Stefan Bauer / Terry Clarke / Matthew Halpin / Matthias Akeo Nowak – MOSAIC
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Cornerstone Records
Vorab etwas zur Band, die mit dem aus Recklinghausen gebürtigen und in den USA lebenden Vibrafonisten und Marimbaspieler Stefan Bauer eine „Zentralfigur“ hat: Da ist zunächst der irische Saxofonist Matthew Halpin zu nennen, der unterdessen in Wien unterrichtet und lebt. NRW Journalist Stefan Pieper charakterisiert ihn als “eloquenten, klanglich sensiblen, zwischen Ekstase und Eleganz vermittelnden Saxspieler”.
Zum Quartett gehört auch der Kontrabassist Matthias Akeo Nowak aus Köln, der an verschiedenen Universitäten als Dozent und Professor tätig ist (Essen, Maastricht, Mannheim), wenn er nicht gerade mit eigenen Projekten unterwegs ist, wie z. B. mit seinem hochgepriesenen “Common-Ground”-Projekt (mit Achim Kaufmann, Sebastian Gille, Bill Egart). Aus Toronto, Ontario/Kanada, stammt der Drummer Terry Clarke, dessen Lebenslauf sich wie ein “Who is Who” vor allem der US-Jazzszene liest. So hat er u.a. mit John Handy, der Toshiko Akiyoshi Big Band, Oscar Peterson, Nancy Wilson, Toots Thielemans, Red Mitchell und sogar mit “The Fifth Dimension” gearbeitet.
Was nun unter dem Titel „MOSAIC“ vorliegt sind Live-Einspielungen von zwei Konzerten in Deutschland, zum einem im Dachtheater Warendorf und zum anderen im domicil Dortmund. Auf der Label-Seite finden sich zu diesem Quartett folgende Zeilen: “What you are about to hear amounts to four generations of jazz players who had never met or played together previously – until this magical meeting of four like minds from all over the world, a ‘Mosaic’ if you will, of new friends talking to one another in this amazing universal language of jazz, and in doing so, discovering ‘the art of imperfection’ … and the pure joy of being.”
Und noch etwas sei wegen des Albumtitels angefügt: „Im Gegensatz zum „Schmelztiegel“ USA gilt in Kanada (wo Bauer elf Jahre lang lebte) der von Pierre Elliot Trudeau (legendärer früherer Premierminister Kanadas) geprägte Begriff des „Mosaiks“: Jeder bringt die Stärken seines traditionellen soziokulturellen Umfelds mit und bringt sie in das „Zelt“ Kanada ein. Auch das Zusammentreffen von Musikern, die ansonsten generationsmäßig und geografisch weit voneinander entfernt sind, und die Rolle der improvisierten Musik und des Jazz im Allgemeinen können unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.“
So dann hören wir mal, welche „Mosaiksteinchen des Klangs“ uns das Quartett präsentiert: Aufgemacht wird das Album mit einer Komposition des kanadischen Gitarristen David Occhipinti. Sanfte Klangschwaden des Saxofons vereinen sich mit dem zarten Plink-Plink des Vibraphons, das ebenso wie der Bass anfänglich nur im Hintergrund zu hören ist. Zeitweilig vernimmt man Beckenrauschen, das Terry Clarke verantwortet. Matthias Akeo Nowak ist nachfolgend mit einem getragenen Bass-Solo zu hören, begleitet von Stefan Bauer am Vibrafon, das ein wenig kristallen klingt. Hier und da muss man an ein Glockenspiel denken, wenn Bauer seine Schlägel auf die Klangstäbe setzt. Alles ist dabei fließend im Klang, gleicht bildlich einem Gebirgsbach, der ins Tal rauscht. Mit „November 13“ hören wir die erste Komposition von Stefan Bauer auf dem Album. Schnelle Klangkaskaden dringen an unser Ohr. Wir meinen, dass der Vibrafonist für uns Wildwasserläufe einfängt. Oder symbolisieren seine Klangläufe einen bitterkalten, eisigen November mit Eiszapfen an den Hausdächern und Eisblumen auf den Fenstern? Sobald Matthew Halpin seine Stimme erhebt, hat man eher den Eindruck, man höre eine verlorene Stimme im dichten Novembernebel, oder? Mit Bedacht, zerbrechlich erscheinend, sonor und zart spielt Halpin sein Instrument, das ja oftmals eher marktschreierisch und dominierend eingesetzt wird. Kein Wunder, denn dafür hatte der Erfinder des Saxofons, ein Herr Sax aus dem belgischen Dinant, es auch gedacht, im Rahmen von Militärkapellen und deren Musik.
„Piece of Cake“ ist gleichfalls eine Komposition des Vibrafonisten und scheint in den Harmonien und Klangfarben an den Jazz der späten 1950er Jahre anzuknüpfen. Stets ist dabei die Melodie im Fokus, auch und gerade im Solo von Bauer. Das Solo gleicht einem Klangtanz und ist voller Dynamik. Bauer schwelgt in schnellen Klangläufen, ehe dann Halpin das musikalische Zepter ausgehändigt bekommt. Wie in den Stücken zuvor, ist es nicht Bauer, der Regie führt und die Klangfärbungen differenziert. Daran sind alle Mitglieder des Ensembles auf Augenhöhe beteiligt.
Der Bassist des Quartetts steuert mit „Clown“ seinen Beitrag zum Album bei und setzt dabei seine tieftönigen Akzente. Zugleich vernehmen wir ein kurzes Röhren des Saxofonisten, das in eine bewegte auf-und absteigende Melodielinien übergeht. Tickticketack – so meldet sich der Drummer zu Wort. Und der Vibraphonist schwelgt im Diskant und in perlenden Sequenzen. Von Stefan Bauer finden sich die nachfolgenden vier Kompositionen, darunter „A Brooklyn Shindig“. Irgendwie fühlte sich der Rezensent beim Hören an die Musik von Art Blakey and The Messengers erinnert. Das Stück hat eine überaus swingende Note, und man kann dabei auch an Lindy-Hop-Tanzende denken. Das hörenswerte Album schließt mit dem sehr fetzigen und temporeichen „Coast to Coast“. Beim Hören kann man sich vorstellen, musikalisch werden hier Rallye-Autos in rasanter Fahrt in Geraden und Kurven eingefangen, die bei einer Kanada- oder USA-Durchquerung von Ost nach West eingefangen werden . Also „Coast to Coast“ eine Art klangliches Roadmovie?
© f. dupuis-panther 2024
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Line-up
Stefan Bauer (vibes)
Terry Clarke (drums)
Matthew Halpin (sax)
Matthias Akeo Nowak (bass)
SOUNDCLOUD
Tracks
1. Fifth Season (David Occhipinti) 8:38
2. November 13 (Stefan Bauer) 8:38
3. Piece of Cake [to Bob Kincaid] (Stefan Bauer) 3:03
4. Clown (Matthias A. Nowak) 6:05
5. Lonely Moments (Stefan Bauer) 7:33
6. A Brooklyn Shindig (Stefan Bauer) 6:01
7. Zeitinseln (Stefan Bauer) 8:58
8. Coast to Coast (Stefan Bauer) 8:28