Sad Man - The Man from S.A.D.
S
self produced
Sad Man aka Andrew Spackman legt nunmehr eine im letzten Jahr bereits aufgenommene CD vor. Nachstehend einige Zitate zur Einordnung dieses in Birmingham (GB) beheimateten „Zauberers der elektronischen Klänge“:
- “relentlessly obscure and prolific British music maker”. (9/10 DJ Mag);
- “Like a Loony Tunes Cage or Stockhausen, banished to a makeshift potting shed”. (Monolith Cocktail);
- “Electronic music that nods in the direction of futuristic glitch school pointillism”. (Electronic Sound Magazine).
„The Man from S.A.D.“ ist unterdessen das fünfzehnte Album von SAD MAN in den letzten fünf Jahren. Eröffnet wird es mit „The Vulkan“, gefolgt von „Finny Foot“, „Quadripartie“ und „The Shark“. Zu hören sind unter anderem „The Green Opal“, „Double“, „Iowa Scuba“ und zu guter Letzt „Neptune“. Ambossschläge kurz und kapp – das ist der erste Höreindruck von „The Vulkan“. Weiter geht es dann Schlag auf Schlag und mit Wah-Wah sowie schrillen Klangschleifen. Redundanzen sind beabsichtigt. Keys scheinen elektronisch moduliert und zu einem Klangteppich verknüpft worden zu sein. Wieder und wieder sind Schlagfrequenzen auszumachen, vibrierend und in der Tonhöhe variierend. Harte Beats wie bei Acid und Techno dringen ans Ohr des Hörers. Der Rave ist in vollem Gange. Synth-Variationen durchziehen das Stück.
Angesichts des Titels wartet man auf die abschließende Eruption, auf Feuerschwall und Lavafluss. Lavafluss kann man sich bei der Musik durchaus vorstellen, aber eben keine Explosion mit lautem Urknall. Feines Klanggewebe mit hochfrequenten Tonlagen macht „Finny Foot“ aus. Eindringlich ist auch hier der Rhythmus des Stücks. Flirren ist zu vernehmen und zugleich auch ein aufdringliches Ritsch-Ratsch. Beinahe an ein Vibrafon mit seinen metallenen Klangströmen erinnert das, was im Weiteren erlebbar ist. Ein zirkulierender Grundton wird von einem Ploppplopp begleitet. Ist da nicht auch eine verschleierte Stimme zu vernehmen? Psychedelisches Gitarrengeschwirr, so der Eindruck, vereint sich mit einem steten Basslauf. Ratsch-Ratsch drängt sich im Hintergrund auf. Dunkle Tonvibration vereint sich mit kristallinen Klangpassagen, die dann nach und nach ausgeblendet werden. Ist da bei „Quadripartie“ ein Rhodes quicklebendig zugange? Wellenförmig breiten sich die Klangsequenzen aus. Wiederkehr ist Teil des Konzepts. Nach und nach wird der Hörer fast in einen Trancezustand versetzt. Es ist eine Vermischung von Klangflüssen, die sich in ein weites Klangdelta ergießen. Toktoktok- toktok – so klingt die rhythmische Linie des Stücks. Man muss dabei an kurze Gewehrsalven denken, oder? Blechern klingende Klangflächen werden mit einem grell leuchtenden Schlierenband verbunden. „The Shark“ umfängt uns mit einem Gemisch aus tiefen Vibrationen und einem zerfließenden Wah-wah. Rhythmisches Klatschen, so vermutet man jedenfalls, ist Teil der Inszenierung. Alarmsignale flammen kurz auf. Und weiter geht es mit flottem Rhythmus und einem ausgebreiteten Teppich aus Anmutungen von Orgelklängen. Oder ist es doch ein Rhodes oder gar ein Synth? Und wo bleibt der Hai mit seiner Attacke?
„The Green Opal“ macht mit dumpfen Dumdimdumdim und Klickklick sowie Pling-Plong auf sich aufmerksam. Der Rhythmus scheint überbordend und so auch im Gedächtnis des Zuhörers haften zu bleiben. Man kann vor dem geistigen Auge die Raver sehen, die sich in Zuckungen nach rechts und nach links werfen, Arme dabei in die Luft streckend. Verschwitzt sind die Leiber der Tänzer, die sich auf Ekstase einstellen. Fast ekstatisch ist auch die Musik, die Andrew Spackman präsentiert. Da scheint es um durchgehende Rhythmisierung und Klangstreifen zu gehen, die sich in Rot, Blau, Weiß und Gelb abzeichnen. Man denke dabei an die Farbstreifen, die Léger auf seinen Gemälden über den verstädterten Menschen und die industrielle Maschinenwelt gelegt hat, dabei auch die Neonreklame im urbanen Straßenraum bildlich umsetzend. An eine niederländische Drehorgel muss man beim Hören von „Giuoco Piano“ denken, ein ganz eigener Höreindruck im Vergleich zu all den an Techno angelehnten Beats anderer Stücke. Auf diese verzichtet Spackman in diesem Stück nicht komplett, aber auch andere Klangmodule werden in den Fokus gerückt wie ein Vibrieren von Klanghölzern, ein metallenes Geschabe, ein Zischen wie bei dem Funkenflug eines Schneidbrenners.
Rhodes oder Synth, das ist bei „Iowa Scuba“ die Frage. Auf alle Fälle ist ein hochfloriger Klangteppich im Raum ausgebreitet worden. Schraffierte Klangmuster sind auszumachen. Hier und da muss man an den vollen Orgelklang einer Schwalbennestorgel in einer gotischen Kathedrale mit Sternengewölbe denken. Langatmige Vibrationen unterschiedlicher Lagen sind zu hören. Ist da im Fortgang auch ein Holzbläser mit von der Partie? Dittdittditt drängt sich auf, schwirrt durch den Raum. Kreischende Sägeblätter hört man zudem, oder? „Tasten-Pogo“ ist Teil der musikalischen Präsentation. Zu guter Letzt taucht der antike Gott des Meeres aus den Klangfluten auf: „Neptune“ heißt die abschließende Klangmelange.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
https://sadmanband.bandcamp.com/
https://www.youtube.com/user/andrewspackman
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/s/sad-man-sad-man/
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/various/jazz-made-in-great-britain-1/
https://www.andrewspackman.com/