Sinfonia de Carnaval - Sweeping Dragon
S
Preiser Records
Ein Duo, ein sehr intimes Ensemble also, präsentiert die vorliegende CD. Es sind die Cellistin Anna Lang und der Posaunist und Akkordeonist Alois Eberl, die Kompositionen wie „Totale Nebelfinsternis“, „The Drone“, „Mondmantel“ oder „Der Mond kommt auch Eiswürfel essen“ eingespielt haben. Die Titel der Kompositionen scheinen auf den ersten Blick befremdlich und eher aus der Welt eines Fantasie-Romans entsprungen zu sein. Bei der genannten Instrumentierung steht das Akustische im Vordergrund; auf Elektronisches verzichten die beiden Musiker jedoch nicht vollständig, wie man bereits beim Hören der ersten Komposition des Albums namens „The Drone“ hört.
Sphären-Klang trifft auf ein gestrichenes Cello – so beginnt der Dronen-Flug in „The Drone“. Anschließend vernehmen wir stufig gesetztes Posaunengebläse. Spitze Bogenstriche der Cellistin folgen. Dazu vernimmt man auch sensibel gesetzte Perkussion und einen aufgeregt klingenden Posaunisten. Kurz schraffiert scheint das, was wir vernehmen. Da gibt es keine weiten Klangbrücken, sondern eher wechselhafte Klangsequenzen, die ein Hin und ein Her einfangen. Bisweilen hat man gar den Eindruck, die Nähe zu Techno-Beats wird gesucht, derweil im Hintergrund ein weicher Klangteppich im Off ausgerollt wird.. Mit scharfem Bogenstrich wird das Stück dann beendet.
Nachfolgend hören wir „Der Wächter des Drachens“. Alois Eberl ist nunmehr als Akkordeonist zu hören. Verfällt er beim Spiel in ein Tango-Singsang? Oberflächlich betrachtet könnte man das annehmen. Getragen ist hingegen das Spiel von Anna Lang, die uns mit ihrem Duktus in die Welt der klassischen Musik zwischen Schubert und Brahms entführt. So könnte man es meinen, folgt man den Passagen der Cellistin. Im Weiteren vereinen sich Zuginstrument und Streicher in einem sehr rhythmisch angelegten Klanggewebe. Gänzlich anders vom Duktus und der Klangfärbung ausgeformt ist die Komposition „Sweeping Dragon“. Hier bekommt man den Höreindruck, dass der Posaunist nicht Posaune, sondern eher Waldhorn spielt. Kurz eingeblendet sind elektronische Verwischungen, ansonsten aber hören wir das Zupfen der Cellosaiten, dabei durchaus in die Tiefen eines Basses vordringend. Darüber liegen die sonoren, verhallenden Sequenzen des Posaunisten. Sind hier und da nicht auch kurze Loops zu erleben? Im Kern jedoch malt der Posaunist Alois Eberl musikalisch eine weite wellige Landschaft bis zum Horizont. Zwischendrin röhrt, schnurrt und gurgelt die Posaune, ist ein Schwirren und ein Flirren zu hören, so als ob ein Schwarm von Hummeln an uns vorbeifliegt.
Gedämpft und „gebrochen“ wird die Posaune in „Bazar“ gespielt. Dazu vernimmt man ein wildes Saitenspiel der Cellistin. Unterlegt ist alles mit einem redundanten Bassdrum, oder? Stellenweise wird man beim Hören an höfische Musik erinnert, vor allem bei einigen Cellopassagen. Doch das sind vergängliche Momente, da danach Techno und Rave angesagt sind. Genau dieser Wechsel im Charakter des Spiels ist es, was das Spannende ausmacht. Das ist eben kein kammermusikalisch ausgerichteter Jazz, wie man dies angesichts der Instrumentierung erwarten könnte, sondern Fusion 2.0. Hier und da muss man auch an die Musik von LBT denken, die ebenfalls nicht davor zurückschrecken, die eingefahrenen Wege von Jazz zu verlassen. Das gilt insbesondere auch für Eberl/Land!
Musikalisch erleben wir anschließend eine „Totale Nebelfinsternis“. Die Weite des Universums erschließen uns die beiden Musikanten auf ihre Weise. Durchaus mit Elementen des Rocks ist das Stück durchzogen. Ab und an muss man gar an die Musik von Pink Floyd denken, oder? Grenzgänge werden beschritten, und das Cello klingt dann mehr wie ein E-Bass. Stakkato-Beats werden eingemischt; vollmundig agiert der Posaunist, dabei auf lange Klangschleifen verzichtend. Noch etwas ist auffällig an dem Duo: der Instrumentenwechsel, der mit einem Charakterwechsel und Farbwechsel der Stücke einhergeht. Das gilt auch für „Serenade für Mount Hadley“. Da vereint sich ein langatmiges Akkordeon mit einem gezupften Cello, das sich streckenweise nach fallenden Regentropfen anhört. Dass ein Cello aber durchaus in den Duktus eines Klageliedes verfallen kann, unterstreicht Anna Lang im Weiteren. Und zudem vernimmt man ein Spiel, das einem Moritat entspricht und durchaus Nähe zum Songspiel von Brecht und Weill aufweist. Man denken dabei an „Surabaya Johnny“.
„Der Mond kommt auch Eiswürfel essen“ entstammt als Titel einer Äußerungen des Nachwuchses des Paares Eberl/Lang und ist auch als O-Ton Teil der Einspielung. Cello-Gezupfe trifft auf den Klang eines Waldhorns, so der flüchtige Eindruck. Alois Eberl spielt auf der Posaune einen entsprechenden Ansatz, der uns an ein Wald- oder ein Flügelhorn denken lässt, wenn wir dem Stück in seinem melodischen Lauf folgen. Vom Duktus her erinnert das Stück in einigen Teilen an sakrale Posaunenmusik. Im nächsten Moment allerdings entführt uns Alois Eberl als Vokalist dann nach Brasilien und unterstreicht, dass er etwas von Scat Vocal versteht. Anna Lang erweckt auf dem Cello nachfolgend den Eindruck, ein Berimbau sei mit im Spiel. Doch weit gefehlt. In der Tradition irischer und britischer Folksongs geht es in „Running at the Hyde Park“ weiter, ehe mit „Air from you“ ein Schlusspunkt gesetzt wird. Fazit: ein abwechslungsreiches Hörerlebnis, von dem man nicht genug haben kann!
© ferdinand dupuis-panther
Infos
www.sinfoniadecarnaval.com
Alois Eberl
https://de.wikipedia.org/wiki/Alois_Eberl
https://www.aloiseberl.com
Anna Lang
https://www.anna-lang-cello-piano.at/de/kuenstler/14-alois-eberl.html
Tracks :
1 The Drone
2 Der Wächter des Drachen
3 Sweeping Dragon
4 Bazar
5 Totale Nebelfinsternis
6 Serenade for Mount Hadley
7 Mondmantel
8 Der Mond kommt auch Eiswürfel essen
9 Running at the Hyde Park
10 Air from You