Snorre Kirk with Stephen Riley - Going Up

Snorre Kirk with Stephen Riley - Going Up

S

Stunt Records

Bisweilen sind Liner Notes recht belanglos. Manchmal sind sie von den jeweiligen Musikern verfasst und daher O-Töne, die nicht nur Zugang zur Biografie, sondern auch zu den Intentionen und Motiven für das jeweilige Album ermöglichen. Bei dem vorliegenden Album kreisen die Liner Notes von SØREN FRIIS um die Frage der Kategorisierung von Musik bzw. Jazz. Dabei fällt auch der Begriff Mainstream, häufig auch abwertend gemeint. Zu übersetzen ist dieser Begriff am besten wohl mit massentauglich. Was steht dem gegenüber? Verkopfter Jazz? Nischenmusik? Musik einer kleinen intellektuellen Elite? Friis formuliert es gleich zu Beginn seiner Ausführung so: „The conversation concerning one’s favorite subgenre of Jazz is a hot topic among enthusiastic listeners. My usual response doesn’t offer much in the form of an answer: “whichever is the best!” Cue the eyerolls. The game they want to play, and trap they believe they’ve set, demands that the other participant,player align themselves with loaded words like swing, Dixieland, free jazz, bebop, and fusion. Throughout its relatively short but rich history, audiences of the original American art form have relished in labeling artists and packaging playing styles neatly into boxes.“

Man könnte wohl sagen, dass Snorre Kirk dem Mainstream Jazz anhängt. Das tut der Musik jedoch keinen Abbruch, wenn denn Wynton Marsalis mit der Definition von Jazz als Swing und Blues Recht hat. Dem folgend geht Mainstream Jazz auf die Wurzeln des Jazz zurück, die in Afrika und in New Orleans liegen. Lesen wir weiter im Text der CD: „Snorre represents a sophisticated form of Jazz, where time both stands still and also resonates with a rare purity. You could call it Mainstream, as there is an echo of something that once was, something that no longer exists as it once did.“ Das mag genug sein für den Moment, um über Genres und Subgenres im Jazz zu reden. Denn eigentlich muss die Musik sprechen, die der aus Norwegen stammende Drummer und Komponist Snorre Kirk aktuell präsentiert. Dabei scheint es dem Rezensenten zweitrangig, ob von Mainstream oder Subkultur die Rede ist. Auf die Musik kommt es an. Mainstream, direkt übersetzt als Hauptstrom, Hauptrichtung oder genereller Trend, bedeutet im Jazz ja eigentlich nicht mehr als vom Swing beeinflusst. Und ist nicht auch Bebop in Teilen von Swing beeinflusst?

Eingespielt hat der Drummer und Komponist Kirk sein aktuelles Album mit folgenden Musikern: Stephen Riley (ts), Magnus Hjorth (p), Anders Fjeldsted (b), Snorre Kirk (dr) sowie Jan Harbeck (ts). Zu hören sind die nachstehend aufgeführten Kompositionen: „Right On Time“, „Streamline“, „Going Up“, „Dive“, „Bright & Early“, „Highway Scene“, „Call To Prayer“, „Blues Arabesque“ und schließlich „The Grind“.

Schon bei den ersten Takten von „Right on Time“ ist nicht nur ein Fußwippen angebracht, sondern man möchte, sobald der Pianist in die Tasten haut, aufspringen und den Swing oder Lindy Hop tanzen. Es muss ja nicht gleich mit Rotation und Überschlag sein, oder? Säuselnd und fein gestimmt vernehmen wir dann den Saxofonisten. Leider ist auf dem Cover bei dem Titel nicht vermerkt, wen wir da zunächst hören, sind doch zwei Tenorsaxofonisten mit von der Partie – siehe Line-up. Keine Frage, beim Zuhören fühlt man sich auf einer Zeitreise, irgendwie auch zu Kid Ory und Fletcher Henderson unterwegs, oder? Wir schwimmen auf einer kaskadierenden Welle, die dem Pianisten Magnus Hjorth zu verdanken ist. In dessen „beschwingte Fußstapfen“ tritt der Bassist Anders Fjeldsted, Mit zartem Klick und Klack sowie Beckenschwirren ist Snorre Kirk die ganze Zeit unterwegs, nicht aufdringlich, aber schon auszumachen.

Mit einer Attitüde, mit der auch Ragtime gespielt wird, überzeugt der Pianist des Ensembles in „Streamline“. Stromlinien vernimmt man außerdem, wenn der Saxofonist ausschweifend seine melodiösen Linien spielt. Perlendes Klavierspiel vereint sich im Weiteren mit dezent gesetztem Schlagwerk. Irgendwie scheint auch Louis Armstrongs „Hot 5“ zugegen zu sein, oder? Eine stampfende Basslinie mischt sich im Nachgang mit kristallinen Schraffuren, die Magnus Hjorth zeichnet. Gehaucht ertönt das Saxofon, das eine wesentliche Klangfarbe des Ensembles repräsentiert. Lauscht man dem Spiel des Saxofonisten, so denkt man an einen warmen Sommerwind, in dem Palmenwedel sich sacht hin und her bewegen. „Going up“ heißt übrigens der Titel, und in jedem Moment wartet man auf einen weiteren Bläser, vielleicht auf einen Trompeter oder Posaunisten. Doch eine solche Erweiterung gibt es bei dem aktuellen Ensemble nicht. Dafür ein eindrucksvolles Basssolo, schwergewichtig und in Umbra gehalten, wenn man denn eine Farbpalette für Klangnuancen zu wählen hätte.

Widmen wir uns nachfolgend „Highway Scene“, so kommen dem einen oder anderen Zuhörer Assoziationen zu Filmszenen in Schwarz-Weiß in den Sinn, Szenen aus dem sogenannten Wilden Westen – man denke an „High Noon“ – und aus klassischen Revue- und Musikfilmen wie etwa „Singing in the Rain“. Die Melodie von „Highway Scene“ scheint vertraut und zum Mitsingen angelegt, oder? „Call to Prayer“ heißt es auch auf dem Album. Dabei konzentriert sich alles auf das Saxofon, das seine Stimme erhebt. Diese schwillt dabei wie ein Signalhorn an, erhebt und senkt sich. Alle anderen Musiker schweigen. Doch wem ist das Solo zu verdanken? Nachfolgend lauschen wir einem Blues, da dann „Blues Arabesque“ zu hören ist. Sonor ist die Stimme des Saxofons. Im Rhythmus vernimmt man einen gewissen „orientalischen Einschlag“. Frisch und sehr beschwingt ist das Abschlussstück „The Grind“. Dabei kann man bei diesem Stück schon spüren, wo die Wurzeln des Rock 'n' Roll liegen, Jive kann man gewiss auf „The Grind“ tanzen. Damit geht eine kurzweilig zu nennende musikalische Reise zu Ende, die ausschließlich melodisch ausgerichtetem Jazz gewidmet ist. Nostalgie? Vielleicht!

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