Schindler / Smith / Erhard - The MunichSoundStudies Vol. 1
S
FMR Records
Was wir hören, sind Liveaufnahmen aus dem Münchener Kunstraum arToxin, die Udo Schindler (clarinet, bass clarinet, alto horn), Damon Smith (double bass) und Karina Erhard (c flute & alto flute) zu verdanken sind. Titel, die aus sich heraus Assoziationen wecken, existieren nicht. Stattdessen tragen die Stücke Namen wie „a_e.1“, „a_e.2“ bis hin zu „ a_e.6“. Für diese Stücke zeichnen alle drei Musiker gleichberechtigt verantwortlich. Daraus könnte man schließen, man höre einem Klangfluidum oder einer mehrteiligen Klangcollage zu.
Geraschel, Saitenwischen, ein über Saiten springender Bogen, angerissene Töne, Tiefen wie Höhen, Gebläse, Fiepen, Kreischen, gebrochenes Schnurren, Atemzischen, angetippte Basssaiten, Trällern, „Gibbonrufe“, Stimmzittern, Quietschen, Ratschen, Gebläse, das an eine Dampflok erinnert, gehauchter Flötenklang, Nebelhornanmutungen, Klänge des Steinschleifens, Gemurmel, Wohawoha oder Ähnliches als Flötengebläse, geblasenes Schnarren mittels Klarinette – all das und noch viel mehr sind die Elemente im ersten Stück der Livepräsentation improvisierter Musik. Die Sprache ist dabei allerdings ein unzulängliches Mittel, um die „Klangnuancen“ angemessen einzufangen.
Ab und an klingt ein Bass wie ein Bass und eine Klarinette wie eine Klarinette, wenn man auch gelegentlich an eine „Ententröte“ erinnert wird, oder? Feine Flötentöne verbunden mit deutlich wahrnehmbarer Atemluft stößt auf Getröte und nervöses Bassgestreiche – auch das ist im Verlauf von „a_e.1“ auszumachen. In der Fortsetzung der Präsentation dringt Atemluft an unser Ohr, hört man ein Ding-Dong und ein Schnalzen sowie kurze Klarinettentöne, auch schwirrende und flirrende. Ist da nicht auch eine Vogelflöte mit im Spiel, wenn wir „a_e.2“ folgen? Sprunghaft gibt sich der Bassist, der die angeschlagenen Saiten herrlich nachschwingen lässt. Geschnatter ist auszumachen und auch ein Tschilpen, dank an den Klarinettisten. Trötenklang macht sich breit und wird von feinen Flötensequenzen begleitet. Der Bass bleibt unbeeindruckt bei seinem tiefen Ding und Dong. Völlig außer sich scheint der Klarinettist im Weiteren. Seine Stimme scheint sich zu brechen, zu überschlagen und teilweise ins Gutturale abzugleiten. Selten sind Linien auszumachen, eher schon flächige Schraffuren. Das Gestische wie im Informel kommt dem Hörer vielleicht in den Sinn, folgt er dem weiteren Verlauf der Improvisationen. Und dazu hat auch der Bassist seine Position, bodenständig, nie überzogen, nicht gereizt, sondern geerdet, Saitenschlag um Saitenschlag.
Tauchen wir schließlich in „a_e.5“ ein, dabei dem sonoren Timbre einer Bassklarinette lauschend. Dazu gibt es welliges Auf und Ab der Flötistin zu erleben. Ist da nicht auch ein Lalülala irgendwie eingeflossen? Schummerungen vermischen sich mit breiten Konturlinien. Dunkel gefärbt kommt der Bass daher. Verwischtes Gepuste trifft sich mit Knarren und Knarzen. Sind da nicht auch Schiffshörner zu hören? Man könnte es meinen. Hier und da gibt es ruhigeres Klangfahrwasser zu erleben. Das Aufgewühlte ist verflogen. Doch all das erscheint eher wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Im Fortgang steigert sich das „Bassgestreiche“ ins eher Wilde. Sonor und dunkel im Klang äußert sich dazu der Klarinettist, der aber auch in den Diskant entschwindet. Nebeneinander greift ineinander, hier Bass und dort Flöte, die nur scheinbar eigene „Umlaufbahnen“ nutzen, aber dennoch Bezug zueinander haben. Vor allem aber vernehmen wir die intensive Verstrickung und das Konträre wie Dialogische zwischen der Flötistin und dem Klarinettisten. Diese interaktiven Momente sind auf dem Tonträger erahnbar, in dem Livevortrag sicherlich noch viel mehr durch die Körpersprache der Beteiligten auszumachen. Musik aus dem Moment und für den Moment ist eh schwer zu konservieren. Sie ist flüchtig und wird auf einem Tonträger „für die Ewigkeit“ festgehalten. Das scheint allerdings als ein Widerspruch begreifbar. Auch eine Liveaufnahme ersetzt nicht die „Konzertsituation“, auch wenn wir uns aktuell so sehr an Streaming gewöhnt haben, oder?
© ferdinand dupuis-panther
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