Snorre Kirk – Beat
S
Stunt Records
Der norwegische Schlagzeuger und Komponist Snorre Kirk scheint mit seinen Kompositionen aus der Zeit gefallen zu sein. Hier und da sind Ellington und Mingus als geistige Paten anwesend. Referenzen an die großen Tanzorchester der 1950er Jahre sind gleichfalls vorhanden. Bisweilen meint man, dass bei dem Ansatz der Saxofonisten Jan Harbeck und Klas Lindquist Reminiszenzen an Legenden wie Gerry Mulligan und Paul Desmond wach werden.
Ohne Frage pflegt Kirk ungebrochen Jazztraditionen und stellt mit dem aktuellen Album unter Beweis, dass auch ein Schlagzeuger durchaus das Zeug zum Bandleader hat. Kirk ist außerdem ein gern gesehener Sideman, ob bei den Vokalistinnen Sidsel Storm und Malene Mortensen, beim Tenorsaxofonisten Jesper Thilo oder im Trio des Pianisten Magnus Hjort.
Snorre Kirk debütierte 2012 mit dem Konzeptalbum „BLUES MODERNISM“. Dabei präsentierte er Blues im zeitgemäßen Gewand. Für das genannte Album erhielt er als Auszeichnung den ,Jazz Special Magazin-Jahrespreis für das beste Album in Dänemark. Zudem verzeichnete er zwei Nominierungen für den Dänischen Musikpreis. Für Furore sorgte auch das nachfolgende Album „EUROPA“, dass Kirk den Weg für Auftritte bei renommierten Festivals ebnete, so beim North Sea Jazz Festival, beim Art of Swing Festival in Kansas City und beim Pori Jazz Festival in Finnland.
Nun also liegt ein weiteres Album Kirks vor, bei dem sehr deutlich die Anleihen herauszuhören sind, ohne dass die auf dem Album vorhandenen Kompositionen reine Kopien von Strayhorn, Mingus oder Ellington sind. Ab und an vermeinen wir Versatzstücke zu erkennen, meinen Eklektizismus auszumachen und dann doch wieder nicht.
„BEAT“ umfasst acht Eigenkompositionen von Kirk. Zudem spielten er und seine Band ein Stück des Posaunisten Juan Tizol ein, der einst zum Duke Ellington Orchestra gehörte und sehr selten noch gespielt wird: „Zanzibar“ (1946). Dazu führt Kirk aus: “It’s certainly not a coincidence that the number is included.“ Und weiter: “I’ve been working on some of jazz’s more exotic pieces, so crossing paths with Tizol was inevitable. His ‘Caravan’ from 1936 created a school in itself, and his ability as one of the first to create music inspired by, for example – Latin music – is unparalleled.” Was noch hinzugefügt werden muss, ist die Tatsache, dass die Band um Snorre Kirk allen Kompositionen eine gehörige “Swingwürze“ beimischt, sodass man auf der Stelle einen Jive aufs Parkett legen möchte oder auch einen Lindy Hop.
Mit „Exotica“ und „18th & Vine“ macht das aktuelle Album auf. Es folgen „Monaco“, „Blues Arabesque“ und „Blues Overture“. Blues ist augenscheinlich ein Genre, das Kirk besonders schätzt, oder? Der „Titelsong“ des Albums heißt „BEAT“. Als Ausklang seines vierten Albums wählte Kirk den Song „Bells, Bells, Bells“.
Beinahe so eingängig wie Brubecks „Take Five“ kommt „Exotica“ daher. Dabei lebt dieses Stück vor allem von den klanglichen Weichzeichnungen des Alt-Saxofonisten (?) der Band sowie dem dezenten Besenspiel des Bandleaders. Gewiss auch „Caravan“ und „A Night in Tunisia“ scheinen, oberflächlich betrachtet, Referenzen zu sein. Schließlich vermeint man, eine „singende Säge“ zu samtenem Klarinettenklang zu vernehmen. Tja, das Singen einer Säge ist dem Kornettisten Tobias Wiklund zu verdanken, der auch mit einem Solo bei „18th & Vine“ zu brillieren weiß. Mit fein austarierten Phrasierungen antwortet darauf der Pianist Magnus Hjorth. Im gemeinsamen Bläsersatz kann man durchaus Spielansätze von Cannonball Adderley entdecken.
Schwirrende Sticks treffen bei „Monaco“ auf „langatmige“ Bläserklangschwaden. Eine verrauchte Bar um Mitternacht ist ganz nahe, so meint man beim Zuhören. Das Orchester spielt zum Tanz auf. Nachtschwärmer sind unter sich und denken noch nicht ans Heimgehen. Beinahe lasziv erscheint das Solo des Tenorsaxofonisten Jan Harbeck (?), der bisweilen seinen Holzbläser schnurren lässt. Diskante Klangquellen fließen dahin, wenn Magnus Hjorth in die Tasten greift. Ein wenig mit lateinamerikanischer Rhythmik durchzogen ist das Stück obendrein.
Bei „Blues Arabesque“ drängt sich der Eindruck auf, dass Ellingtons „Take The A Train“ nur einen anderen Titel bekommen hat. Im Duktus und in den Harmonien ist diese Komposition Kirks sehr nahe an dem erwähnten Ellington-Song. Erneut brilliert Tobias Wiklund mit einem flotten Solo. Im Ansatz scheint er dabei an Chet Baker und Miles Davis anzuknüpfen. Würde man nicht den Titel kennen, würde man meinen, dass man zwar nicht im „A Train“, aber vielleicht im „SK Train“ unterwegs ist. Zudem wird dem aufmerksamen Zuhörer deutlich, wo die Wurzel des frühen Rock ´n Roll liegen und welche Übergänge es vom Jive zum Rock ´n Roll gibt. Neben der Nähe zu Ellington scheint es aber auch eine Nähe zum Glen Miller Orchestra zu geben, oder nicht?
Trauernd-eingeschwärzt und getragen, durchaus auch als ein Lamento anzusehen – das ist die Komposition „Portrait“. Hat sich der norwegische Drummer dabei vielleicht von seinem Landsmann Edvard Grieg inspirieren lassen? Man denke dabei unter anderem an „Solveigs Lied“. Tickticktick und dazu ein schnurrendes und gurrendes Tenorsaxofon vernimmt man am Beginn von „BEAT“. Eine ausgelassene Klarinette vermischt sich mit dem Holzbläser zu einem Bläserinferno, zu dem auch das Kornett seine Klangfärbungen beisteuert. Nein, Benny Goodman wird nicht eingeblendet, aber Klas Lindquist scheint ganz und gar in die Rolle des Meisters des Swing und der Klarinette zu schlüpfen. Im weiteren Verlauf entführt uns die Band dann nach New Orleans und zu den Wurzeln des Jazz.
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons!.
Informationen
www.sundance.dk
Line-up
Tobias Wiklund (corn)
Jan Harbeck (ts)
Klas Lindquist (as, cl)
Magnus Hjorth (p)
Lasse Mørck (b)
Snorre Kirk (d)