Snow Owl - Normas

Snow Owl - Normas

S

self production, 2014

Richtlinien, Vorgaben, Regelwerke, Normen – so lautet die Titelübersetzung des jüngsten Albums des aus Kolumbien stammenden, in den USA aufgewachsenen und nun in Österreich beheimateten Kontrabass-Gitarristen Juan Garcia-Herreros genannt „Snow Owl“. Wäre der Musiker ein Mitglied der First Nations der USA oder Kanada, würde man den „tribalen Namen“ vielleicht besser nachvollziehen können. So aber ist man zunächst mehr als nur verwirrt. Juan Garcia-Herreros stammt nämlich aus Kolumbien und ist eben nicht ein Mitglied der Sioux, der Mohawks oder eines anderen „Stammes“ nordamerikanischer Ureinwohner. Vielleicht muss man daher „Snow Owl“ lediglich als Künstlernamen begreifen. Allerdings bleibt auch dann die Frage nach dem Warum.

Doch das soll uns bei der Besprechung des Albums nicht weiter interessieren, denn dabei geht es ja um Melodien, Harmonien, Kontrapunkte im übertragenen Sinne, lateinamerikanische Rhythmen, kraftvolle Bläsersätze und eine sechssaitige Kontrabass-Gitarre, die beim ersten Hören auch nicht anders als Eberhard Webers E-Kontrabass klingt. Insgesamt sieben Eigenkompositionen wurden für das Album aufgenommen. An diesen Aufnahmen waren neben dem Bandleader nachstehend genannte Musiker beteiligt: Hector Martignon (Piano), Jonathan Powell (Trumpet), Jeremy Powell (Tenorsaxophone), Mamadou Diabate (Balafon), Conrad Schrenk (Guitar), Alexander Wladigeroff (Flugelhorn), Klaus Dickbauer (Bass Clarinet), Roberto Quintero (Percussion), Djakali Kone (Djembe), Abdoulaye Dembele (Percussion) und Stoyan Yankoulov (Drums), Daniel Mesquita (12-String Guitar).

Wie die sechssaitige Kontrabass-Gitarre ist auch das Balafon ein eher selten gespieltes Instrument. Das Balafon gehört in die Gruppe der Schlagwerke wie das Vibrafon und das Marimbafon. Es ist in der Musik Westafrikas keine Seltenheit und ist am ehesten mit einem Xylofon zu vergleichen, unter dessen Klangstäben Kalebassen als Resonanzkörper befestigt sind. So mischt sich dann nordamerikanischer Jazz mit westafrikanischer Musik und Latin-Rhythmen, so jedenfalls der generelle Höreindruck des Rezensenten nach dem Abhören des dritten Albums von „Snow Owl“.

„Señor C. P.“ Ist die erste Komposition, die wir hören. Eingebunden in diese ist sowohl ein umfängliches Klaviersolo von Hector Martignon als auch ein Trompetensolo Jonathan Powells. Zu Beginn schlagen Klanghölzer aufeinander. Basssprünge werden den Tasten des Klaviers entlockt, und dann entlädt sich der Klang der geballten Bläsermacht. Flott sind die Rhythmen, und der Salsa ganz nahe. Derweil agiert das Klavier mit seiner eingängigen Basslinie im Hintergrund. Dazu vernimmt man verschiedene Perkussionsinstrumente, und die Kontrabassgitarre gibt tänzelnde Tonfolgen von sich, ehe dann das Trompetensolo den Klangraum ausfüllt. Wir sind eingetaucht in die Musikwelt Lateinamerikas, mit Señor C. P., der für uns, wenn auch nicht musikalisch, ein Unbekannter bleibt.

Nachfolgend sind wir auf der Spurensuche, wenn die Komposition „Huellas“(dt. Spuren, Abdrucke) auf dem Programm steht. Dschungelstimmen umfangen unser Ohr. Vogelgezwitscher ist zu vernehmen. Meldet sich da nicht auch ein Brüllaffe? Steter Wind kommt auf. Knarren und Rasseln melden sich aus dem Off. Ehe das Balafon an der Reihe ist, melden sich die Bläser und breiten ihren Klangteppich aus. Nicht so weich wie das Marimbafon tönt das Balaton für einen Moment. Auch der Nachklang dieses Schlagwerks ist nur kurz. Trompete und Saxofon lösen das Schlagwerk mit ihrem Trällern ab. Heiter ist die Stimmung. Ein Furioso folgt, ehe dann Juan Garcia-Herreros seinen Tieftöner zum Schwingen bringt.Was ist das denn für ein Klang? Ist da noch ein Keyboard oder ein Synthesizer mit im Boot? Nein, das kann nicht sein. Klingt so vielleicht eine modulierte E-Gitarre? Sphärenklänge ertönen so, als ob man einen Film mit brillanten Aufnahmen der Aurora Borealis oder von Irrlichtern habe untermalen wollen. „Impulso Interno“ oder „innerer Antrieb“ hören wir als Nächstes. „Kontrapunktisch“ zu den Bläsern agiert die Kontrabassgitarre zu Beginn der Komposition. Im Weiteren meint man bei den dominierenden Bläsern einen Hauch von „Blood, Sweat and Tears“ zu verspüren. Prägnant sind die Zäsuren, die der Pianist setzt. Davon lässt sich aber Jeremy Powell bei seinem Tenorsaxofonsolo wenig beeindrucken. Ungezügelt erscheint es. Nahezu am Ende des Stücks schwingen sich die Bläser zu einem Klanginferno auf. Dramatik pur ist dann angesagt.

Bei „Cuerpo y Alma“ ist ein gänzlich anderes Harmonieschema festzustellen. Balsam für die Seele ist der weiche Klang der Bassklarinette, die Klaus Dickbauer im „hallenden Raum“ einsetzt. Das hat nichts von Swing, Sidney Bechet oder Benny Goodman. Eher klassisch und getragen mutet das Spiel von Dickbauer an. Das gilt auch für die anderen Instrumente, die sich nach und nach einmischen. Man könnte beim Spiel der Bläser gar von einer schwermütigen Stimmung sprechen. In eine Art ostinato verfällt das Klavier. Erstmals ist auch ein Gitarrensound eingebaut worden, der sich mit dem samtenen Klang des Flügelhorns vermischt. Im Hintergrund agieren Bassklarinette und Kontrabassgitarre. Nach diesen Klangwolken für „Körper und Geist“ – so die deutsche Übersetzung des Titels – wenden wir uns nachfolgend „Som I Serem“ zu, ehe wir dann berührt werden: „Touched“ nannte „Snow Owl die vorletzte Komposition des Albums. Nach den romantisch anmutenden Klaviersequenzen in „Som I Serem“ könnte nun der Kontrast nicht größer sein: Trommelwirbel eröffnen das Stück. Im Fortgang werden sie schneller, ehe dann beinahe im Sound einer Big Band die Bläser dem Schlagzeug ins Wortfallen. Rollende und sprudelnde Tastenläufe schließen sich an. Dabei ist eine starke Basshand des Pianisten nicht zu überhören. Nervös gezupft wird die Kontrabassgitarre ohne Unterlass. Darüber wirft sich erneut der volle Bläsersatz, ehe dann das Tenorsaxofonsolo angestimmt wird. Dieses klingt so, als wäre jemand in Eile, als wolle jemand nicht zu spät kommen. Ähnliches lässt sich über das eingebaute Trompetensolo anführen, das erregt und aufgeregt erscheint. Mit „Hearts of Ether“ klingt das Album dann schließlich aus.

© ferdinand dupuis-panther

Informationen

Juan Garcia-Herreros
www.the-snow-owl.com


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