Sandra Hempel 4-tett: Licht Aus
S
Unit Records UTR 4464
Mit der in Hamburg beheimateten Gitarristin Sandra Hempel sind der Bassist Oliver Karstens, der Saxofonist und Altklarinettist Sebastian Gille und der Drummer Roland Schneider auf dem vorliegenden Album zu hören. Das Cover mit der von der Decke baumelnden, nackten Glühbirne passt bestens zum Albumtitel.
In den Liner Notes finden wir unter anderem folgende Anmerkung: „In Hamburg, wo Sandra Hempel nach Lehrjahren in Amsterdam und New York ihre Zelte wieder aufgeschlagen hat, schätzt man die Gitarristin als eine Gestalterin des Zusammenklangs, die sich versiert im weiten Feld aktueller Spielformen des Jazz bewegt, ohne dabei ihren musikalischen Kompass neu kalibrieren zu müssen.“
Von „verstrickt“ über „twitches“ und „ohm“ sowie „doppelblues“ spannt das 4tet den musikalischen Bogen bis zu „licht aus“. Alle Songs sind Kompositionen von Sandra Hempel, die ich bei einem Konzert im Farmhouse Jazzclub Harsewinkel zu einem Interview traf. Dabei verriet sie mir ihre Vorlieben für Pat Metheny und Wes Montgomery, allerdings unterstrich sie auch ihr Bestreben, einen eigenen Sound zu schaffen, sprich also eine eigene „Marke zu entwickeln“.
Liest man den Titel „verstrickt“, so assoziiert man dies mit verschlungen, aber auch mit miteinander verwoben, beteiligt, verantwortlich beteiligt, zudem aber auch mit verfilzen, verflechten, verhaspeln, verknäueln, verschlingen, und verheddern. Musikalisch müsste das also in einer irgendwie verschlungenen Form zu erkennen sein, sei es in Form eines Duetts zwischen der Gitarristin des Quartetts mit dem Saxofonisten oder mit dem Bassisten. Zumindest erscheint das als berechtigte Erwartung. Und tatsächlich eröffnen Sandra Hempel und Sebastian Gille in einem Duett den Song, getragen, lyrisch, beinahe auch ein wenig wehklagend. Im weiteren Verlauf entwirren sich die beiden Instrumentalisten in ihren tonalen Sequenzen, um anschließend nach und nach in Paraphrasierungen wieder zusammenzufinden. Derweil agiert Roland Schneider mit viel Beckeneinsatz am Schlagwerk.
Sandra Hempel beginnt den Song „lagrima“ in beinahe klassischer Attitüde, ehe dann Sebastian Gille die „Vorgaben“ aufgreift und weiterentwickelt. Tränenreich erscheint nicht, was wir hören, obgleich das der Titel des Songs nahelegt. Die feine Melodielinie ist bewegt, und die Harmonien frühlingshaft-beschwingt angelegt. Nein, Überschwang wird musikalisch nicht eingefangen, aber auch nicht die pure Tristesse. Eher hat man den Eindruck, es wehe ein sanftes musikalisches Lüftchen durch den Raum, wenn auch Sebastian Gille in seinem solistischen Beitrag durchaus den Schmerz einzufangen weiß. Hier und da scheint sein Atemrohr ein Schluchzen und Jammern nachzuahmen. Sandra Hempel antwortet darauf mit fein abgestimmten Läufen, die eher als beruhigend zu bezeichnen sind. Teilweise nimmt sie dabei harmonische Schemen auf, die auch in „verstrickt“ zu hören sind und moduliert sie.
Mit dem Song „ohm“ sind wir in der Physik, oder? Wie klingt, so fragen wir uns, wohl elektrischer Widerstand benannt nach Georg Simon Ohm? Muss man auf schrille Gegensätze gefasst sein? Muss der Song überaus spannungsgeladen angelegt sein? Oder ist der Titel des Songs ein Zufallsprodukt? Verhalten-lyrisch eröffnet Sandra Hempel auf ihrem Saiteninstrument den Song. Von Spannung ist nichts zu spüren, auch nicht wenn Sebastian Gille mit Sandra Hempel im Duett zu hören ist. Sanfte Klangwellen vernehmen wir. Dazu ein akzentuiertes Schlagwerk im Hintergrund, das ein wenig die Klangwellen zu durchbrechen scheint. Auch im Weiteren gibt es keine „Ausreißer“, kein exaltiertes Spiel, keine Nervosität, sondern eher Gelassenheit und ein Ruhen in der Mitte. „Misstöne“ im Sinne von Spannung, von Widerstand, von Elektrisierung sind nicht wahrnehmbar. Auch in diesem Song bleibt sich Sandra Hempel ihrem Stil und ihren Harmonieschemen, die wir auch in anderen Songs entdecken, treu. Das Melodiöse steht bei ihr dabei stets im Fokus.
Bei „doppelblues“ hatte der Rezensent den Eindruck, das Quartett unternehme einen Abstecher in den Bebop. Anlehnung an B. B. King, Alexis Corner oder Jeff Beck findet man nicht. Dafür ein sehr feines Saitenspiel, dessen Klangbilder beinahe impressionistisch anmuten. „Lichtmalerei“ ist eine Assoziation, die nahezuliegen scheint.
Zum Schluss wird dann mit „licht aus“ das Licht ausgeknipst, sprich das Album beschlossen. Stille in der Dunkelheit bleibt übrig, wie auf dem Cover auch zu sehen.
text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Unit Records
http://www.unitrecords.com
Musiker
Sandra Hempel
http://www.sandrahempel.de
Interview
http://www.jazzhalo.be/interviews/sandra-hempel-an-interview-with-the-guitar-player/