Schntzl

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S

W.E.R.F. 140

In der belgischen Jazzszene gibt es eine Reihe von Musikern, die als Grenzgänger unterwegs sind und keine Berührungsängste mit verschiedenen Genres haben. Sie sind die „jungen Wilden“. Zu diesen gehört auch das Duo SCHNTZL, bestehend aus dem Pianisten Hendrik Lasure und dem Drummer Casper Van De Velde. Bunte Hörfarben mischen sie mit allerlei Soundeffekten, die man auch von der gängigen Popmusik dieser Tage kennt. Das Experiment steht im Mittelpunkt einer durchaus minimalistischen Musik, die auch klassische Elemente aufgreift.

Dass das Debütalbum überhaupt das Licht der Welt erblickte, ist dem Gewinn des Wettbewerbs STORM! zu verdanken. Dieser Wettbewerb  ist eine Initiative von Vrijstaat O., De Werf, Muziekmozaïek und JazzLab Series. Schntzl gewann diesen Wettbewerb 2015, sodass neben einer CD auch eine Doppel-LP gepresst werden konnte. Die Präsentation des aktuellen Albums fand auf einer Tournee mit 25 Konzerten statt, die durch Flandern, Wallonien und die Niederlande führte.  Unterstützt wurde diese Tournee durch  JazzLab Series, Les Lundis d'Hortense  und De Brakke Grond. Noch ein O-Ton eines bekannten Musikers Belgiens: Peter Vermeersch, künstlerischer Leiter von FES und Jurymitglied STORM! Contest, bemerkte zu Schntzl: „De jury waardeerde het verrassende geluid en de originele bezetting van dit duo dat onbevangen en vol enthousiasme een eigen geluid bracht. De muziek is intuïtief, speels, suggestief en pakkend. Beide muzikanten getuigen van een authentiek talent.”

Bis auf „Flow My Tears“ (John Dowland) stammen alle aufgenommenen Titel aus der Feder des Duos Lasure/Van De Velde. Zu hören sind unter anderem Kompositionen wie „Lindbergh“ - denkt man da nicht an den Flugpionier? -, „Dame en Konijn“, „Shanghai“,  sowie „He Sees Only Bird“ - Ist da Charlie „Bird“ Parker mit im Spiel? - und schließlich „Océane Mille“.

Schnarrend-blechern klingt es bei „Lindbergh“, und dazu hört man auch leicht verzerrten Lautgesang, der ein wenig an Gregorianik angelehnt scheint. Hier und da entlockt Hendrik Lasure seinem Tastenmöbel einen Ton. Caspar Van De Velde setzt dazu einen Schlag aufs Blech. Auch ein wenig Glockenspiel scheint beigemischt worden zu sein. Die Redundanz des Stücks ist nicht von der Hand zu weisen. Dezent sind dazu Drums und Piano gesetzt. Läge eine Beat-Box unter all dem, dann wären House und Techno nicht mehr fern. Beinahe an eine klassische Etüde erinnert in den Anfangstakten „Dame en Konijn“. „Figurativ“ erscheint nachfolgend Hendrik Lasures Spiel auf den schwarzen und weißen Tasten. Die Struktur ändert sich im Verlauf nur wenig. Caspar Van de Velde agiert derweil verhalten am Schlagzeug. Irgendwie klingt es nach fortgesetztem Tststs, während auch Sphärisches eingeblendet wird.

„Shanghai“ hat eine durchaus rockige Note, dank sei den Keyboards, die Lasure spielt. Auch das Wirbeln der Bleche ist in diesem Stück intensiver. Gar verfremdete, wimmernde und grölende Gitarren meint man zu vernehmen, auch wenn nur Tasteninstrumente zum Einsatz kommen. Doch Effekte machen halt fast alles möglich, auch das „Verschneiden“ von Effekten mit einfachen, minimalistischen Piano-Linien. Ein wenig Acid Jazz und Nu Jazz vom Feinsten, oder?

Mit einer basslastigen Einführung eröffnet Hendrik Lasure „ He Sees Only Bird“. Anschließend vernimmt man einen stilistischen Bruch, wenn Piano und Keyboard im Klang miteinander verwoben werden. Im Diskant bewegen sich Lasures Hände auf dem Piano, während das Keyboard für gleichbleibende „geätzte Klangwaben“ sorgt. Tmtm, Tacktack – das hört man vom Schlagzeuger. Kristallklar sind die tänzelnden Passagen, die Lasure uns im Verlauf des Songs anbietet. Tamtam und Ticktick – so hören wir erneut das Schlagzeug, während dann vom Pianisten schnelle, echauffierte Läufe folgen.

Mit einem Solo des Schlagzeugers beginnt „Biggy Pink“. So richtig in Fahrt scheint Caspar Van De Velde aber nicht zu kommen. Eher erlebt man Fragmentiertes, und dazu steuert dann Hendrik Lasure tonale Luftströme bei. Jedenfalls klingt es nach viel Pneumatik, so als würde ein Blasebalg betrieben, um eine Orgel in Schwung zu bringen. Wer bei dieser Musik an Björk oder Radiohead denken muss, liegt wohl nicht gänzlich daneben. Huch, eine mittelalterliche Drehleier scheint auch noch mit im Spiel zu sein, wenn der Song seinen Fortgang findet. Doch gemach, all das lässt sich dank Verfremdungen auch den Keyboards abgewinnen. Mit „Océane  mille“ beschließt das Duo das Debütalbum, das jenseits des Mainstreams angesiedelt ist und auch die Hörgewohnheiten eines jungen Publikum in Rechnung stellt.

Text © ferdinand dupuis-panther

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