die Musik von Oscar Peterson und Keith Jarrett interessiert. Dass er nicht den Erwartungen an einen Sinto als Musiker entspricht, unterstreicht unter anderem ein Projekt wie Hammond Eggs, bei dem Jazz-Stars wie Pat Martino, Randy Brecker, Bob Mintzer oder Larry Coryell mitwirkten. Sein jüngstes Klaviertrio besteht neben ihm selbst aus dem Drummer Donald Edwards und dem Bassisten Darryl Hall. Es ist gänzlich eine „New Yorker Angelegenheit“.

Am Bass teilten sich Landsbergers aktueller Begleiter Darryl Hall und der deutsch-schweizer Gypsy-Swing-Spezialist Joel Locher ebenso die Arbeit wie am Schlagzeug der große französische Drummer André „Dede“ Cecarelli und der in London arbeitende Sebastiaan de Krom. Als Gast tritt  der französische Geiger Didier Lockwood auf und spielte schon drei Jahre vor seinem unerwarteten Tod drei Titel mit der Band ein. Zunächst wurde daher die Albumveröffentlichung auf Eis gelegt. Nunmehr vorliegend ist es auch eine Hommage an den Mitmusiker Didier Lockwood.

Zu Beginn hören wir den „September Song“: Ja, da ist Swing lebendig. Allerdings scheint Stochelo Rosenberg durchaus auch auf den Spuren von Wes Montgomery und Attila Zoller unterwegs zu sein und nicht allein auf Djangos Pfaden. Sehr hörenswert ist das „Wechselspiel“ zwischen dem Gitarristen und dem Pianisten, der aus dem Vollen schöpft und gekonnt die Sequenzen paraphrasiert, die Rosenberg auf der Gitarre angestimmt hat. Zudem haben die beiden Musiker Rosenberg und Landsberger ein kurzes Bass- und ein Drumming-Solo in ihr Stück eingewebt. „Made for Isaac“ folgt nach dem Eröffnungstitel und ist wenig von klassischem Swing durchzogen. Weich gezeichnete Gitarrenlinien liegen über einem sachten Drumming. Im Hintergrund agiert der Pianist Landsberger, der hier und da starke Akzente setzt, derweil Rosenberg die Saiten seines Instruments tanzen lässt. Was wir hören, hat wenig mit Django Reinhardt und dem Hot Club de France zu tun. Kaskadierend agiert der Pianist, getrieben auch von fein gesetzten Beats des Drummers. Dabei hat man bisweilen Oscar Peterson im Ohr, soweit es die distinkten Tastenschläge von Landsberger angeht.

„Double Scotch“ aus der Feder Django Reinhardts bekommt von Rosenberg & Landsberger ein wenig Boogaloo eingehaucht. Und außerdem ist Boogie beim flotten Tastenspiel zu erahnen. Die beiden Protagonisten, Gitarrist und Pianist, fordern sich wechselseitig, ehe dann der Bassist ins Geschehen eingreift und Raum zum Solo bekommt. Sehr getragen ausgeformt ist das Stück „Ballade pour Didier“. Und da ist sie zu hören die E-Geige, die so ganz anderes als die von Grappelli in seinem Zusammenspiel mit Django klingt. Sie ist eher rockig ausgeformt und dazu hören wir eine Gitarre, die in ihren Riffs hier und da auch Anlehnungen an Mark Knopfler aufblitzen lässt. Didier Lockwood, den wir an der Geige hören, lebt nicht mehr. So ist dieses Stück posthum eine Ode an einen brillanten Geiger des Fusion und Jazz Rock.

So pulsierend wie „September Song“ ist auch „Gypsy Today“, ein Stück dessen Tönungen und Färbungen von Lockwood nachhaltig beeinflusst wurden. Lockwoods Spiel erinnert den einen oder anderen vielleicht an das unorthodoxe Spiel von Nigel Kennedy. Der Gitarrenpart, der auf Lockwoods Geigensequenzen folgt, ist wohl dem technisch versierten und umtriebigen Spiel von Django sehr nahe. Dabei versucht Rosenberg auch die Dynamik des Spiels von Lockwood aufzugreifen und auszubauen. In die gleichen Fußstapfen wie die beiden zunächst genannten Akteure tritt der Pianist, der tosende Kaskaden auf den Tasten zaubert. Da sprudelt und rinnt es, schießen reißende Klangströme dahin. Selbst der Bassist verharrt nicht in Phlegma, sondern zeigt sich putzmunter und verspielt. Am Ende schließt sich der Kreis, setzt Lockwood wieder das Thema in den Vordergrund, wie zu Beginn.

Die melancholische Ballade „Anouman“ – von Djano komponiert – überzeugt durch den sanften Saitenfluss. Voller losgelöster Spielfreude klingt das, was wir vernehmen, zudem lyrisch in einigen Passagen. Die Schönheit des Melodischen steht eindeutig im Fokus. Rosenberg begreift sich in seinem Spiel durchaus in den Traditionen bekannter Jazzgitarristen wie Joe Pass, Jim Hall, Barney Kessel oder Wes Montgomery, oder?  Ein Facelifting erfährt „Poinciana“, dank eines Latin-Rhytmus. Im Kern handelt es sich bei diesem Stück um einen Standard von Nat Simon mit einem Text von Buddy Bernier, entstanden 1936. Doch in der aktuellen Version meint man eher, Wes Montgomery sei der Schöpfer und auch Stan Getz habe mal kurz vorbeigeschaut, um dem Stück den letzten Schliff zu geben. 

Von Landsberger stammt „The Bebop Gypsy“. Das ist sogleich als Fingerzeig darauf zu verstehen, welchem Jazzgenre sich Rosenberg und Landsberger verpflichtet fühlen: dem Bebop mit seinem temporeichen Stil. Zugleich ist diese Einspielung nochmals die Gelegenheit den Zauberer auf der Geige, Didier Lockwood, zu erleben. Zum Abschluss des Albums erklingt dann  Paquito D’Riveras „Seresta“, das Rosenberg bereits1989 auf seiner ersten Platte eingespielt hatte. Jetzt freilich hören wir ein pures Klavier/Gitarre-Duett und schlicht „Gypsy Jazz Today“ getreu dem Albumtitel, oder?

© ferdinand dupuis-panther


Infos

https://www.glm.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Stochelo_Rosenberg
https://www.facebook.com/jermaine.landsberger

Tracks

September Song
Made for Isaac
Double Jeu
Double Scotch
Ballade pour Didier
Gypsy Today
Memories of Bridget
Anouman
Poinciana
The Bebop Gypsy
Seresta


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