Steingueldoir & Bogaerts – La Mer Vide (fdp)
S
self production
Der Pianist Harrison Steingueldoir und der Altsaxofonist Erik Bogaerts kennen sich seit mehreren Jahren von einem gemeinsamen Projekt am Konservatorium in Antwerpen. Nunmehr legen sie mit „La Mer Vide“ ein poetisch inspiriertes Album vor, das zugleich auch dem Minimalismus verpflichtet ist.
Bereits das Cover verrät, dass es um die Urgewalt der Natur, um stürmische Wasserhügel und -täler geht, um Meereswogen, um Wellentosen, aber nicht nur, wenn man sich die Tracktitel anschaut. Da lesen wir „A Moment Between“, „Layers“, „Dawn & Dusk“, „Secrets“ und schließlich um „La Mer Vide“. Diesen Themen widmen sich die beiden Musiker, die sich dafür auf die doch grundsätzlich recht fragil anmutende Formation eines Duos eingelassen haben. Dieses ermöglicht allerdings beiden Musikern ihren poetischen Spielansätzen nachzugehen. Es sind vor allem die zarten, teilweise auch transparenten Melodielinien, die auf dem Album zu überzeugen wissen.
Das beginnt schon bei den ersten Takten von „A Moment Between“. Beim bewegten Spiel des Altsaxofonisten muss man dabei an Windböen denken, die durch Laubkronen fahren und an den verdrehten Stämmen der Bäume am Feldrand zerren. Ist es Ruhe vor oder nach dem Sturm, die uns das teilweise im Diskant sich verlierende Klavierspiel verheißt? Aber auch Harrison Steingueldoir lässt uns neben der Ruhe nach dem Sturm an diesen selbst denken, zumindest aber an Herbstwinde. Dazu vernehmen wir das sehr feine Gebläse des Altsaxofonisten. Es erinnert hier und da vom Klang her an den Klang einer Klarinette, weichgezeichnet und auch zerbrechlich. Fürwahr es sind Momente, Zwischenräume, die die beiden Musiker füllen, durchaus, so der Pianist, auch basslastig als Kontrast zu dem Alt des Saxofonisten, der sich gelegentlich auch in den Sopran wagt, oder?
„Layers“ folgt auf das Eröffnungsstück. Und was können wir erwarten? Geschichtete Melodielinien vielleicht? Kanonähnliche Passagen? Klaviersetzungen mit kurzen Pausen hört man zu Beginn, dabei dem verschwindenden Klang folgend. Danach entwickelt der Pianist ein lyrisches Spiel, ohne sich in perlenden Tastenläufen zu ergehen. Eher meint man bildlich ein langsam dahin strömendes Rinnsal zu sehen. Verhalten und samten ist das Spiel des Saxofonisten. Würde man das Gehörte in ein Bild umsetzen, dann könnte man an eine Dünenlandschaft im steten Wind denken. Schicht um Schicht des Sandes wird weggeweht und irgendwo anderenorts angelandet. Die Musik hat durchaus auch meditative Züge und klassische Anlehnungen. Wer sich auf sie einlässt, der findet in ihr einen Ruhepol in der Hektik des Alltags. Alles fließt stetig, aber mit Ruhe.
„Dawn & Dusk“ haben die beiden Musiker auf dem Album auch umgesetzt. Der Beginn hat Anmutungen von Ragtime – dank an den Pianisten. Eigentlich wartet man auf eine rollende Basshand wie im Boogie, aber die bleibt aus. Zugleich wohnt dem Track auch etwas tänzerisch-beschwingtes bei. Könnte man nicht Jive zur Musik tanzen? Übrigens, Erik Bogaerts folgt in seinem Spiel Harrison Steingueldoir, der über weite Strecken die Klangfärbung des Tracks prägt.
Gleichsam wie aus einem Nebel erheben sich in „Secrets“ die Stimmen der beiden Musikern. Lang gezogen sind die Linien, die Bogaerts präsentiert, während Harrison Steingueldoir ein dramatisches Tasten-Setting hören lässt. Es klingt wie ein nahender Donner, der aufkommt und vergeht. Derweil verharrt Bogaerts in seinem samt-seidenen Spiel. Wie aus dem Off entwickelt kommt das letzte Stück des Albums daher: „La Mer vida“. Dem Altsaxofonisten gehört dabei zunächst die gesamte Aufmerksamkeit. Was besingt er? Das ruhige glatte Meer bei Vollmond? Das am Strand auslaufende Wasser mit Schaumblasen? Entgegen des Covers ist von Wellentosen nichts zu vernehmen. Es scheint Flaute zu herrschen, sprich Windstille. Sehr beruhigend wirkt das Stück. Einen Moment der Entspannung verheißt es – welche Wohltat.
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https://harrisonsteingueldoir.com/
http://erikbogaerts.com/
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