Sebastian Böhlen Quartet: Miscela
S
Laika Records 07577
Mit dem Attribut Nachwuchshoffnung wird der Komponist und Gitarrist Sebastian Böhlen belegt, der in diesem Sommer vom niedersächsischen Kultusministerium ein Kompositions-Stipendium erhielt, eine Auszeichnung, die Böhlen nach eigenem Bekunden sehr zu schätzen weiß. Vorgelegt hat der junge Gitarren-Virtuose auf der aktuellen Silberscheibe acht Eigenkompositionen und einen Standardtitel. Mit „Siblings“ beginnt die Veröffentlichung und mit „Blame It On My Youth“ endet sie.
Die „Hymne an die Sippschaft“ beginnt mit flottem Schlagwerk und eingängigem Bass, ehe Böhlen selbst in die Saiten greift und dann auch Stefan Schmid am Saxofon zu vernehmen ist. Beide spielen gleichsam im Duett, um die „Verwandtschaft“ für sich „zu gewinnen“. Danach setzt Böhlens Solo ein. Zart swingt das Saxofon ein und nimmt uns auf einem Stück Weg mit. Völlig deplatziert erscheint es, wolle man Böhlens Spiel mit dem der Granden des Gitarren-Jazz, ob Jim Hall, Pat Metheny, Barney Kessel oder Joe Pass, zu vergleichen. Auch wenn sich das angesichts von Böhlens Gitarrenspiel aufdrängt. Doch Böhlen ist Böhlen und Pass ist eben Pass – Ähnliches gilt auch für alle anderen Genannten. Sehr überzeugend sind die Phrasierungen, die er im Dialog mit dem Saxofonlauf von Schmid zu Gehör bringt. Schon das erste Stück verrät von den Vorlieben Böhlens: Es scheinen Kompositionen im Stile von Lester Young, Ben Webster, Gary Mulligan und anderen Jazzgrößen der 50er und 60er Jahre zu sein.
Gefolgt wird „Siblings“ von einer überaus langsamen, beinahe melancholisch-getragenen Weise, die den Titel „A False Spring“ trägt. Dezent ist das Schlagzeugspiel von Peter Gall zu den Klangteppichen, die Böhlen vor uns ausbreitet. Getragen sind außerdem die Saxofonphrasierungen von Stefan Schmid. Und ganz sparsam agiert Jakob Dreyer am Bass im Hintergrund.
Mit dem nachfolgenden Stück „The End Of An Avocation“, so Böhlen, habe er auch für sich eine Zäsur gesetzt: Musik sollte nicht mehr Hobby und Nebenbeschäftigung (engl. avocation) sein, sondern zentraler Fokus der weiteren Karriere. Das Saxofon schwebt in dieser Komposition vom „Ende der Nebenbeschäftigung“ in seinen Klangreihen gleichsam über dem Gitarrensound. Akzentuiertes Schlagzeug ist zu vernehmen. Böhlen lässt seinen Fingern auf den Saiten schließlich freien Lauf, ehe Bass und Saxofon sich in ein Zwiegespräch verstricken.
Gespannt darf man bei „A Strange Enough Ending“ sein, denn wird es wirklich ein „befremdendes Ende“ geben? Lauscht man den Themenblöcken, so fühlt man sich bisweilen an die europäische Klassik und auch an die Adaption dieser Klassik wie zum Beispiel durch Ian Anderson (Jethro Tull) erinnert. Doch dann erfolgt ein Bruch, wenn Dreyer die Basssaiten zum Schwingen bringt und Schmid eine Art Lamento anstimmt. Aufgeregt ist dann das Ende des Stücks – und das ist dann doch überraschend.
Weitere Kompositionen Böhlens sind „Interlude“ und das eher beschwingt-fröhliche „Anyway“. Dass am Ende der gesamten Einspielung ein Standard steht, ist wohl als die Verneigung des jungen Böhlen vor den „Heroen“ des Jazz zu begreifen. „Blame It On My Youth“ wurde von Oscar Levant und Edward Heyman im Jahr 1934 geschrieben. Einspielungen des Titels gibt es unter anderem auch von Chet Baker und Nat King Cole. Böhlen hat sich seine „Waffenbrüder“ also bestens ausgesucht, oder?
© Ferdinand Dupuis-Panther
Informationen
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Sebastian Böhlen
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